Beiträge von Thygra im Thema „Fehler, Fehler, Fehler - Day 1 Patch bei Brettspielen / Bin ich Betatester?“

    Nu könnte man als Autor (wie damals in der Spielbox Herr Kramer?) ja sagen, dass es nicht gerechtfertigt ist, wenn man ein Spiel schlecht bewertet, nur weil man nicht die Zielgruppe ist. Hab ich auch lange Jahre geglaubt.

    Wie immer gibt es aber nicht nur schwarz und weiß, sondern man sollte die vielen Graustufen differenzieren. Eine wichtige Frage ist für mich: Hat der Rezensent eine homogene Leserschaft, also eine klar definierte Zielgruppe? Oder hat er eine heterogene Leserschaft und erreicht vielfältige Zielgruppen? In erstem Fall kann man ein Spiel meines Erachtens auch nach weniger umfangreichen Tests schlecht bewerten. Im zweiten Fall sollte man ein Spiel dagegen vielfältiger in unterschiedlichen Gruppen testen und dann auch im Fazit evtl. unterschiedlich auf die Zielgruppen eingehen, falls das Spiel unterschiedlich ankam.


    Heißt: Wenn es in vielen Runden nicht gut ankam, aber in einer anderen Zielgruppe Spaß aufkam, sollte man es nicht nur schlecht bewerten, sondern auch erwähnen, dass eine bestimmte Zielgruppe doch Spaß daran haben kann, sofern diese Zielgruppe zur eigenen Leserschaft gehört. Das ist kein Verwässern eines Verrisses.


    Anders herum sollte man dagegen bei einer schlechten Bewertung Sätze wie "Könnte in Familien trotzdem für Spaß sorgen" weglassen, wenn man das nicht ausprobiert hat. Das wäre dann ein Verwässern des Verrisses.


    Und in den meisten Fällen steht auch nicht groß "Familienspiel" auf der Packung.

    Bei Pegasus in Zukunft schon! ;)

    Eher so: Es spricht doch gar nichtst dagegen, einem schlechten Spiel vorzuwerfen, es sei ein schlechtes Spiel. Es spricht aber etwas dagegen, ihm mangelnde Komplexität vorzuwerfen, wenn es das gar nicht sein soll.

    Danke! :)

    Rein interessehalber: was genau machst du denn jetzt?

    Ich bin weiterhin freiberuflich, aber 99% meiner Zeit für Pegasus tätig. Am ehesten kommt die Bezeichnung "Internationaler Produktmanager" der Tätigkeit wohl am nächsten.


    Das umfasst im wesentlichen 2 große Bereiche:


    - Lokalisierungen von Spielen in anderen Ländern.
    (In Essen habe ich mich mit 57 Verlagen (neuer Rekord) anderer Länder getroffen, um sie davon zu überzeugen, das eine oder andere Spiel in ihrer Sprache zu lokalisieren.)


    - Durchführung von Großaufträgen zur Spieleproduktion.
    (Großauftrag heißt, wenn nicht nur 1-2 Spiele in einer Fabrik beauftragt werden, sondern viele unterschiedliche Titel zur gemeinsamen Produktion. Das können auch mal 40 oder 50 unterschiedliche Titel sein, die gleichzeitig produziert werden sollen.)


    Beide Bereiche hängen natürlich irgendwie auch zusammen.


    Es wird allerdings etwas off-Topic jetzt, von daher werde ich das nicht weiter ausführen.

    Ohne das wertend zu meinen: Machen die denn je etwas anderes als nur eindeutschen? Wenn ich das - von meinen Einblicken her - mit der Arbeit von Lookout, Pegasus und Co vergleiche, dann sind die Verlage doch eher Übersetzer und weniger wirkliche Redakteure, die etwas an den Spielen ändern im Sinne von "redaktionell bearbeiten". Ich mag mich da aber auch täuschen.

    Es gibt schon große Unterschiede bei der Eindeutschung. Manchmal werden einfach nur Texte übersetzt, und manchmal werden Spiele komplett überarbeitet.

    Gerad einem Kleinstverlag sollte aber doch daran gelegen sein, dass das wenige, was sie auf den Markt bringen, einwandfrei ist. Die müssten ja auch nicht den Zeitdruck haben, den ein großer Verlag hat.

    Gerade ein Kleinverlag hat aber manchmal noch nicht das Verständnis dafür, was er alles falsch machen kann. Oft steckt da ja Hobby-Arbeit dahinter, in der Freizeit ausgeführt. Warum ein guter Redakteur für ein Spiel wichtig ist, verstehen Kleinverlage manchmal noch nicht. Mangelnde Erfahrung halt.

    Wenn ich mir aber beispielsweise die Anleitung von #ShadowsoverNormandie ansehe, die @HDScurox so wunderbar zerlegt hat oder auch die Anleitung zu #DungeonSaga, wo wirklich dem Kunden mehr oder weniger die Spielregeln für den Kampagnenmodus überlassen werden... das sind wirklich grobe Hacker und dann nähern wir uns dem "unspielbar" sehr stark an. Sowas MUSS man sehen.

    Ich kenne diese Spiele jetzt nicht, aber hier reden wir vermutlich über Kleinverlage, oder?

    Anleitungen sind doch quasi dein Geschäft Thygra. Würdest du Anleitungen SO auf den Markt bringen?

    Das kann ich nicht beantworten, da ich die genannten Anleitungen nicht kenne, wie gesagt. Mein eigener Anspruch an eine eigene Anleitung ist allerdings extrem hoch. Ich will 100% erreichen, Perfektion anstreben, auch wenn das nie absolut erreichbar ist, sondern man über gefühlte 99,9% wohl nie hinauskommen wird.


    Es ist aber auch so, dass das allerletzte Prozent eben sehr viel Zeitaufwand benötigt und somit auch hohe Kosten verursacht. Dass manche Verlage hier die Schere ansetzen und meinen, man müsse auch mit 99% zufrieden sein, ist betriebswirtschaftlich betrachtet nachvollziehbar. Schlimm ist eben nur, wenn das fehlende Prozent so viel kaputtmacht, dass der Schaden dann höher als die Einsparung ist.


    Übrigens: Anleitungen WAREN mal mein Geschäft, das hat sich aber inzwischen geändert. Meine letzten Anleitungen von größeren Spielen waren Strasbourg und Noblemen. Seitdem betreue ich nur noch ein paar kleine Spiele wie zuletzt Elements und die Brains-Reihe, weil mir andere Aufgaben einfach keine Zeit mehr lassen, Spiele redaktionell zu betreuen. Ab und zu reicht die Zeit noch für das eine oder andere Lektorat einer Anleitung.

    Ich glaube, hier wird gerade ein wenig viel Unterschiedliches durcheinander geworfen.


    1) Einzelne Fehler beim Spielmaterial: Bei einer Qualitätssicherung werden immer Stichproben genommen. Einzelne Spiele können fehlerhaft sein, zum Beispiel fehlt man ein Pöppel. Das kann man nicht verhindern, ohne dass der Kunde am Ende einen viel höheren Preis zahlen muss. Deshalb nimmt man in Kauf, dass ca. 5-10 von 1000 Spielen solche Einzelfehler enthalten. Der Kunde reklamiert und erhält kostenlosen Ersatz. Das ist für den Kunden besser, als wenn er einen deutlich höheren Preis für das Spiel zahlen müsste.


    2) Fehler beim Spielmaterial in einer gesamten Auflage: Dafür kann es sehr unterschiedliche Gründe geben. Diese jetzt hier alle aufzuzählen und darauf einzugehen, dazu fehlt mir leider die Zeit, sorry.


    3) Mängel in Anleitungen: Hier meinst du vermutlich schlechte Formulierungen oder gar Fehler. Ich verstehe gut, dass man als Kunde wenig Verständnis für solche Fehler hat. Aber es ist egal, wie viele Menschen eine Anleitung korrekturlesen: Perfekt wird sie nie. Auch 10 Leute können eine Sache übersehen. Habe ich alles schon erlebt.


    Letztendlich muss man sich vor Augen halten, dass es Menschen sind, die an Spielen arbeiten. Menschen machen Fehler. Bei einem Autozubehörteil, wo ein Fehler eventuell Menschenleben kosten kann, ist eine Qualitätssicherung meines Erachtens viel wichtiger als bei einem Spiel und der Frage, ob man einen Satz in einer Anleitung so oder anders formuliert.


    Weiterhin sollte euch klar sein, dass die Spielebranche eine sehr kleine Branche ist. Es ergibt wenig Sinn, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Genau das würde man aber tun, wenn man bei Spielen eine Qualitätssicherung wie bei einem Autozulieferer aufbauen würde.

    Wie wäre es mit " Bei den Verlagen eine Qualitätssicherung einführen" wie es jeder anderer produzierende Betrieb auch macht?

    Warum stellst du hier indirekt die Behauptung in den Raum, es gäbe keine Qualitätssicherung? Die gibt es natürlich! Sie findet aber üblicherweise nicht bei den Verlagen statt, sondern in den Produktionsstätten - was im übrigen auch viel sinnvoller ist.