Erstmal vorweg meine Meinung in Kurzform: Das Spiel ist gut. Der Kernmechanismus ist genial. Aber es braucht einige Durchläufe, um das Spiel zu verstehen. Das Hereinkommen ist Arbeit, das Spiel selbst nicht.
Kernmechanismus ist Würfel-Einsetzen als Erweiterung des klassischen Arbeiter-Einsetzens. Würfel haben ja bekanntlich ein großes Problem: wenn's auf hohe Zahlen (oder Einser oder Pasche oder was auch immer) ankommt, gewinnt Glück ganz schnell die Überhand über Strategie. Im Falle von Bora Bora sind hohe und niedrige Zahlen gleichermaßen gut, aber auf völlig andere Art. Hohe Zahlen geben starke Aktionen, niedrige Zahlen blockieren Aktionen besser. Das funktioniert auf eine ebenso einfache wie geniale Art: im Gegensatz zum klassischen worker placement gilt nicht "besetzte Felder sind für andere geblockt", sondern "niedrigere Zahlen gehen immer, gleich oder höher nicht". Hohe Zahl gleich starke Aktion und man hat das oben beschriebene Muster, dass hohe und niedrige Zahlen auf andere Art gut sind. Das ist genial gelöst. Und gleichzeitig wird damit auch schon klar, dass man bei Bora Bora nicht einmal am Anfang seine Strategie sich überlegt und diese durchzieht. Bei Bora Bora wird Würfelglück in Entscheidungsraum-Vielfalt übersetzt.
Zu den genannten Kritikpunkten von @Sankt Peter:
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Das Spiel zu erklären dauert mindestens 45 Minuten. Da schalten die meisten bereits ab
Nehmen wir die 45 min nicht absolut, sondern als "wesentlich länger als bei vergleichbaren Spielen", dann klares JA. Zusätzlich kommt noch hinzu, dass man beim ersten Spiel garantiert überwiegend Blödsinn zusammenspielen wird.
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Vollkommen beliebiges Thema. Es kommt kein Flair auf.
Das würde ich nicht so sehen. Innerhalb der Vergleichsgruppe Eurospiele würde ich es sogar als (leicht) überdurchschnittlich thematisch sehen.
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lange Spielzeit (rd. 3 Stunden). Spiel fühlt sich wie Arbeit an.
Auch hier: nein. Das Hereinkommen IST Arbeit. Das Spiel nicht. Woher die Einschätzung kommt, kann ich aber schon verstehen: Mechanismen-Monster mit steiler Lernkurve, taktiklastig und daher AP-anfällig bei bestimmten Mitspielern.
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Das ist Unsinn. Weiß man spätestens dann, wenn der liebe Mitspieler mit einer "1" eine schwache Popel-Aktion auf einem Aktionsfeld macht, das man selbst mit seiner "5" nutzen wollte, um eine besonders starke Aktion zu machen -- was dann aber wegen der "1" nicht mehr geht. Da kommt Freude auf! BTW: Für Rahdo liegt Bora Bora genau auf der Grenze, die er in Sachen gegeneinander spielen gerade noch akzeptabel findet.
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es gibt für alles Siegpunkte, so dass es scheint, als würde es egal sein was man macht
nicht weiters erwähnenswert weil genre-typisch
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die Spielertableaus sehen schrecklich aus
Auf den ersten Blick völlig überladen, aber mit etwas Erfahrung super, denn da stehen wirklich fast alle Regeln in symbolischer Form drauf. Ähnlich wie bei "What's Your Game?" Spielen. In Anbetracht des schweren Einstiegs in das Spiel ein fast schon notwendiges Opfer. Denn sonst hätte man jedes Mal, wenn man das Spiel nach einem Monat des Nicht-Spielens aus dem Schrank holt, erstmal eine Stunde Einarbeitungszeit. Die symbolische Regelzusammenfassung auf den Spielertableaus (und in geringerem Maße auf dem Hauptspielbrett) sind genau das, was bei einem zuvor schon einmal gespieltem Spiel das erneute Regellesen ersetzt.
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das ganze Spiel besteht aus Zufall und ist nicht steuerbar
Völliger Blödsinn.
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alles wirkt wie ein Sammelsurium von Mechanismen, die nicht miteinander verbunden sind. Weniger wäre mehr gewesen
Der erste Satz stimmt -- für den Ersteindruck. Mit etwas Spielerfahrung nicht mehr. Dass "weniger mehr gewesen wäre", bin ich aber fast geneigt zu unterschreiben.
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Spiel ist wie eine Mischung aus Trajan und BuBu, bzw. ein weiterentwickeltes BuBu. Trotzdem würde ich immer eines der beiden anderen vorziehen, da diese eingängiger sind und Bora Bora nicht mehr bietet
- Spiel ist kompliziert und nicht komplex
In Sachen Komplexität finde ich Trajan ziemlich vergleichbar. BuBu ist eine andere Baustelle, da sehe ich wenig Ähnlichkeiten.
Fazit: Ich verstehe gut, woher die genannten Kritikpunkte kommen. Dennoch finde ich das Spiel sehr gut. Vielleicht hilft meine Einschätzung zu den Punkten dem einen oder anderen, sich selbst ein besseres Bild zu machen. Bora Bora ist sicher nicht für jeden das richtige Spiel.