Beiträge von MetalPirate im Thema „Grand Austria Hotel“

    Ich bin einfach überrascht, dass Leute diesen Preis zahlen... Warum? Kann ich ein Brettspiel so sehr wollen, dass ich so viel Geld dafür ausgebe?

    Bei immer mehr Menschen ist noch Monat übrig, wenn das Geld schon zur Neige geht, aber auf der anderen Seite gibt es auch ein paar Prozent der Gesellschaft, die einfach nicht mehr wissen, wofür sie ihr ganzes Geld ausgeben sollen. First world problem.

    Bislang war meine Erfahrung eher: man zahlt weniger, wenn man die Geduld hat, bis zur Veröffentlichung im normalen Handel zu warten.

    Definitiv. Etwas sofort haben zu wollen kostet halt extra. Überall.

    Bisher gibt es auch kein Spiel, das mich interessieren würde, was nach dem Kickstarter nicht regulär erhältlich gewesen wäre.

    So absolut würde ich das trotzdem nicht behaupten wollen. In manchen Spielegenres mag das gelten, aber in anderen wird's schwieriger, etwa wenn man bei Miniaturenspielen die "Vollversion" (=Kickstarter) haben will und nicht die erkennbar abgespeckte (und dafür dann oft trotzdem ziemlich teure) Retail-Version.

    On topic: Bei mir ist GAH durchgefallen (trotz gewisser Erwartungen nach dem Regellesen vor dem Erscheinen in Essen). Als 4er: bloß nicht! Als 3er: geht so. Nur als 2er halbwegs gut. Ohne Corona und den damit verbundenen Rahmenbedingungen, dass man lange Zeit fast nur noch solo oder zu zweit mit dem Lebenspartner spielen konnte, würde das meiner Meinung nach heute längst nicht so abgefeiert.

    Heute direkt nochmal. Es reizt ja schon. Hinterläßt uns aber immer wieder eher enttäuscht ob des großen Gegensatzes zwischen "wir wollen gerne planen und eine Sache durchziehen" und "geht aber nicht wegen der hohen Zufallsfaktoren". Einfach frustrierend. Ich komme mit dem Spiel etwas besser zurecht, meine Mitspielerin ist nur am Fluchen. Thema ist nach 3 Versuchen für uns jetzt durch. Der Kandidat wird uns verlassen.

    Daumen hoch dafür, dass du versucht hast, das Spiel zu mögen, deshalb auch mehrere Spiele versucht hast, und dann trotzdem am Ende ehrlich dazu stehst, dass es nicht passt. Den Reiz an GAH verstehe ich auch gut; nach der Regellektüre wollte ich das Spiel eigentlich auch mögen. Im Endeffekt bestätigt du aber jetzt mein Startposting, denn das begann mit: "es ist Machi Koro in länger und unnötig verkomplizierter. Sehr glücksabhängige Würfelorgie ohne vernünftige Möglichkeit, allzu extreme Glücksschwankungen wirkungsvoll zu bekämpfen."

    Auch wenn das Spiel bei mir schon nach dem ersten Versuch komplett durchgefallen ist, bin ich trotzdem der Meinung, dass man aus dem grundsätzlichen Ansatz ein gutes Spiel hätte machen können. Variable Spielerreihenfolge, etwas Abpufferung des Würfelglücks, bisschen Streamlining in den Nicht-Kernelementen, und das Spiel hätte wahrscheinlich nicht nur für mich besser ins Beuteschema gepasst.

    Immer mehr Spiele langweilen mich auch dadurch, dass alles, was man im Spiel macht, allein durch Siegpunkte einen Wert bekommt. [...]

    So ein bisschen Engine Building findest du doch in jedem Spiel. Bei GAH die Personalkarten, bei Marco Polo die Kleinstadt-Boni. Wenn ich einen reisefreudigen Charakter habe, schaue ich z.B. als erstes, wo die Boni für regelmäßiges Kamel- und Geldeinkommen liegen. Beim MP-Aufbau geht mein erster Blick immer auf die Kleinstadt-Dauer-Boni, dann auf die zur Verfügung stehenden Charaktere, dann auf die Aktionskarten und Einmalboni in den Großstädten. Die in Runde 1 oder 2 erreichbaren Dauerboni halte ich für sehr wesentlich bei der strategischen Planung, was in der begrenzen Zeit von gerade mal fünf Runden mit meinem Charakter realisierbar ist. Das würde ich durchaus als Engine Building durchgehen lassen, auch wenn MP sich sicher nicht darüber definiert.

    BTW: Was hältst du als Engine Building Fan eigentlich von ZhanGuo? Das hat für mich ein sehr spannendes Gleichgewicht zwischen Karten in Auslage spielen, um spätere Aktionen stärker zu machen, und Karten auf des zentrale Spielfeld spielen, um eben diese verstärkten Aktionen zu nutzen.

    Und was dein Baby La Granja angeht: zu zweit mag ich's trotzdem nicht so sehr, weil mir da die Möglichkeit fehlt, über ein gezielte Investition in die Spielerreihenfolge mir Zugriff auf eine gute Würfelauswahl zu sichern. Selbst die volle Auswahl ist im 2er immer noch schlecht. Die Reihenfolge ist da längst nicht so wichtig wie im 4er. Damit geht meiner Meinung nach einiges verloren bei Spielen, in den die Reihenfolge so wichtig ist wie in La Granja beim Würfelnehmen. Back on topic: auch bei GAH ist die Reihenfolge enorm wichtig, viel wichtiger noch als bei La Granja, aber der Spieler hat überhaupt keinen Einfluss darauf (warum nicht?!) und muss stattdessen mit dem komischen unbalancierten vorwärts-rückwärts leben. Bäh.

    Ja, ja, wusste ich vorher, dass ich mir jetzt anhören muss, das Marco Polo super designed ist und Grand Hotel Austria eben nicht. Das kann ja auch so sein, das will ich gar nicht bestreiten.

    Ich hoffe, meine Äußerung kam jetzt nicht falsch bei dir an. Ich finde es auf jeden Fall gut, dass hier auch andere Meinungen zu GAH geschrieben werden; der Thread insgesamt gewinnt dadurch an Informationswert. Ich hatte vorhin schon bei @PE74 vergessen, auf das "Ob ich den [Test von GAH] jetzt noch brauche weiß ich nicht." zu antworten, dass jeder den Test ruhig machen soll. Mir hat's nicht gefallen, aber wenn's anderen gefällt, ist's doch super. Meine Meinung ist eine von vielen.

    Ich finde auch nicht, dass Marco Polo so grandios ist, aber da entscheide ich mich ja offensichtlich auch extrem von der breiten Masse. Es gibt auch hier eine Menge Würfelglück und Würfelpech und dafür dauert es mir dann zu lange.

    Es gibt clevere Mechanismen, um den Zufall zu begrenzen. Nach den ersten Berichten von dem angeblichen neuen Superhit war ich sehr skeptisch, weil sich das alles nach Bora Bora Würfeleinsetzen anhörte, aber nicht mit "niedrige Würfel sind auf andere Art auch gut", sondern tatsächlich nur nach "wer am höchsten würfelt, gewinnt". Weit gefehlt. Martin Klein (spielerleben.de) war dann der erste, der in seinem Review auf den wesentlichen Faktor hinwies, dass man Ausgleich für niedrige Würfelwerte bekommt, nämlich bei unter 15. Es sind nur 5 Würfel. Im Durchschnitt würfelt man 5*3,5 = 17,5. Unter 15 gibt's schon Ausgleich. Das ist eine sehr hohe Schwelle, die schon mal ziemlich viel an Würfelpech wegfängt.

    (Würfelglück in Marco Polo ist extrem niedrig zu würfeln. Kamele als Ausgleich nehmen, damit neu würfeln, gibt netto ein paar Kamele oder Geld Gewinn. Aber das ist ein anderes Thema und dieser Gewinn ist jetzt auch nicht extrem hoch.)

    Eine weitere clevere Design-Idee, um Zufallseffekte zu minimieren und um dem "ich will hoch würfeln" entgegen zu wirken, ist, dass man beim Einsetzen auf belegte Felder Zusatzkosten hat, und zwar unabhängig vom Blockierer, sondern nur abhängig von eigenen Würfel, den man einsetzen will. Würfelzahl = Zusatzkosten. Klingt ziemlich unscheinbar, ist aber ziemlich cleveres Design. Hoher Wert = hoher Nutzen, aber eben auch hohe potenzielle Zusatzkosten, die dem entgegen stehen. Das verleitet einen dann manchmal z.B., die hohen Zahlen gleich am Anfang der Runde zu nutzen, z.B. zum Reisen mit mühsam erspartem Geld, auch wenn man es eigentlich lieber später nutzen wollte. Marco Polo steckt voller richtig cleverer Designs (oft unscheinbar und versteckt), die das Spiel geschickt ausbalancieren, z.B. auch das "wer zuletzt reist, wird Startspieler". Grand Hotel Austria hat sowas leider überhaupt nicht...

    In dem Review-Thread meinte doch irgendjemand, er könne nicht verstehen, warum jemand einen "Verriss" schreiben wollte und unterstellte da ganz komische Sachen.... Eine mögliche Erklärung haben wir hier: man macht kurz vor Mitternacht eine unvorsichtige Bemerkung, dass einem das gerade auf dem Spieletreff gespielte Spiel nicht besonders gefallen hat, jemand fragt warum, man will kurz antworten und aus dem schnell heruntergetippten Mittagspausen-Geschreibsel wird auf einmal vom Mod ein eigener Thread kreiert... Schon ist ein "Verriss" da, der nie als solcher geplant war.... :D


    Okay, jetzt isses also ein eigener Review-Thread, also nochmal mit ein bisschen Abstand ein paar Ergänzungen, bisschen analytischer, weniger emotional. GAH funktioniert. Das ist's dann aber auch schon. Spaß macht's kaum. 85% der Mechanismen sind Standardware. Das ist an sich soweit nicht schlimm, wenn (a) diese Teile spannend zusammengebaut sind und (b) die restlichen 15% das Spiel wenigstens ein Stückchen aus der Masse herausheben. Siehe "Konzil der Vier", das schafft genau das recht gut.

    Ein solches solides Anknüpfen an Bewährtes plus gelunge eigene Nuancen schafft GAH leider beides nicht. Statt spanned fühlt es sich flach, dröge, eindimensional, unoriginell an. Ressourcen nehmen, Aufträge erfüllen, variable Ziele erreichen. Alles schon mal besser gesehen. Amis, die Euro-Spiele nicht so mögen, sagen gerne "cube pusher". Oh ja, genau das ist es, GAH ist eine mustergültige Inkarnation dieses Konzepts. Würfelchen von A nach B schieben und dabei direkt oder über Umwege Siegpunkte generieren. Wie im Eingangsposting beschrieben auch innerhalb eines Zuges sehr oft nehmen, nutzen und gleich wieder zurück in den Vorrat damit. Klötzchen ("Speisen"/"Getränke") aus dem persönlichen Lager ("Küche") den Auftragskarten ("Kaffeehaus-Gästen") zuordnen, kostet nämlich Geld. Direkte Versorgung kostet nichts. Also: nehmen, nutzen, direkt wieder zurücklegen (wenn Bedarf komplett erfüllt) als Ideal-Standard. Äh ja. Das schreit doch geradezu nach Streamlining und so bleibt eine relativ themenlose Würfelchen-Geschubse-Beschäftigungstherapie für Hardcore-Optimierfreaks.

    Bei den anderen anderen 15% Nicht-Standard-Ware kann bei GAH den Eindruck haben, dass dem Spiel noch etwas feilen gut getan hätte. Denn die sind auf den ersten Blick schon interessant. Leider nur auf den ersten Blick. Die Rede ist vom Würfel-Mechanismus. Der besagt im Prinzip: man würfelt eine Menge Würfel (bei drei Spielern: 12), sortiert sie nach Augenzahl, jeder Zahl ist einer Aktion zugeordnet. Soweit erinnert es erstmal an La Granja oder Yspahan oder ein paar andere Sachen mehr. Abwechselnd wählt man eine Aktion durch Wegnehmen eines Würfels (wie bei La Granja), aber jetzt das Besondere und zugleich das Grundproblem von GAH: wenn nur ein Würfel da liegt, macht man die Aktion einmal, liegen fünf Würfel da, gleich fünfmal. Die Stärke der Aktion ist krass unterschiedlich. Das Haupt-Designproblem bei einem solchen Ansatz ist jetzt, wie man das als Spieleautor in den Griff kriegen will.

    Besonders starke Aktionen werden natürlich am Anfang genommen, d.h. je später jemand dran kommt, umso schlechter (und dummerweise ist auch das Ausgangsniveau am Anfang immer unterschiedlich). Die Idee der Autoren war jetzt, bei fester Reihenfolge mit im Uhrzeigersinn wechselndem Startspieler einmal vorwärts im Uhrzeigersinn und einmal rückwärts gegen den Uhrzeigersinn zu spielen. Im 3er-Spiel: A-B-C-C-B-A. Die Summe der Positionen auf der Reihenfolge ist immer 7: 1+6 = 2+5 = 3+4. Das wäre ausgegleichen dann und nur dann, wenn die Güte der Auswahl linear abnehmen würde. Tut sie aber nicht. 1+6 ist im Schnitt besser als 3+4. Nur auf frühen Positionen kann man von extremen Würfelergebnissen profitieren (und das teilweise ganz extrem!), in der Mitte und gegen Ende ist alles irgendwie brauchbar.

    Ein anderes Spiel, bei dem ein ganz ähnlicher Paarbildungs-Ansatz wunderbar funktioniert, ist Mangrovia (tolles Spiel, leider ziemlich unterschätzt). Da sind die Aktionen in ihrer Summe sehr ausgeglichen und obendrein wird die Position in vorgegebener Reihenfolge gewählt. Ein solcher Mechanismus zur Wahl der Reihenfolge durch irgendeine Spielaktion, sei es "Startspieler sichern, dann im Uhrzeigersinn weiter" (Mangrovia, Lords of Waterdeep, diverse andere) oder "freie Verteilung aller Reihenfolgen-Plätze" (diverse Feld-Titel, La Granja) hätte GAH sicher auch sehr gut getan. In dem Moment wäre man schon wieder seines eigenen Glückes Schmied, anstatt völlig hilflos zusehen zu müssen, wie bei schlechten Würfelergebnissen alles den Bach runter geht, gerade wenn man auf der mittleren Position sitzt. Lasst die Spieler mit spielerischen Mitteln um die beste Position in der Reihenfolge kämpfen und vieles löst sich von alleine...

    Außerdem müssten ein paar Abpufferungen für ungünstige Würfelergebnisse her (nicht nur neu würfeln!) und dazu unterschiedliche Wege, um an benötigte Ressourcen zu kommen. Wie oft habe ich schon über die obskure mallorquinische Dachziegel-Magie in La Granja gelästert, Ressourcen herbeizaubern durch Umdrehen von irgendwie magischen Dachziegelmarkern, wow! Thematisch völliger Schwachsinn, aber spielmechanisch wichtig, weil durch gezielte Aktion erwerbbarer Puffer für schlechte (Würfel-)Zeiten. Ebenso die Waren mit vielen Tauschmöglichenkeiten oder noch einiges mehr in La Granja, was genau das Problem löst, das GAH massiv hat.

    Insgesamt habe ich den Eindruck, dass Grand Austria Hotel nicht ausreichend zu Ende entwickelt wurde. Es fehlt ein bisschen Streamlining in den Standardsachen, die müssten deutlich knackiger rüberkommen, und es fehlt ganz deutlich das Feilen an den eigenen Besonderheiten. Darin ist GAH leider ziemlich ernüchternd. Letztendlich haben die Autoren auf das zentrale Design-Problem der krass unterschiedlich starken Aktionen im Laufe einer Runde mit dem A-B-C-C-B-A Spielreihenfolge-Ansatz bei im Uhrzeigersinn wechselndem Startspieler nur eine ziemlich unbefriedigende Lösung gefunden. Liefert nicht, zuviel Downtime, unintuitiv obendrein.

    Wer sich selbst schwierige Designfragen stellt, der entscheidet mit der Antwort auf diese Fragen ganz wesentlich über die Qualität des Spiels. Auf den Spuren von Marco Polo zeigt, was aus einem 0/8/15-Standard-Euro-Spiel herauszuholen ist, wenn man eine wahnwitzig krasse Asymmetrie als Designproblem hinzufügt und dieses (Balancing-)Problem überragend gut löst. GAH zeigt dagegen nur, wie man das Designproblem eine Abfolge von Zugoptionen mit (in etwa) exponentiell fallender Güte auf keinen Fall in ein Spiel gießen sollte. Die etwas schale Erkenntnis: so wie bei GAH sollte man's jedenfalls nicht machen. Und GAH braucht man deshalb meiner Meinung nach auch wirklich nicht kaufen. Verzichtbar.


    werde ich dann Grand Austria nicht mit allerhöchster Priorität weiter verfolgen. Vllt. werfe ich noch einmal einen Blick darauf, wenn ich Lust auf ein neues, großes Spiel mit Würfeln habe.

    Da gibt's besseres. Wenn du Marco Polo schon hast, dann wirf den Blick lieber auf andere Würfelspiele von Yspahan bis Bora Bora. (Bei letzterem: Achtung, anspruchsvolle Lernkurve, aber dann eines der genialsten Spiele der letzten Jahre.)


    Hatte das Spiel auch auf dem Radar, aber nach den letzten Lookout Spielen, nur mit vorherigem Test. Ob ich den jetzt noch brauche weiß ich nicht.

    Ja, in manchen Punkten erinnert es mich auch ein bisschen an Murano von letztem Jahr. Ähnliche Problematik. Das, was das Spiel aus der Masse herausheben könnte (hier: der Würfelmechanismus, dort: das "gondola movement" statt "worker placement", ist auf den ersten Blick deutlich interessanter als es sich beim Spielen nachher zeigt. Sollte es etwa zu schnell vor der Messe in Essen noch veröffentlicht worden sein? Was "große" Spiele angeht, ist Lookout seit der Übernahme durch Mayfair irgendwie auf dem absteigenden Ast...

    Kannst du das an einer anderen, passenden Stelle noch einmal ausführlicher beschreiben / begründen? Ich habe das Spiel auch noch auf dem Schirm, da ich in Essen nicht zum Anspielen, sondern nur zum kurz zugucken gekommen bin.

    Uff, ich komme schon kaum hinterher, zu den Kartenboxen und Beuteln alles zu schreiben, was ich zu sagen hätte... :)


    Wenn ich Zeit habe, gerne auch mal länger (wenn jemand so Interesse bekundet, motiviert das auch eher dazu), aber erstmal nur soviel: es ist Machi Koro in länger und unnötig verkomplizierter. Sehr glücksabhängige Würfelorgie ohne vernünftige Möglichkeit, allzu extreme Glücksschwankungen wirkungsvoll zu bekämpfen. An manchen Punkten bekommt man Bestrafungen vom Spiel und kann absolut NICHTS dagegen machen, weil man in der (festen!) Spielerreihenfolge falsch sitzt und bis man dran kommt, die entsprechenden Würfel schon weg sind. Der Reihenfolge-Mechanismus 1-2-3-3-2-1 für einen Durchgang ist unintuitiv und bringt für den Startspieler entsetzlich viel Downtime. (Der Besitzer des Spiels weigerte sich strikt, es mit mehr als drei Spielern zu spielen). Diese komische Reihenfolge-Regel leistet es auch nicht, den beabsichtigsten Ausgleich an Würfelauswahl-Optionen zu bringen. Wer Startspieler ist, sollte möglichst ungleich würfeln, z.B. 4-5 mal den gleichen Würfelwert, das bringt deutliche Vorteile, rund doppelter Ertrag einer normalen Aktion. Würfelt man als Startspieler dagegen jede Zahl zweimal: Pech gehabt, man ist kaum besser dran als jemand, der in der Mitte des Durchgangs zieht.

    Das Ressourcen-Management hat mir auch nicht gefallen. Geld (wichtig! nie auf 0 gehen lassen!) gibt's keines als Pappmarker, das markiert man auf einer Leiste. Was für mich schon ein klitzekleiner Minuspunkt bei "großen" Brettspielen ist, denn das haptische Erlebnis von Brettspielen liegt eben auch darin, Sachen zu nehmen, zu sparen, dann gemeinsam für irgendwas auszugeben und sich über die Investion zu freuen. Markierstein über Leiste schubsen ist nicht das Gleiche. Was es dagegen gibt, sind viele der Standard-Holzwürfelchen. Die stehen nicht für Holz, Stein, Ziegel, etc, sondern für Torte, Strudel, Wein und Kaffee. Spielerisch sind aber trotzdem 90% der Ressourcen-Bau-Spiele spannender. Bei Grand Austria Hotel sieht ein typischer Zug so aus: 3 rote und 1 schwarzes Holzwürfelchen aus den Vorrat nehmen, drei dieser vier Würfel auf Kundenkarte legen, Kundenkarte abräumen, passendes farbiges Plättchen in Hotel-Auslage drehen, Würfelchen postwendend wieder dahin zurücklegen, wo man sie 20 Sekunden vorher genommen hatte, Siegpunktscheibe X Felder voranziehen. Langweilig-dröges Holzklötzchen-in-Siegpunkte-verwandeln-Optierspiel ohne große Spannungsmomente, dafür mit Symbolüberfrachtung und einem Übermaß an umständlichem Klötzchen-Geschubse. Bäh, war das Spiel schlecht. Brauche ich nicht nochmal.

    Bei den Lesern meiner Essen-Geeklist möchte ich mich entschuldigen, dass ich das (nach unterdurchschnittlichem Ersteindruck) dann doch auf sehr interessant hochgestuft hatte. Das ist die einzige Gurke, die mir in meine Empfehlungsliste gerutscht ist. Da habe ich mich von der sehr gelungenen Grafik von Klemens Franz etwas blenden lassen, die ist das einzige, was ich immer noch für gut an dem Spiel halte. Der Rest: dröge, langweilig, komplett verzichtbar.


    (Disclaimer: ich scheine auch nicht unbedingt ein großer Würfel-Fan zu sein. Machi Koro finde ich furchtbar, La Granja nur leicht überdurchschnittlich. Auf der anderen Seite finde ich Marco Polo wie auch Bora Bora toll und Roll for the Galaxy hat auch einen guten Ersteindruck hinterlassen. Vielleicht sind's auch einfach solche Glück-Begrenzungsmechanismen wie "hohe Würfel und niedrige Würfel sind beide gut, nur auf völlig andere Weise" (BB) oder "Würfelsumme unter 15 gibt Geld oder Kamele als Ausgleich" (MP) oder "wähle die aktivierte Phase mit einem völlig beliebigen Würfel, er muss nicht passen" (RftG), die dann für mich zwingend da sein müssen. Bei La Granja mit 3 oder besser 4 Spielern darf man sich über zu wenig Würfelauswahl nicht beschweren, weil man die Spielerreihenfolge ja schließlich selbst in der Hand hat (zu zweit mag ich dagegen LG nicht). Und bevor jemand fragt: ja, ich weiß, dass GAH die Option bietet, auf seinen Zug zu verzichten und nachher alle Würfel minus einen neu zu würfeln, um dann verzögert zu ziehen.)

    (Disclaimer2: Ja, es war nur ein Ersteindruck, aber ein durchaus informierter, weil ich die Regeln vorher schon im Rahmen der Essen-Vorbereitung alle kannte. Das ist kein Review, sondern die rein subjektive Aussage, dass ich Grand Austria Hotel nicht nochmal spielen möchte, weil schon lange kein größeres Spiel beim ersten Spiel mir so wenig gefallen hat wie dieses fruchtbar dröge Ding.)


    Ups, jetzt ist's doch mehr geworden als geplant... :)