Dann will ich mal meinen Besinnungsaufsatz zu Willingen 2015 loswerden:
Am Montag früh erfolgte die Anreise mit der Hoffnung noch am gleichen Tage ein MegaCivilization mit 5 Personen beginnen zu können. Dank des Tipps von @Klaus_Knechtskern hatte ich auch Willingen im Navi eingegeben und kam nach knapp 2 Stunden ohne einen einzigen Autobahnkilometer in der sauerländischen Halli-Galli-Hochburg an. Halli-Galli war aber schnell passiert und an der Schattenberg-Schanze vorbei ging es zum Ramada-Hotel in Usseln. Das erhoffte MegaCiv kamm dann leider nicht zustande, da @Attila nur zu einem Junior Civilization bereit gewesen wäre.
Das Tränchen war aber leicht wegzudrücken, denn ich konnte gleich in eine Partie Glenn Drover's Empires: Age of Discovery in der neuen Deluxe Edition einsteigen. Aufgrund der Gebäude in der ersten Runde bin ich diesmal mal den Weg über viele Warenplättchen gegangen und der ging letztendlich nicht so richtig auf. Gefallen hat es wie immer gut, der Workerplacement/Mehrheiten/4x Mix gehört zu meinen All-Time-Favorites. Das Deluxe machte übrigens in unserer Partie keinen Unterschied aus - wir spielten das alte Spiel mit neu gestaltetem Brett.
Danach dann zu viert die Neuheit The Gallerist. Nach der Erklärung hatte ich noch immer viele Fragezeichen im Gesicht, was nicht an der Art der Erklärung sonden an der Eigenwilligkeit des Spieles lag. Das Grundprinzip "kaufe etwas, steigere seinen Wert und verkaufe es dann" wird bei diesem Spiel über viele Holzklötzchen, bunte Eintrittsbillets und sehr schöne Kunstwerk-Counter umgesetzt. Wichtig ist, wen man so in seine Gallerie lockt: Promis bringen Prestige, Mäzene Geld und Sammler von jedem etwas. Spontan ging ich davon aus, dass man über viel Prestige auch zu viel Geld kommen könnte und ging dann Anfangs auf mehr Prestige. Was auch stimmte, allerdings machten die Mitspieler aus weniger Prestige mehr Geld und konnten dann auch meist mehr Kunstwerke halten. Fazit: schön ausgestattetes Wirtschaftsspiel mit gut verzahnten Mechanismen, das Thema kam allerdings bei mir nur zum Teil rüber. Man dreht an vielen Stellschrauben, die Elemente sind gut zusammengefügt aber insgesamt war es für mich eher abstrakte Arbeit denn thematisches Spielen.
Am nächsten Tag konnte ich mich dann einer geplanten Runde CivProject anschließen. 11 Personen kamen zusammen und wir begutachteten zunächst das Mega-Civilization. Spontan wurde entschieden den Spielplan, die Spielsteine und die Handels- und Katastrophenkarten aus dem Mega-Civilization zu nehmen. Die Zivilisationskarten nahmen wir aus dem CivProject, da wir zum einen einen Fehler auf einer der Karten des Mega-Civilization fanden, die Karten des Mega-Civilization sehr groß sind und da es zu den Karten des CivProjekt ein Excel-Sheet gab, dass nach dem Kauf von Karten die Rabatte automatisch aus dem Kaufpreis der restlichen Karten herausrechneten. Die Katastrophen der MegaCiv-Karten haben wir nach den Vorgaben des CivProjekt abgewickelt, auch hier gibt es bei MegaCiv Änderungen. Und den AST haben wir vom MegaCiv genommen, und zwar die Expertenversion. Durch die Spielerzahl ergab sich das Ost-Szenario mit 11 Personen und dem Kartensatz Ost. Von der Karte lagen die 3 rechten Teile aus, die linke davon war aber bis auf einen schmalen Streifen im Osten abgedeckt. Der Osten war für mich Neuland, bei der Verteilung der Nationen war ich leidenschaftslos und so erhielt ich das Volk der Maurya zugeteilt. Vor diesem Spiel wusste ich nichts von deren Existenz: Spielen bildet eben! Meine Nachbarn waren die Kushan, die Indus und die Dravidia. Am Anfang breitete ich mich rasch im nördlichen Teil von Indien aus und gründete in der Steinzeit die ersten 3 Städte. In der frühen Bronzezeit begann ich zu handeln und baute rasch auf 6 Städte aus. Mehr ging erstmal nicht. Der Handel mit Lack erreichte bei mir eine frühe Blüte uns so konnte ich Astronomie und Wollverarbeitung entwickeln. Damit brachten mich meine Schiffe bis zur menschenleeren Insel Socotra im Golf von Aden und ich konnte diese für einige Zeit besiedeln. Danach lief der Handel ordentlich aber wir wurden von einigen Katastrophen heimgesucht: insbesondere die Sklavenrevolten bereiteten mir ständige Pein. Und häufig kam eine zweite hinzu. So hatte ich immer ordentlich zu tun, meine Städte nach den Katastrophen wieder aufzubauen und weiterzuhandeln. Manchmal benötigte mein Volk zwei Runden zur Erholung, und so lagen wir auf dem Ast meist im Mittelfeld der Tabelle. Probleme bereiteten dabei meist die Städte. Nach 14 Stunden - unterbrochen nur von einer 3/4 Stunde Abendessenpause - begannen wir dann die letzte Spielrunde, vorgegeben durch das Zeitlimit. Länger hätte es aber auch ohne Limits nicht gedauert, denn der Führende hatte nach dieser Runde die späte Eisenzeit erreicht und das ist in Civilization das definitive Ende. Meine Maurya standen gerade vor dem Schritt in die frühe Eisenzeit, waren also 2 Fortschritte zurück. Für die frühe Eisenzeit fehlten mir einige Zivilisationskarten, der Handel der Maurya war durch einige Katastrophen etwas ins Stocken geraten. Die übereinstimmende Meinung aller Mitspieler: Der Osten der Karten hat das Problem, dass gerade die indischen Nationen sehr wenig mit anderen Ländern interagieren. Mit 11 Spielern kommt man da allerdings schwer herum, da bietet Mega-Civ nur dieses eine Szenario. Und mein Fazit: wie jedes bisherige Civilization in meinem Leben war auch dieses wieder eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Für mich ein perfekter Tag in einem Spielerleben - danke auch an alle Mitspieler!
Ziel für den Mittwoch war eine Partie Britannia. Da das am frühen morgen nicht klappte, gab es zunächst eine Partie Ora et Labora zu zweit. Zu meiner großen Schande gestehe ich hiermit dass ich es noch nie gespielt hatte. Und meine Auffassung, dass dies ein Fehler war, wurde gestärkt. Ein sehr schöner Rosenberg, es reiht sich würdig ein in die Liste seiner Besten. Für mich sind sie alle verschieden genug, sie tragen nur die Handschrift. Was aber nicht bedeutet, dass man alle kennt wenn man nur eines kennt. Ganz im Gegenteil: jedes mir bekannte Rosenberg-Spiel hat neben der uverkennbaren Handschrift des Autors seinen ganz eigenen Charakter.
Danach kam dann endlich eine Partie Britannia zusammen. Gespielt wurde die Ausgabe von Welt der Spiele. Bei dieser Partie gab es gute Römer, lang ausharrende Briganten, robuste Pikten, schwache Schotten, erst gegen Ende abbauende Kaledonier, passable Angeln, recht schwache Sachsen, gut laufende Waliser, starke Iren und sehr gute Normannen. Am Ende lagen blau, lila und shwarz nur 3 Punkte auseinander. Britannia ist jedesmal ein anderes Erlebnis und immer wieder schön.
Danach noch eine Partie Ships zu zweit. Das schöne an Spieletreffs ist, dass man auch mal auf Spieler aus anderen Spielerunden trifft und dann einmal merkt wie unterschiedlich Regeln doch im Detail ausgelegt werden können. So mussten wir doch einige male zur Regel greifen und fanden heraus, dass sich bei jedem ein paar kleine Fehlerchen eingeschlichen haben. Mein Urteil über Ships hat sich nicht gändert. Es funktioniert zu zweit hervorragend, seine volle Stärke entfaltet sich aber gewiss mit 4 Mitspielern.
Am Donnerstag dann zunächst eine Partie Haspelknecht zu dritt, einer der beiden Mitspieler war @fleXfuX. Für mich das thematischste aller Kohle-Spiele. Obwohl es vom Grunde her ein typisches EuroGame ist, ist hier das Thema hervorragend eingebettet. Alles passt herein. Die Illustrationen passen, die jeweiligen Vorteile ergeben auch thematisch einen Sinn und ich finde zudem alle Mechanismen auf der Karte in Symbolen erklärt. Was mich allerdings nicht davon abhielt, die Ikonographie der Spielerreihenfolge zu übersehen .
Danach dann eine Partie Goldene Zeitalter in der Schwerkraft-Ausgabe ohne Erweiterung, aber mit dem Wunder-Pack zu viert. Zu den vieren gehörte auch @domi123. Das Ärgerliche an der neuen Ausgabe: die Wunder-Karten sind jetzt größer geworden. Leider aber blieben die Ikonografien für die Ländervorteile so klein wie sie waren. Nun kann ich die Ikonografien immer noch kaum erkennen, muss aber die großen Karten in der Auslage unterbringen. Irgenwie ein Missverständnis. Golden Ages bleibt ein sehr schönes Spiel und es ist das von mir im Jahr 2015 wohl meistgespielte. Die Wunder-Karten bringen etwas Variation, aber es gibt eigentlich keinen Grund ihnen nachzurennen. Die diesmal nicht gespielte Erweiterung Kulte & Kulturen lohnt da mehr.
Danach endlich meine erste Partie Panamax zu dritt. @domi123 hatte empfohlen, nach Möglichkeit zu viert zu spielen, aber es gelang uns nicht jemanden von seinem Spieltisch wegzerren und so sind wir es zu dritt angegangen. Und was soll ich sagen: das Spiel ist wie von mir erhofft genial! Ein knallhartes Wirtschaftsspiel. 2 Runden lief es gut bei mir und ich konnte mir am Ende der Runde sogar das braune Sonderplättchen sichern. Aber in der 3. Runde hatte ich auf einmal das Lager so voll, dass dies meine Firma in den Ruin getrieben hätte. Ich konnte zwar noch alles ordendlich Verladen und die Lagerkosten minimieren, aber leider konnte ich keine Waren mehr ins Spiel bringen. Als dritter Spieler der Eisenbahn hatte ich die dritte Wahl bei den Zusatzchips und da waren die beiden benötigten für eine weitere Fahraktion bereits bei meinen Mitspielern. und dann fehlte genau ein Cent zur Auszahlung der Dividende. Grandios gescheitert in einem exzellenten Spiel! Und die Empfehlung von @domi123 kann ich gut nachvollziehen: mit 4 Spielern kann das Schiffeschubsen in den Bewegungsaktionen nur noch besser werden.
Am nächsten Tag dann eine Partie Maharadja zu viert. Maharadja ist nichts anderes als das Spielprinzip von Britannia auf Indien übertragen. Statt wie in Britannia 1000 Jahre werden hier allerdings 3500 Jahre Landesgeschichte abgedeckt. Und gleich am Anfang traf ich alte Bekannte wieder: das Volk der Maurya kam - gleichsam der Römer in Britannia - in einer großen Invasion über das Land und vertrieb alles was am Anfang auf dem Brette stand in den Süden. Schnell hatten sie sich ausgebreitet und ihr Anführer wurde zum Maharajadhiraja, aso eine Art Super-Maharadja im Wert von 3 Siegpunkten. Diese Anführer-Regelung ist in Maharadja einfacher und eleganter geregelt als die Wahl zum Bretwalda bzw. König in Britannia - die Aussprache der jeweiligen Titel mal ausgenommen. Kastelle gibt es auch nicht, dafür kommen am Ende Kolonialmächte ins Spiel und bauen Fabriken auf. Bei wohlgesonnenen indischen Völkern bauen sie weitere Fabriken und geben ihnen Waffen womit diese die anderen indischen Völker bekämpfen können die gegebenenfalls aber auch von den Waffen anderer Imperialisten profitieren. Da alle 4 Spieler am Ende eine Kolonialmacht ins Spiel bringen kommt damit noch einmal etwas Würze in den Abgang. Am Ende hatte hellblau mit weitem Vorsprung vor hellgrün, rosa und gelb gewonnen und keiner wusste warum. Blau hatte gewiss gut gespielt und hätte damit bei Britannia einen Vorsprung von 5 bis 10 Punkten gahabt. Gelb hatte am Ende kaum noch etwas zu tun (die Maurya waren längst Geschichte). Von daher blieb das Fazit: klasse System, nette Variante mit den Imperialisten aber offensichtlich total schlecht balanziert. Schade eigentlich, ich hätte dem Spiel die Güte von Britannia gewünscht. Trotzdem bin ich froh, endlich einmal Mitspieler für diese Britannia-Variante gefunden und es gespielt zu haben. Gewisse Dinge sollte man einfach einmal getan haben.
Danach hatte ich genug von Spielen (Zitat meiner Frau: "dass ich das noch erleben darf"). Heute morgen war Abfahrt angesagt und ich fühlte mich ein wenig an das MegaCiv erinnert: Fahrstuhl kaputt und die steile Auffahrt vom hinteren Parkplatt komplett vereist. Am Donnerstag vor Willingen noch die Winterreifen aufzuziehen war also doch eine weise Entscheidung. Katastrophe gemeistert.
Noch ein Wort zum Ambiente: Das Hotel strahlt den Charme der 80er aus, die Teppiche könnten Originale aus der Epoche sein. Das Frühstück fand ich sehr gut, das Abendessen gut. Die Vorraussetzungen zum Spielen sind hervorragend. Man findet Mitspieler für Perlen wie Civilization, History of the World und Britannia und Exoten wie Maharadja. Auch 18xx wurde an vielen Tischen gespielt, an diesen waren auch Gäste willkummen und es lag nur an mir, dass ich das nicht wahrgenommen habe. Es gibt auch genügend Interessenten für komplexere Spiele. Aufgefallen ist mir das selten mal ein Spiel über nacht stehenbleibt. Dazu holen die meisten ihre Spiele vor dem Spielen aus dem Hotelzimmer oder Auto. Die Ereignisse des Vorjahres haben das wohl mitgeprägt. Mein Rücken sagt die Betten sind erholsam, nach einem Tag auf den Stühlen im Spielesaal war diese Erholung auch stets notwendig. Das Bad mit Badewanne und minimalem Spritzschutz war nach dem morgendlichen Duschen stets regelrecht überschwemmt - aber mit Überschwemmungen kann ein Civi-Spieler ja umgehen.
Nächstes Jahr gerne wieder, dann gerne wieder ein Civilization, hoffentlich ein 18OE mit @fleXfuX, hoffentlich dann auch Partien mit @Attila, @Torlok und @ode., hoffentlich auch wieder ein Britannia und hoffentlich auch viele andere Spiele mit netten und freundlichen Mitspielern.
Edit: Rechtschreibfehler behoben, Stil geglättet, Bad kritisiert.