Da fällt mir auf, das ich auch noch nicht geantwortet habe:
In dem Punkt gehen der Prof, du und ich konform. Das kindliche Spiel besteht aber aus dem Regeln brechen. Nun leg dem Kind ein Gesellschaftsspiel vor, bei dem es die Regeln einhalten soll und nach den Spielziel (re-)agieren soll. Das ist in meinen Augen Kreativität hemmend und nicht fördernd.
Kreativität kann aber auch bedeuten innerhalb eines Regelwerks neue Pfade zu beschreiten. Viele bedeutende Erfindungen wurde gemacht, weil Menschen mit den Einschränkungen, die uns die Natur auferlegt, nicht zufrieden waren. Trotzdem hat keiner die Regeln gebrochen - die Naturgesetze sind heute die gleichen wir vor 20000 Jahren. Stattdesen wurde innerhalb der Regeln nach neuen Wegen gesucht. Sicher spielt bei vielen dieser Erfindungen viel Fleiß oder eine gute Portion Zufall eine Rolle, aber das steckt i.d.R. auch viel Kreativität drin.
ZitatDu möchtest eine Skulptur von mir, in der ich meine ureigene Kreativität zum Ausdruck bringe? Dann wähle bitte Exponate aus meinem Bestand, die ich unmotiviert und ohne Zielorientierung ganz nach meinen Geist kreiert habe.
Du behauptest also, dass ich nur durch die Vorgabe eines Themas jegliche Kreativität von dir im Keim erstickt habe und dir jegliche Chance nehme als Künstler zu handeln statt als Handwerker?
ZitatAber nein - du willst je unbedingt einen Wettbewerb kreieren, oder?
Wer sagt das?
Vielleicht weißt du gar nicht, dass ich auch 19 andere Leute gefragt habe, sondern bitte dich nur eine Skulptur zu einem bestimmten Thema zu erstellen.
Vielleicht kommt auch ein Museumscurator auf die Idee, dass wir in ein paar Jahren 20 Jahre deutsche Einheit feiern und bittet dazu 20 Künstler ein passendes Werk zu erstellen. Dann ist das kein Wettbewerb, sondern du weißt, dass dein Werk garantiert ausgestellt wird - es geht nur darum, dass du deine persönliche Version des Themas präsentierst. Du weißt, dass das Exponat mit deinem Namen drauf von vielen Leuten gesehen wird und kannst dein eigenes Wesen da einfließen lassen. (Wenn du jetzt sagst, dass du mit dem Thema nichts verbindest, können wir auch gerne 20 Leute bitten etwas zum Thema 'Mensch und Spiel' zu erstellen - da wird dir doch sicher etwas einfallen, was deiner ureigenen Kreativität entspricht.)
Vielleicht bist du auch auf einem Kreativitätsworkshop, wo sich Leute treffen, die Spaß daran haben ich zu einem gemeinsamen Thema auszuleben und anschließend auszutauschen. (In anderen künstlerischen Bereichen wie Poesie, Malerei,... gibt es das durchaus - keine Ahnung ob in deiner Branche die hohen Materialkosten dem im Wege stehen oder b du schon zu sehr Profi bist um an so etwas teilzunehmen.)
Es geht doch nur darum, dass jeder Künstler das Thema anders angehen wird und da sehr wahrscheinlich recht verschiedene Ergebnisse dabei entstehen. Das ist für mich ein Zeichen, dass hier kreativ gearbeitet wird und nicht 'nur' ein Handwerker eine Blaupause umsetzt.
(Natürlich wird es gewisse Einschränkungen bzgl. Größe und Kosten geben, aber die kann man durchaus weit genug fassen, dass sie für deine Kreativität wenig Grenzen setzen.)
ZitatAlles anzeigenDann betrachten wir das doch mal als Spiel - mit dem Ziel des Gewinns dieses Auftrags.
So - Zielvorgabe Bruderkuss
Dann magst du als Material Granit gut leiden. Hmmm - wenn ich diesen Wettbewerb gewinnen möchte, hätte ich von Dir gerne weitere Auskünfte.
Wie hoch hast du das Budget geplant?
Wie groß stellst du dir die Skulptur vor?
Welche Oberflächenbearbeitung wünschst du dir?
Welche Stilrichtung gefällt dir am besten?
Welche Stielrichtung gefällt deinen Freunden am besten?
Welchen Standort stellt du dir für die Skulptur vor?
Usw. und so fort. Wenn ich diesen Wettbewerb gewinnen will, ist es wichtig es DIR recht zu machten. Ich strebe das an, was von dir am meisten belohnt wird. Und je mehr Regeln wir aufstellen, umso eher gelange ich zum Ziel des Auftrags. Wenn mir da meinen ureigene Kreativität quer schießt und ich deine Regeln breche, dann verliere ich den Auftrag.
Tja, dumm gelaufen. Ich verrate dir leider nicht, wer in der Jury ist, nur dass es alles Leute sind, die Ahnung von der Materie haben. Alle anderen Fragen überlasse ich entweder dir oder mache nur sehr grobe Vorgaben, wie 'zwischen 0,5m und 2,5m groß). Du hast jetzt also zwei Möglichkeiten - du fertigst eine absolute Massenware ab, an der niemand etwas aussetzen kann, damit verlierst du wahrscheinlich nicht, gewinnst aber auch garantiert nicht. Oder du erstellst eine Skulptur, die deine ganz perönliche Note hat und hoffst, dass diese die Jury überzeugt. Willst du jetzt behaupten, dass alle 20 Künstler ein nahezu identisches Produkt abgeben werden? Oder werden doch die meisten etwas Einzigartiges, Neues (=Kreatives) erschaffen?
Um mal in einen Bereich zu wechseln, wo unsere Kenntnisse nicht ganz so verschieden sind: Es gibt immer wieder Wettbewerbe, wo man ein Spiel nach bestimmten Vorgaben erstellen soll. (Max. 20 Karten, bestimmtes Spielmaterial soll eine wichtige Rolle spielen, ...) Gehst du automatisch davon aus, dass alle Einsendungen da total unkreativ sind, da der Wettbewerbsbetreiber irgendwelche Regel aufgestellt hat? Sind nur die Einsendungen kreativ, die sich nicht an die Regeln gehalten haben - also die Regeln gebrochen haben?
Kann nicht auch eine Einschränkung Kreativität fördern? Ich erinnere mich gut an eine Situation als Student, wo wir eine Flasche Wein aber keinen Korkenzieher hatten. Wir hatten viele kreative Ideen, wie wir trotzdem ein Gläschen trinken können. Diese Kreativität hätte sich in Luft aufgelöst, wenn jemand gesagt hätte 'Ich wohne nur 2 Min von hier und hole schnell einen Korkenzieher' - dadurch, dass diese Option nicht bestand - also eine situationsbedingte Regel entstand, dass wir keinen Korkenzieher benutzen dürfen - wurde unsere Kreativität gefördert. (Ja - wir haben die Flasche geöffnet bekommen, aber ein Korkenzieher wäre die deutlich bessereLösung gewesen.)
ZitatDarum bin ich der Meinung, dass Spielregeln die Kreativität eher hemmen als fördern. Natürlich gibt es ein Spektrum der Kreativitätsintensität. Wenn ich aber wie der Prof ein Beispiel nenne sollte, was die Kreativität fördern soll, würde ich nicht auf ein Gesellschaftsspiel verweisen.
Wie ich in meinem letzten Post auch schon schrieb, wären Gesellschaftsspiele auch nicht besonders weit oben in meiner Liste von Empfehlungen für Kreativitätssteigerungen. Mir geht es in der Diskussion nur darum, dass du einem Brettspiel jede Kreativität absprichst - und dem widerspreche ich.
ZitatInsbesondere - weil es dem Prof um einen Steigerung der Lebensqualität ging und um den Ausstieg aus dem Hamsterrad geht.
Wie oft wird denn einem Titel nachgesagt: Ich fühle mich gespielt. Oder - dieses Spiel ist für mich reine Beschäftigung.
Das ist aber kein Problem des Genres, sondern der Auswahl inneralb des Genres. Wenn mich jemand nach einer fesselnden Unterhaltung fragt, werde ich ihm auch nicht einen Duden der deutschen Rechtschreibung empfehlen oder ein Sachbuch zu einem Thema, dass ihn nicht interessiert, sondern ich nenne ein Buch, dass seine Interessen und Vorlieben anspricht. Viele von den Spielen, die andere als 'mehr Arbeit als Spiel' empfinden, empfinde ich durchaus als anregend.
Und wenn du Gesellschaftsspiele nicht als 'Steigerung deiner Lebensqualität' ansiehst, bist du hier im Forum irgendwie falsch.
ZitatMagst nicht doch vielleicht lieber ein Exponat meiner Kreationen aus meinem Bestand haben und verzichtest auf deinen Wettbewerb. Dir würde ich auch einen Sonderpreis machen ...
In meiner Liste der Sachen, wofür ich bereit wäre Geld auszugeben, rangiert eine Skulptur deutlich niedriger als die Brettspiele in deiner Liste der kreativitätsfördernden Beschäftigungen.
ZitatIch meiner Ausbildung erklärte mir mein Meister, dass ich mich als Steinbildhauer immer als Handwerker fühlen sollte und nicht als Künstler.
Das liegt wohl schlicht daran, das der Markt für Handwerker größer ist als der für Künstler und dein Meister wollte, dass du auch immer genug zu Essen auf dem Tisch hast. Trotzdem kann man sicher auch Geld verdienen, indem man dein Gewerbe als Künstler betreibt. Man muss nur sehr gut sein um alleine davon leben zu können.
ZitatHallo Tom,
Jetzt im Ernst? Den Zusammenbau nach Anleitung betrachtest du als Kreativität fördernd?
Dazu hat @Tom ja schon geantwortet: Es wurde nie behauptet, dass das befolgen der Bauanleitung kreativ ist. Es wurd nur gesagt, dass es auch fürs kreative Zusammenbauen Regeln gibt (Die Erhöhungen müssen in die Vertiefungen gesteckt werden - für zwei quadratische 2x2 Steine gibt es also im Wesentlichen nur 3 Möglichkeiten: genau aufeinander, seitich leicht versetzt (also zwei Nöppel bedeckt) oder Ecke auf Ecke - das sind schon starke Einschränkungen, erlauben aber trotzdem viel Kreativität.)
ZitatDeine Bescheidenheit in allen Ehren. Dabei ist Lego eigentlich ein schönes Beispiel, wie diese Firma mit ihrem Marketing im Laufe der Jahrzehnte ihre Kunden immer mehr verblödet hat. Die Kreativität der Kunden fängt doch erst an, wenn sie alle Anleitungen verbrennen und vergessen, was vorgeben war.
Hast du mal Kinder beobachtet, die alles genau nach Anleitungen aufgebaut haben? Was machen die als nächstes? Bei vielen fängt jetzt die Kreativität erst richtig an. Die Erfinden Geschichten, die die Legomännchen erleben. Da werden plötzlich Kühe in Raumschiffe gesteckt ohne dass die Kinder je was von 'Firefly' gehört haben und meistens wird dann auch an den nach Anleitung gebauten Modellen nach Veränderungen angebaut - das Auto braucht Flügel, die Polizeiwache braucht eine Etage mehr, ...
Die Bauanleitung dient nur als Initialenergie für die Kreativität. Sicherlich gibt es auch Leute, an denen das vorbeirauscht, weil sie nicht kreativ genug sind. Dazu gibt es noch diejenigen, die Lego als Sammelobjekt betrachten und (damit!) gar nicht kreativ sein wollen. Aber ich glaube nicht, dass Lego seine Kunden verblödet.
ZitatAls ich Kind war, gab es eine große Kiste mit Legosteinen und wir haben gebaut, was uns in den Sinn kam. Das waren aber in der Regel nur Nachbauten von dem, was uns umgab. Aber uns hat niemand der Fantasie beraubt. Ich weiß nicht, ob die Anwender von heute sehr unter dem Zwang stehen, das Vorgegebene nachzubauen - ich würde es eigentlich sehr bedauern. Lego kann Kreativität fördernd sein. Aber das Marketing der Firma ist nun nicht gerade musterweisend, und ich habe nicht das Gefühl, dass sie dieses Ziel mit ihren Objektschachteln verfolgen.
Natürlich wollen die damit auch viel Geld verdienen. Aber das steht einer Kreativität ja nicht im Weg. Wenn du mal ins Legoland gehst, siehst du was man damit alles machen kann und das wird sicher so manchen Besucher anregen mal selber etwas Neues aus Lego zu bauen. Man kann auf der Lego-Homepage sogar Modelle einsenden und wenn genug Kunden die Mögen, prüft Lego, ob das Modell für den Verkauf geeignet ist. Man wird also auch da aufgefordert kreativ zu sein.
Wie vorher schon gesagt, können wir uns sicher einigen, dass der Grad der Kreativität in einem Brettspiel niedriger ist als bei vielen anderen Aktivitäten, aber zu sagen, dass es gar keine Kreativität gibt, finde ich falsch. Da wird ein meiner Meinung (!) nach viel zu enger Kreativitätsbegriff gewählt.
Gruß
Fluxx