Beiträge von MetalPirate im Thema „Gescriptete Spielverläufe - Kavaliersdelikt oder Liebestöter?“

    Eine für mich interessante Frage: Wenn von 5 Meeplen die Optionen für den ersten bzw. die ersten beiden "klar" sind (zu sein scheinen), ist dann deswegen gleich das ganze Spiel geskriptet?

    Für mich: nein. Nur die Einsetzerei fühlt sich dann geskriptet an. Wobei ich für Russian Railroads nicht der Experte bin; ich mag das Spiel deutlich weniger als der durchschnittliche Spieler.


    Hat man ein Strategiespiel und man hat bemerkt dass es nichts bringt mitten im Spiel einfach mal die Strategie zu wechseln dann ist das Spiel zu sehr "gescripted". In Wirklichkeit belohnt das Spiel einfach nur ein planvolles Vorgehen.

    Sicher? Ist mir so noch nie begegnet. Wenn ich irgendwo ein "geskriptet" gelesen habe, dann bezog sich das immer auf die Zugebene, nie auf irgendwelche übergeordneten strategischen Sachen.


    Wenn solche "ziehe deine Strategie 100% stur durch"-Spiele manchmal als "geskriptet" bezeichnet werden (Musterbeispiel: Russian Railroads), dann eher wegen anderer Sachen, z.B. weil am Anfang der Worker Placement Runden immer die gleichen (weil klar besseren) Sachen zuerst weggehen.

    Man kann's anscheinend nicht oft genug betonen: solange es keine einheitliche Definition von "geskriptet" gibt, wird man auch bei einer Diskussion, ob ein Spiel XYZ geskriptet ist, garantiert nicht einig werden können...


    Im strengen Sinne heißt "geskriptet", dass beim Eintreten eines Ereignis X ein Ereignis Y ausgelöst wird. Im Videospielbereich weit verbreitet: Sobald der Spieler den drittletzten Raum des Dungeons erreicht hat, beginnt der Obermotz im letzten Raum, sich zu bewegen. Sowas halt. Im Videospielbereich auch nicht zuletzt durch Ressourcenknappheit begründet. Im Brettspielbereich gibt's das nur dort, wo eine gewisse Betonung auf "Geschichtenerzählen" liegt, also z.B. bei Legenden von Andor: Timer erreicht X => Ereignis Y. Sowas ist wohl bei jedem hier "geskriptet".


    Im Brettspielbereich findet man dagegen auch noch eine lockerere (andere?) Definition von "geskriptet", nämlich dort, wo eine vermeintliche Vielfalt von Entscheidungsoptionen sich gefühlt komplett auflöst, weil über mehrere Züge unterschiedlicher Spieler hinweg klar ist, was jeder jeweils tun sollte. Dann steht "geskriptet" für Runterspielen eines bekannten Kochrezeptes, wenn mein Vordermann Aktion X macht, mache ich ohne weiteres Nachdenken sofort Y, und die Diskussion geht dann in Richung "Existenz einer optimalen Zugfolge", "Berechenbarkeit einer solchen optimalen Zugfolge", "fehlende/geringe Zufallselemente", etc. Denn klar ist dann auch: Spiele, bei denen weder beim Spielaufbau noch während das Spiels Zufallelemente auftauchen, sind tendenziell anfälliger für solche optimalen, berechenbaren Zugfolgen. ("Tendenziell" deshalb, weil man auch mit Zufallsverteilungen rechnen kann.)


    Jetzt nochmal die von @Sternenfahrer oben völlig zurecht aufgeworfene zentrale Fragen, soll auch gar nicht vorwurfsvoll oder destruktiv klingen, sondern einfach nur das Terrain abstecken: Worüber wollen wir hier eigentlich diskutieren? Ob Spiele ohne nennenswerte Zufallselemente -- um mal den Threadstarter zu zitieren: --


    a) sehr schnell an Reiz verlieren und b) fehleranfällig sind / nicht mehr richtig funktionieren

    ? Dann bin ich geneigt zu antworten: "Nicht zwangsweise und nicht immer, aber eine leichte Tendenz zumindest zu Punkt a) gibt es schon, wenn man Spielreiz eben auch als Fähigkeiten zur Anpassung auf Unbekanntes definiert." Kann man so sehen, muss man aber nicht. Denn selbst wenn ein Spiel nur für 10-maliges Spielen "gut" wäre und dann langweilig würde, ist das sooo schlecht nicht, denn die meisten von uns dürften viele Spiele im Regal haben, die sie noch keine 10 mal gespielt haben.


    Weil ich an dieser Stelle aber keine Zitatfälschung betreiben will, möchte ich explizit darauf hinweisen, dass @Jimmy_Dean seine Eingangsfrage mit "geskriptet" eingeleitet hat, was, wie wir gesehen haben, mindestens mal missverständlich ist, und ich mir deshalb die Freiheit erlaubt habe, sein "gleichartige, ähnlich verlaufende Spielverläufe" im Sinne von "wenig Zufallselemente" umzuinterpretieren. Denn "wenig Zufallselemente" ist bei den anspruchsvollen Spielen, über die wir hier bei Unknowns.de diskutieren (also nicht sowas wie MÄDN, Monopoly, Legion of Honor & Co), eine in der Regel notwendige, wenn auch nicht unbedingt hinreichende, Voraussetzung für solche gleichartigen Spielverläufe.

    Ist Schach deshalb "gescriptet"?

    Solange wir nicht die gleiche Definition von "geskriptet" haben, ist die Frage so nicht weiterführend. Aber da zum wiederholten Male Schach auftaucht: ich finde dieses Spiel schrecklich öde und langweilig, weil es ohne jegliche Variation in der Anfangsaufstellung bloß stumpfes Auswendiglernen und nicht Adaption auf Unvorhergesehenes belohnt. Bzw. in dem Moment, wo das Spiel frei wird, schon der Auswendiglerner halb gewonnen hat. Bzgl. "geskriptet": ich würde es in Sachen Eröffnung und Endspiel durchaus so nennen, weil es eben bis zum Erbrechen mit Computerunterstützung komplett durchsimuliert wurde.

    Kommen bei #Orleans nach den Basisregeln denn immer alle Gebäude ins Spiel?

    Ja. Damit bekommt das Spiel auch einen gewissen "Sandbox"-Charakter, Motto: "Such dir die Strategie, die du heute mal spielen willst, relativ frei aus." Ein Erkennen, welche Strategie unter einer variablen Startauslage am besten passt, ist nicht mehr gefragt. Hausregeln, die die Ortsplättchen-Auswahl in rgendeiner Form begrenzen, sind deshalb bei Orleans nicht unüblich. Ich spiele Orleans auch nur mit so einer Hausregel. Das "mach was aus der unbekannten Situation!" definiert für mich ganz wesentlich den Reiz von Brettspielen.



    Geht es in diesem Thread also um Spiele, die keine Variation bei der Startaufstellung bieten? Oder um Spiele mit dominanten Strategien? Oder darum, dass Spiele mit variabler Startbedingung weniger anfällig für dominante Strategien seien [...]? Und was hat das alles mit "gescriptet" zu tun?

    Gute Fragen. Sehr gute Fragen...

    Wenn die Definition von "geskriptet" so schwierig ist, dann kann man das Thema eigentlich nur auf einer recht abstrakten Ebene diskutieren: Spieldesigns, die dem Spieler in einem recht engen Regelkorsett nur eher wenig Freiheiten lassen, dieses mit eigener Kreativität auszufüllen, gegenüber solchen Designs, die nur einen recht weit gefassten Rahmen setzen, in dem sich der/die Spieler recht frei austoben dürfen.Wobei meiner Meinung nach 80-90% aller Spieler weder in der einen noch in der anderen Richtung sonderlich auffallen, sondern sich irgendwo in einem normal-üblichen Mittelbereich aufhalten.


    Wenn man sich dann auf solche extremen Designs beschränkt, ganz egal ob in Richtung "enger Rahmen" oder "viel Freiheit", dann ist es meiner Meinung nach so wie mit jeglichem anderen extremen Design auch: es ist einfach nur schwieriger, sowas gut hinzukriegen.


    Es ist ja nicht ohne Grund ein gewisses Maß an Regelkorsett üblich. Mit einem normalen Maß an "an die Hand nehmen" hält sich der Spieleautor am einfachsten von der Gefahr weg, dass sich der Spieler auf der einen Seite zu sehr gespielt fühlt bzw. auf der anderen Seite dass das Spiel aufgrund zu vieler Freiheiten aus der Balance gerät. Extreme Designs kriegen nur die wahren Könner hin. Wenn sie das aber hinkriegen, dann sind das oft echte Perlen.