Diese Woche zweimal gespielt. Ein 2er und eine 4er-Partie. In der ersten Partie traten die gelben Wissenschaftler (ich) gegen die grünen Ökos (meine Frau) an. A-Seiten der Boards, A-Seiten der Evakuierungsbedingungen und bei den Charakteren jeweils das Geschlecht des Spielers. 50:52 verloren. Ich konnte viele Punkte mit Superprojekten machen, habe aber nicht evakuiert, weil ich dazu drei rote Gebäude (Labore) gebraucht hätte. Die früh aufgedeckten Labore waren alle völlig uninteressant. Siegpunkte genieren am Spielbeginn? Wohl eher nicht. Lieber Engine Building mit attraktiven Wasser-Gebäuden (blau) und Fabriken (grau).
Durch Superprojekte und den Zwang, so linksbündig wie möglich zu bauen, hatte ich dann schneller als es mir lieb war, eine Anamalie auf dem ersten Platz in der roten Reihe sitzen und die Evakuierung war nachher nicht mehr attraktiv. Da konnte ich anderweitig mehr Punkte machen als mit alle Energie auf den Bau dreier Labore, deren Funktion ich nicht wirklich wollte. Zumal meine Frau zuerst evakuiert hatte und ich in dem 2er-Spiel dann eh drei Punkte Abzug beim Evakuieren bekommen hätte. Dank 18 Punkten bei der Evakuierung und mehr Erfolg bei den 3-Punkt-Endwertungskarten hat meine Frau das Spiel knapp gewonnen.
Lerneffekt dabei: Evakuierung ist doch wichtig, anders als weiter oben Thread von irgendjemand geschrieben, aber man muss dabei schon zusehen, dass sich die eine Evakuierungsaktion, die man im Spiel hat, punktemäßig auch ordentlich lohnt. Ich sage mal: 15+ Punkten sollten beim Evakuieren dann schon rauskommen, und die kriegt man dann anderswo nicht so leicht.
Zwei Tage später dann Anachrony in 4er-Runde, davon zwei Erst- und zwei Zweitspieler. Ich bekam die religiösen Spinner (rot) zugelost. Wieder alle A-Seiten der Boards, aber Evakuierungsbedingungen und Charakter nach Wahl der Spieler. Ich wollte bewusst mal was anderes ausprobieren und habe die Seite gewählt, die 2 Anomalien (!) als Evakuierungsbedingung hatte und dazu den Anführer, der einmal pro Runde entweder 2 Wasser plus ein Paradox bekommt oder für 2 Wasser ein Paradox zurückgeben kann. Ich wollte nach dem Motto spielen: "schei* auf die Paradoxe und Anomalien, ich fummel am Zeitkontinuum rum, was das Zeug hält!" Zumal ein offen ausliegendes Labor die Strafpunkte für Anomalien von -3 auf -1 gesenkt hat.
Dieses Labor habe ich auch in Runde 1 gebaut, wobei das letztendlich verschwendet war, denn alle Anomalien konnte ich in Runde 6, der letzten, noch mangeln besserer Optionen beseitigen. In jeder (!) der ersten 5 Runden habe ich die maximale Anzahl von zwei Ressourcen-Krediten aus der Zukunft angefordert. Von den 10 Krediten konnte ich 8 dank viermaliger Nutzung der Doppel-Zeitmaschine zurückzahlen (-> 16 Punkte, dazu entsprechende Endwertungskarte für 3 weitere Punkte gewonnen). Bei den restlichen beiden, natürlich den besonders "teuren" (ein Neutronium, ein Exosuit), habe ich mich dank Anomalie mich um die Rückzahlung gedrückt. Als letzte Aktion in Runde 5 für 20 SP evakuiert (6 SP für Bedingung zwei Anomalien, je 2 für 7 Paare aus ungenutzem Warp-Plättchen und Uran) und in Runde 6 dann das ganze Uran verbraten: Tausch gegen Wasser (-> Endwertungskarte) und Auflösen der Anomalien.
Am Ende 75 Punkte (auch Moral hatte ich auf Maximum) und damit klar gewonnen. Die anderen hatten etwas über 60 und zweimal etwas in den 40ern (die Neulinge). Null Superprojekte und in den ersten 4 oder 5 Runden null mal geforscht. (Hey, ich war der Religions-Fuzzi! Wir forschen nicht, wir glauben!)
Weiterer Lerneffekt: Anachrony ist als 2er und 4er gleichermaßen empfehlenswert, das Spiel skaliert gut auf unterschiedliche Spielerzahlen, aber es spielt sich schon merklich unterschiedlich als 2er und 4er: größere Konkurrenz um Gebäude/Superprojekte, viel stärker wechselndes Angebot an Gebäuden, geringere Wahrscheinlichkeit, um Paradoxe würfeln zu müssen (und damit deutlich größerer Anreiz für viel Warperei im 4er), ganz andere Bedeutung der Spielerreihenfolge, etc. Schon ein deutlich verändertes Spielgefühl.
Tja. Vorläufiges Fazit... Hmmm... Ich weiß noch nicht, was ich von Anachrony final halten soll. Im Prinzip haben sich meine Erwartungen im Positiven wie auch im Negativen bestätigt. Das Thema ist interessant und unverbraucht, mit den Ressourcen-Krediten aus der Zukunft ist ein schöner und interessanter Mechanismus drin, aber ich werde in diesem Leben nicht mehr der allergrößte Freund von asymmetrischen Startbedingungen. Das kriegen nur die absoluten Könner unter den Spieleautoren/Redakteuren/Verlagen wirklich gut hin. Für mich macht Asymmetrie ein Spiel allzu oft strategisch uninteressant, eindimensional, langweilig. Bei Anachrony heißt das, dass die Evakuierungsbedingungen (in Kombination mit dem Charakterfähigkeiten und Endwertungskarten) einem doch relativ deutlich sagen, was man im Spiel zu tun hat. Bei den Einsatzboni für bestimmte Klassen ganz ähnlich. Es gibt bei Anachrony einige klar offensichtlich gute und haufenweise offensichtlich dumme Züge. Ich mags lieber, wenn die Auswahl gar nicht so unbedingt riesig ist, aber dafür alles ähnlich gut, mit Abwägungen, ob man kurz- oder langfristige Überlegungen höher priorisieren möchte. Davon hat Anachrony, auch aufgrund der Asymmetrien, relativ wenig zu bieten. Spieler A macht überwiegend dieses, Spieler B macht überwiegend jedes, man spielt trotz aller "worker placement"-typischen Konkurrenz um die einzelnen Aktionen auf einer größeren, strategischen Skala doch etwas aneinander vorbei.
Die Variabilität bei den Endwertungskarten, bei den Superprojekten und auch bei den aufgedeckten Gebäuden rettet das Spiel so ein bisschen. Das macht alle Spiele in ihrem Verlauf zumindest mal hinreichend unterschiedlich. Interessante taktische Abwägungen bringt das auch, das steht außer Frage, denn die einzelnden Karten und Plättchen sind schon deutlich unterschiedlich. Aber die strategische Eindimensionalität wird dadurch teilweise auch wieder gestärkt. Beispiel: Endwertungskarte "meiste Superprojekte" im Spiel? Dann wird der gelbe Spieler (Wissenschaftler) wahrscheinlich immer den Charakter wählen, der gegen Abgabe eines Wassers beide Forschungswürfel drehen kann. Seine Charakterwahl ist damit trivial, diese Endwertungskarte ihm quasi sicher, andere Spieler brauchen nicht mehr darauf hin zu spielen. Oder Entwertungskarte "am meisten Personal". Der grüne Spiele (Öko) wählt den Charakter, der am Rundenende in der Aufräumphase gegen zwei Wasser noch einen übrig gebliebenen Arbeiter einstellen kann und da gilt dann genau das gleiche - wie passend - in grün. Zumal die Erfolgsaussichten der jeweiligen, spätestens nach der Charakterwahl in Stein gemeißelten, Strategien dann teilweise noch deutlich vom Glück abhängen, etwa welche Superprojekte der darauf fokussierte Wissenschaftler dann im Angebot des jeweiligen Spiels findet. Alles Mist oder zum falschen Zeitpunkt im Spiel aufgedeckt? Tja, leider Pech gehabt. Hmm.
Mein Fazit nach zwei Spielen: ein definitiv originelles Spiel, absolut überproduziert mit tollen (aber eigentlich nicht notwendigen) Miniaturen, taktisch interessant (wenn auch mit zu vielen und in ihrer Wertigkeit zu unterschiedlichen Zugoptionen), aber strategisch mir persönlich schon ein Stück zu eindimensional. Ich weiß noch nicht, ob das Spiel bleiben darf oder wieder verkauft wird. Hängt sicher auch ein bisschen von den ganzen noch ungespielten Erweiterungsmodulen ab, die könnten es durchaus retten, indem sie neue strategische Pfade hinzufügen. Ich fürchte allerdings derzeit ein bisschen, dass man nach einigen Spielen bereits alles gesehen hat, was Anachrony zu bieten hat.