Beiträge von LemuelG im Thema „Brexit: Auswirkungen für Brettspieler?“

    Dass keine konkreten Wahlfälschungen nachgewiesen werden konnten, tut nichts zur Sache. Die gesetzlichen Regelungen sind eben auch deshalb so penibel und streng, damit das gar nicht erst passieren kann. Dass in einem nennenswerten Umfang Manipulation möglich gewesen wäre, reicht schon. Man muss sich darauf verlassen können, dass sowas gar nicht erst möglich ist. Und Wahlhelfer, die unterschrieben haben, dass alles in Ordnung gewesen wäre, ohne bei der Auszählung anwesend zu sein, dürfen ruhig auch mal erfahren, dass es so nicht geht. Egal welches Parteibuch sie haben.

    Der Vollständigkeit halber sollte man erwähnen, dass dieses Vorgehen in Österreich offenbar lange Tradition hatte und allen Parteien vorher bekannt war, und dass auch viele FPÖ-Leute involviert waren, siehe Zeit Online. Ändert natürlich nichts an der Zwangsläufigkeit der Gerichtsentscheidung.

    Teilweise mit Schuld. Z.B. mit der Euro-Einführung ganz wesentlich mit Schuld an den Wirtschaftsproblemen incl. besorgniserregender Jugendarbeitslosigkeit im Süden. Ohne die notwendige Flexibilität in Form von Währungsschwankungen und ohne gemeinsame Wirtschaftspolitik können die Südländer nicht mit den Nordländern innerhalb der gleichen Währung wirtschaftlich konkurrieren. Währungsunion ohne politische Union ist bisher immer früher oder später gescheitert und wenn in Europa die politische Union nicht kommen wird (weil die Völker sie schlicht und einfach nicht wollen), dann geht auch der Euro früher oder später den Bach runter. Da würde ich mittlerweile fast darauf wetten wollen.

    Moment - es hat ja nun niemand irgendeinen souveränen Mitgliedsstaat dazu gezwungen, den Euro einzuführen. Das war die Entscheidung der jeweiligen Einzelstaaten, wenn sie denn die Kriterien erfüllten (oder zumindest erfolgreich vortäuschen konnten, die Kriterien zu erfüllen). Und es gab genügend Staaten (UK, Schweden, Dänemark), die hierauf verzichtet haben. Somit müssen sich Griechenland, Italien, Spanien etc. ja Vorteile davon versprochen haben, ihre individuell steuerbaren Währungen gegen den Euro einzutauschen. Was hier die Schuld der EU sein soll, verstehe ich nicht.

    @MetalPirate: Die Definition von Politik ist nach meinem Verständnis die Kunst des Kompromisses zwischen schwer oder gar nicht zu vereinbarenden Positionen. Ein guter Kompromiss liegt dann vor, wenn alle Seiten gleichermaßen auf das Ergebnis schimpfen, weil sie zu weit von der jeweiligen "reinen Lehre" abrücken mussten, um im gemeinsamen Interesse ein Ergebnis zu erzielen.


    Im Rahmen der EU äußert sich der deutsche Schmerz in solchen Kompromissen traditionell im Portemonnaie, womit sich inhaltliche Zugeständnisse der anderen Seite "erkauft" werden. Ich finde das keineswegs verwerflich.


    Allerdings sind solche Kompromisse von den Aposteln der reinen Lehre in den Mitgliedsstaaten natürlich immer leicht anzugreifen. Ist ja per Definition immer etwas drin, was Schmerzen macht. Und Schuld ist dann die EU - die ist weit weg und es versteht eh keiner, was sie macht.


    By the way, die Natur politischer Kompromisse macht in meinen Augen die meisten Fragen ungeeignet für Volksabstimmungen. Denn dort geht es um ein Entscheiden der Mehrheit über die Minderheit, während die repräsentative Demokratie den Interessensausgleich zwischen idealerweise allen Seiten ermöglicht.

    Leute: Oberstes Entscheidungsgremium der EU ist nicht irgendein Wasserkopf in Brüssel, nicht der Kommissionschef und nicht das Europaparlament. In allen wesentlichen Fragen (wie etwa der Flüchtlingskrise) liegt die Entscheidungskompetenz beim Europäischen Rat, also der Konferenz aller (noch) 28 Regierungschefs. Entscheidungen dort müssen meines Wissens einstimmig sein, d.h. es gibt Kompromisszwang oder eben Stillstand. Das heißt wer sich darüber aufregt, dass die EU in der Flüchtlingskrise versagt habe, der muss eigentlich eine stärkere Integration fordern, so dass gerechte Verteilung von Lasten durch eine zentrale Stelle möglich wird. Ansonsten bleibt es dabei, dass Staaten wie die Slowakei, die IIRC in 2015 ganze 9 Kriegsflüchtlinge aus Syrien aufgenommen haben, ihr Veto gegen alles einlegen können.


    Problem aus meiner Sicht sind daher in erster Linie die populistischen Regierungen in vielen Mitgliedsstaaten, die gerne EU-Subventionen annehmen, aber zugleich bitte keine Lasten tragen wollen, die das böse Brüssel an sie umverteilen möchte.

    Ich finde, es gehört zum Respekt vor einer demokratischen Entscheidung, dass man diese dann auch mit allen Konsequenzen und im gewollten Sinne umsetzt. Und die Intention der meisten Brexit-Wähler ist ja nicht, lasst uns möglichst viel so lassen wie bisher, nur eben nicht EU-Mitglied sein, sondern ein voller Austritt und echte Eigenständigkeit ("Independence Day").


    Die Brexit-Entscheidung kann man falsch finden (was ich tue), und man kann sie gefährlich finden (was ich ebenfalls tue) - die LePens und Wilders und vermutlich auch die AfDler dieser Welt rufen ja nun schon nach eigenen Volksentscheiden in ihren Ländern. Insofern bin ich voll dafür, dass die Briten jetzt genau das bekommen, was sie mehrheitlich wollten. Raus aus der EU mit allen Konsequenzen - dass vor denen in den Kampagnen nicht gewarnt worden sei, kann ja nun keiner behaupten. Sollen die Holländer und Franzosen und alle anderen ruhig sehen, was sie davon hätten. Nicht, weil ich den Briten etwas Böses wünsche oder sie jetzt bestraft sehen will, sondern weil Freiheit eben bedeutet, Entscheidungen zu treffen und mit diesen zu leben. Zugleich fände ich es gut, für den unwahrscheinlichen (?) Fall, dass die Briten in ein paar Jahren zu der Erkenntnis kommen, dass sie in der EU doch besser dran wären, dann ein beschleunigtes Aufnahmeverfahren vorzusehen.


    Ich bin ein großer Fan der europäischen Idee. Selten habe ich so ein Gefühl von Freiheit gehabt wie beim regelmäßigen fußläufigen Überqueren der Europa-Brücke zwischen Strasbourg und Kehl während meines Auslandsstudiums - in einer Region, die in unzähligen deutsch-französischen Kriegen immer wieder erobert wurde, ist das Verschwinden von Grenzen schon etwas ganz Besonderes. Ich halte die europäische Idee für zu wichtig, um sie dem Populismus zu überlassen, der bei jeder Form von Volksbefragung unweigerlich die Hauptrolle spielt. Nicht umsonst war noch vor dem Alter die Bildung eindeutigster Indikator für die Brexit-Zustimmung: Je ungebildeter, desto EU-feindlicher. Ja, europäische Einheit ist eine elitäre Idee ... weil sie eben kollektive und manchmal abstrakte Vorteile schafft, die (Stichwort z.B. Freizügigkeit innerhalb der EU) populistisch und vorurteilsbasiert einfach auszuschlachten sind, zugleich aber gesamtwirtschaftlich große Vorteile bringen. Aber nur so kann die EU vor den Populisten beschützt werden. Was nicht heißt, dass es nicht viele Verbesserungspotentiale gibt ...