Beiträge von Ernst Juergen Ridder im Thema „Viticulture: Essential Edition preorder + deutsche Ausgabe Anfang 2016“

    Ernst Juergen Ridder Dein Auftritt!

    Viticulture Compl.Coll.Ed. ist ja nun schon seit langem mein Dauer-TOP1-Spiel. Zur Reaktion letztlich wirklich herausgefordert hat mich das Statement von PeeWee , der Viticulture verkauft hat, weil er Anachrony interessanter findet, wobei ich da jetzt die Infinity Box im Kopf habe.


    Der Vergleich der beiden ist für mich sozusagen ein wenig gemein, weil Anachrony das für mich weitaus spannendere Thema hat und selbst einfach ein supergutes Spiel ist, aus meiner Sicht jedenfalls.


    Warum bloß schätze ich Viticulture so sehr? Vielleicht ist das letztlich nur so etwas wie eine Art "nostalgische Schwärmerei". Viticulture ist nicht besser als Anachrony, es ist einfach anders.


    Viticulture gefällt mir solo eher nicht. Warum? Es geht auf Punkte in vorgegebenem Zeitrahmen. Das Mehrspielerspiel geht auch auf Punkte, aber ohne festen Zeitrahmen; der Zeitfaktor ist sozusagen die Frage, wie hektisch die Mitspieler das Spielende herbeizuführen bestrebt sind, weil das Spielende daran geknüpft ist, dass einer eine Zielpunktzahl erreicht hat.

    Viticulture ist für mich ausreichend thematisch. Man pflanzt Reben an, kann Weinlesen abhalten, Wein herstellen und verkaufen. Das ist nicht in allen Punkten in der Ausführung korrekt, aber es ist ja auch keine Simulation. Kleine Brüche darf es haben, solange sie nicht unerträglich sind (wie etwa in Helios und Macao). Planbarkeit ist eingeschränkt, es sind halt Karten im Spiel, die verdeckt gezogen werden. Das lässt sich aber durch Erhöhung des Kartenumsatzes beeinflussen, in Tuscany noch mehr als im Grundspiel.

    Ja, man kann mehr oder weniger gut aussehen, je nach Karten. Mitspieler können, wie in vielen Workerplacement-Spielen, Aktionsplätze blockieren (oder auch nicht, es gibt ja teilweise Abhilfe).

    Aus meiner Sicht ist Viticulture dann am besten, wenn man es mit Tuscany kombiniert und, gegenüber den Essential Editions, noch einen draufsetzt, also die Käse- (Formaggio) oder die Safterweiterung (Arboriculture) hinzunimmt. Das macht das Spiel epischer. Wirklich wichtig ist "Thinking on the Fly", wie der Autor das nennt. Also nicht eine Wahnsinnsstrategie entwickeln und sich ärgern, weil Karten oder Mitspieler im Weg sind, sondern, das Ziel nicht aus dem Auge lassend, das machen, was in der konkreten Situation sinnvoll ist. Kann ich gerade keinen Wein herstellen, kann ich sicher etwas Anderes machen, das aufs Ende gesehen nicht schlechter ist.

    Auch kleine Erweiterungen wie die Besucher aus dem Rheingau können dem Spiel etwas geben. Die Rheingauer, die das Spiel thematischer ausrichten und den Fokus weglenken von den schnellen Punkten, taugen aber gerade deshalb nicht für das Solospiel, weil man im Solospiel halt die Zeit im Nacken hat.


    Ich mag Anachrony nicht damit vergleichen. Viticulture ist mein Wohlfühlspiel, es sei denn, ich spiele es solo. Anachrony hat das für mich spannendere Thema, wobei wir das allerdings gnadenlos hausregeln: Wer keine Zeitreisen unternimmt, kommt nicht in die Wertung. Hier geht thematischer Anspruch an das Spiel ganz klar vor Mechanismus.


    Großartig analysieren möchte ich im Grunde kein Spiel. Wichtiger als Analyse ist, welches Spielgefühl ein Spiel mir vermittelt. Das ist keine Frage der Analyse, sondern der Emotion. Das Spielgefühl ist bei Viticulture (nicht im Solospiel) einfach "sanft", angenehm. Anachrony ist so nicht, es ist packender, was ja nichts Schlechtes ist.