Was meiner Spielerfahrung an Historia nicht rund ist und redaktionell gerne besser hätte ausgearbeitet werden sollen:
1. Liegt jemand militärisch vorne, macht es für die unterlegenen Spieler keinen Sinn, in dessen Land zu expandieren. Zwar klaue ich ihm damit bei richtigem Timing die Siegpunkte für die alleinige Kontrolle. Aber ich mach es ihm einfach, mich dort wieder zu verdrängen und dafür Siegpunkte (?) zu kassieren. Ich selbst habe also nichts gewonnen. Wer also will sich im Kampf gegen militärisch überlegene Spieler opfern?
2. Der wissenschaftliche Fortschritt, mehr als eine Karte pro Zug spielen zu dürfen, ist so spielentscheidend, dass es in meinen Partien bisher immer ein Rennen darum gab, diesen Fortschritt auch so schnell wie möglich zu erreichen. Weil ob ich nur eine oder die doppelte Anzahl an Aktionen pro Zug spielen darf, macht schon einen gewaltigen Unterschied. Damit zog sich das Feld auf den Technologie-Achsen sehr zusammen und spaltete sich danach in technologisch führende Gruppen und militärisch führende Gruppen.
3. Die verfügbaren Epochen-Zielkarten geben vor, für was man Siegpunktboni bekommt. Die einfach zu ignorieren? Wohl kaum und deshalb spielt man dann in die eine oder andere Richtung und das ist entweder auf Technologie oder Militär - entweder mit oder ohne extremen Fokus auf Wunder. Eine Strategie fernab der Extreme machte aber in meinen Runden keinen Sinn, weil nur Führende in Militär / Technologie eben oftmals durch Wunder belohnt werden. Eine Mischstrategie, die alles ein wenig macht, bringt weder Wundervorteile ein, noch erreicht man damit die Siegpunktboni der Epochen-Zielkarten.
4. Zu Beginn der Partie hat man Zugriff auf fast alle Aktionskarten. Krieg kommt fast automatisch dazu und der Eifelturm begünstigt dann im letzten Spielviertel die Wunder-Extrem-Spieler. Eine Varianz der Aktionen, eine richtige Entwicklung, gibt es ansonsten nicht. Die Nationenkarten empfand ich zudem als unausgewogen und mit den Originalregeln ist es Zufall, ob ich eine nutzbare Karte zu Spielbeginn auf die Hand bekomme, die mir einen Vorteil bringt oder ob die eher lahm ist.
5. Die Weltkarte ist zu klein, um übersichtlich zu sein. Kontrollklötzchen der Spieler sowie Siegpunktwerte stehen sich im Weg und allzu gerne wurden in meinen Partien deshalb Verbindungswege übersehen. Ein Praxistest hätte eigentlich zeigen müssen, dass da Optimierungsbedarf besteht.
6. Es gibt keine Unterscheidung der Symbole für "Punkte bei Besetzung" und "Punkte für alleinige Kontrolle". Muss man sich merken, dass das selbe Symbol mal dies und mal das bedeutet.
7. Historia bleibt sehr abstrakt und deshalb für mich leider wenig atmosphärisch. Im Zentrum steht die Entwicklungsmatrix und die Errungenschaften der einzelnen Zeilen/Spalten sind eher klein und unbedeutend, ebenso in welcher Gesellschaftsform ich mich befinde. Bis auf Bonipunkte und zusätzliche Klötzchen gibt es da keinen wirklichen Unterschied. Hätte man thematisch gerne weiter ausbauen können, aber dann wäre Historia ein anderes Spiel geworden.
8. Laut spielbox-Artikel sind Bots ein Problem. Siehe Textkasten dort. Da ich selbst immer in ausreichend grossen Runden ohne Bots gespielt habe, kann ich das weder bestätigen noch für mich leugnen. Wenn im Spiel mit Bots aber wirklich eine einzige Spielweise den Sieg verspricht, wäre das schon ein redaktionelles Armutseingeständnis. Wer kann dazu mehr sagen?
Trotzdem finde ich Historia - wie schon geschrieben - durchaus faszinierend und reizvoll, nur hat es für mich zu viele unrunde Kanten, an die ich mich persönlich reibe und die mir ein schöneres Spielerlebnis verleiden. Kann aber durchaus verstehen, wenn man es anders sieht, weil man andere Prioritäten und Spielevorlieben hat.
Cu / Ralf
PS: Mit Events habe ich noch nicht gespielt, weil die mit heftigen Zufallsereignissen daherkommen - zu Gunsten und Ungunsten von einzelne Spielern und deren Spielweisen und bisher immer Erstspieler dabei waren, die das Spiel mit den Grundregeln kennenlernen wollten. Kann man damit nicht gleich das Endergebnis auswürfeln? Wie sind da Eure Erfahrungen?