Beiträge von Bierbart im Thema „04.08.-10.08.2014“

    Ich habe ein bisschen darauf gehofft, dass Du Dich hierzu noch äußern würdest. ;)


    Ich denke, der Killer war vor allem die ermüdende Rechnerei. Die Sache mit der Tabelle, auf der man die aktuellen Kosten für Technologien ablesen kann, die ist mir leider entgangen. Die hätte auf der Rückseite der Spielregel zu finden sein müssen, oder? Na wie auch immer, das war ja nur ein Teil der Rechnerei, und wahrscheinlich noch nicht einmal der entscheidende. Was mich die ganze Zeit so etwa im letzten Drittel unserer Session beschäftigt hat, war eher eine andere Art von Rechnerei:


    "Also, ich habe 1 Gold, 2 Ivory, 3 Salz, 1 Dye. Jetzt ziehe ich 7 Karten und kaufe noch eine 9er.... Hm, ok. 1 weiteres Gold, 6 Handelswaren von Typen, die ich vorher nicht hatte, 1 Katastrophe. Jetzt zusammenrechnen: Was kann ich mir mit meinen aktuellen Karten leisten? --> Zahlen addieren, mit den verfügbaren Techniologien zum aktuellen Preis vergleichen. Dauert erstmal...
    So, nun gehts ans Handeln: Spielerin 1 gibt mir ein 2. Dye, aber nur gegen 1 Gold und eine andere Karte. Bringt das was? Wieviel könnte ich dann ausgeben? Also neu rechnen. Aber halt, ich muss ja noch bedenken, welche Karten ich in die nächste Runde mitnehmen will: Wenn ich 2 Dye halten möchte in der Hoffnung auf ein Drittes in der Folgerunde, und das Gold und die 2 Ivory auch, dann habe ich noch Platz für 3 Karten und kann an Salz nicht weitersammeln. Jetzt ausgeben ist mir aber zu früh. Spieler 2 würde mir ein Salz geben, aber auch nur gegen Gold. Schlechter Tausch, aber vielleicht lohnt er sich ja doch? OK, mit 4 Salz und 1 Gold habe ich grübelgrübel... ok. Wenn ich zusätzlich noch das Dye eintausche, habe ich ein Gold weniger, aber könnte noch länger auf das Salz sparen, aber dann habe ich nur noch wieviel Punkte genau weniger, um Technologie zu kaufen...? Ah verdammt, das reicht nicht für Coinage ...äh, und welche Technologien könnte ich mir dann nochmal leisten, wenn ich gar nicht handle?! Was habe ich vorhin nochmal ausgerechnet?!? Mist, hab ich wieder vergessen. Also nochmal..."

    Ich weiß nicht, wie man dieses Problem lösen kann? Jedenfalls war vor allem das die Sache, die mich so ermüdet hat.


    Ich denke aber auch, dass ein weiterer, allerdings bei weitem weniger wichtiger Faktor schon die falsche Erwartungshaltung war. Schon möglich. Um es nochmal zu betonen: Das Thema, das Spielgefühl, zuschauen, wie sich die Zivilisationen entwickeln... das sagte mir durchaus alles zu.


    Ich habe übrigens schon seit 2011 die Neuauflage von 1830 im Regal, mitsamt eigenhändig verfasster achtseitiger Kurzregel, aber noch nie gespielt in Ermangelung von ernsthaft Interessierten. Irgendwie habe ich leider das Gefühl, dass es mir bei diesem Spiel so gehen wird wie mit AdCiv, sollte ich es doch einmal gespielt bekommen. :(

    Am Samstag mein erstes Date mit #AdvancedCivilization, 6 Spieler. Nicht nur für mich, sondern auch für die anderen fünf Leute war das die erste Partie überhaupt. Die Vorlaufzeit zu dieser Session betrug etwa 2 Monate, denn aufgrund der bekanntlich sehr langen Spieldauer mussten natürlich auch Spieler her, die nicht nur die Zeit, sondern auch die entsprechende Ausdauer mitbringen würden. Diese Voraussetzungen waren schonmal erfüllt. Mit überlangen Spielen hat denke ich keiner der an der Session beteilgten Leute ein Problem. Nur geholfen hat das alles am Ende nicht, denn das Spiel muss natürloch auch entsprechendes hergeben über die Spieldauer. Die Partie wurde letztlich nach etwa 7 Stunden reiner Spieldauer doch abgebrochen. Wir waren alle etwas ermattet und hatten einfach keine Lust mehr. Ein Zeitlimit haben wir nicht vorher vereinbart.


    Der Besitzer hat das Original (es gibt ja inzwischen auch Nachbauten) irgendwann zu einem astronomischen Preis erworben, und war dementsprechend heiß darauf, dieses Ding endlich auf den Tisch zu bekommen. Ich selber war auch ziemlich neugierig, denn zum einen hat das Spiel als Klassiker einen sehr guten Ruf. Als Crowdfunding-Projekt würde es vermutlich alle Rekorde für Brettspiele brechen -- zu so einem Projekt wird es in absehbarer Zeit natürlich nicht kommen, ist schon klar. :) . Zum anderen mag ich das Genre der Zivilisationsaufbauspiele, zurzeit vielleicht mehr sogar als alle anderen Genres, und ich finde das Spielen einzelner langer Spiele erfüllender als das Spielen vieler kurzer Spiele.


    Gute Voraussetzungen also. Eigentlich. Erste Vorbehalte entwickelte ich aber doch bereits im Vorfeld: Leider hatte ich nämlich dem Drängen des Besitzers des Spiels nachgegeben, mich vorher mit den Regeln und Zusammenhängen ausführlich vertraut zu machen (dem ungeschriebenen Gesetz zu Folge ist es ja eigentlich die Aufgabe des Besitzers, das Regelwerk zu kennen, aber ok. Ich war ja schließlich auch höchst neugierig). Also habe ich die üblichen Seiten angesurft, gelesen und zugehört... Oh je. Praktisch mit jeder Seite, die ich dazu gelesen habe, mit jeder Minute Videomaterial hatte ich weniger Lust auf das Spiel. Warum? Weil ich schlicht und einfach angenervt war. Praktisch alles, was ich mir an Infomaterial ansah, schien mir mit dem Hinweis darauf einzuleiten, was für ein grooooßartiges Spiel Advanced Civilization doch sei. -- Also ich weiß ja nicht, wie es anderen geht, aber wer mir erzählt, wie natürlich objektiv supertoll Spiel X (oder Band Y oder Film Z) doch sei, der erreicht damit nur, dass ich eine skeptisch-ablehnende Grundhaltung einnehmen, nach jedem Haar in der Suppe suchen, und alles, was mir nicht gefällt, monströs vergrößert wahrnehmen werde. Sorry, das ist nicht steuerbar und passiert wahrscheinlich unbewusst. Jedenfalls: Wer mich von seinem Lieblingsspielzeug überzeugen will, der sollte sich besser zurückhalten mit als unzweifelhaft zutreffend präsentierten Lobpreisungen, denn er wird damit bei mir irgendwann exakt das Gegenteil erreichen. Es kamen noch ein paar andere Umstände hinzu, die mir die Laune eintrübten. Ich habe bespielsweise noch eine Regel-Rewrite gefunden, erstellt ziemlich sicher mit LaTeX und seinem unverkennbaren Schriftsatz. Beim Lesen der Regel fühlte ich mich ganz unwillkürlich wie beim Sichten eines wissenschaftlichen Papers, und genauso bearbeitet wie der Auszug aus einem Wissensschaftsjournal zu meiner Studienzeut sah das Ding danach auch aus. :) Klar, ich war natürlich froh, dass sich jemand die sicher erhebliche Mühe gemacht hat, die Regeln in verständlichere Form umzuschreiben. Aber die Entscheidung für LaTeX verlieh dem Ergebnis eine leicht wichtigtuerische Note, so in der Art von: "Das seriöse Regelwerk dieses ach-so seriösen, tiefsinnigen, einzig wahren und ultimativen Zivilisationsspiels verdient es, von einem seriösen Schriftsetzer mit einem seriösen Layout bedacht zu werden", oder so ähnlich. Mir drängte sich allmählich das Gefühl auf, dass Advanced Cicilization ein nostalgisch idealisiertes und somit überbewertetes Spiel sein müsse. Ich weiß nicht, ob man das nachvollziehen kann? Jedenfalls war mir am Samstag vor der Session die Lust irgendwie vergangen, und ich war inzwischen eindeutig gegen das Spiel voreingenommen.


    Die ersten 4 oder 5 Stunden fand ich das Spiel dann allerdings unterm Strich wirklich gut. Sehr dynamisch Spielentwicklungen, und die Kopfrechnerrei hielt sich in Grenzen, weil so wenige Technologien im Spiel waren (also wenige Modifikationen der Anschaffungspreise). Das Spiel stagnierte dann allerdings zunehmend, weil alle auf der AST nicnt mehr richtig vorankamen. Ich hatte zwar regelmäßig 7 oder 8 Städt auf dem Plan, und hatte dazu noch Glück mit den Katastrophen und immer 16 oder 17 Karten zum Handeln. Trotzdem ging es nicht voran, weil außer mir praktisch niemand 7er und 8er-Karten hatte, und am Ende der Runde ja wieder auf 8 Handkarten reduziert wird. Dazu kamen lange Downtime-Phasen, die sich abwechselten mit ergebnislosem Handeln und allerlei Kalkulationen sowohl im Kopf als auch auf dem Papier. Es zeigte ich auch immer mehr, wie monoton einfach das Spielprinzip eigentlich ist: Das ganze Geschehen auf dem Brett dient anscheinend lediglich dazu, eine maximale Anzahl von Städten zu halten. Sonst ist nicht viel. Gegen Mitspieler militärisch zu agieren schien mir nicht sonderlich sinnvoll zu sein, denn ständig war durch den damit zwangsläufig einhergehenden Einheitenverlust die Versorgung der Städte gefährdet, und die Belohnung für das Erobern einer Stadt scheien mir nicht so wahnsinnig viel wert zu sein: Eine Karte mehr im Gemischtwarenladen, und die 3 Geld werden ja zu Lasten der Bevölkerung im Stock erhoben. Hm. Dann doch lieber die eigene Versorgung sichern, und so Katastrophen besser abfedern können? Die Katastrophen hauen am Ende doch eh viel krasser rein als alles, was ein Spieler militärisch gegen einen anderen unterehmen kann, habe ich den Eindruck.


    Rein regeltechnisch ist Advanced Civilization übrigens billig. Die Katastrophen sind ein bisschen kniffelig zu handhaben, aber ansonsten ist das Regelwerk logisch und einfach, und zwar deutlich einfacher als das aller anderen mir bekannten "vollen" Civs. Allerdings ist das Suchen nach dem besten Zug mit extrem viel Zählen und Kopfrechnen verbunden, wie oben schon erwähnt. Beispielsweise ändern sich die Netto-Anschaffungskosten der Technologien nach jedem Kauf von Zivilisationskarten. Die aktuellen Kosten muss zumindest ich mir eigentlich notieren, merken kann ich mir die aktuell gültigen Rabatte in Bezug auf einzelne Karten irgendwann nämlich nicht mehr. Ohne Spielerhilfen ist man da aufgeschmissen. Dazu kommt noch die Opimierung von Steuervorrat und Kartenpunkten mit dem Ziel, ohne Restbetrag Technologien zum bestmöglichen Rabatt mit optimalen Synergien und bestem Nutzen für die voraussichtlichen Spielentwicklungen einzukaufen usw., was bei Bewegung und Handel bereits wichtig ist. Je nach potenziell eintauschbaren Karten und Einkaufsmöglichkeiten gibt es dann so viele Kominationsmöglichkeiten, dass zumindest mein Kopf all diese Permutationen nicht mehr durchrechnen kann. Allerdings ginf das nicht nur mir so, denn irgendwann hat eine Mitspielerin dann doch einen Taschenrechenr an den Tisch geholt. Macht ja irgendwo Sinn, aber mal ehrlich: Muss das bei einem Brettspiel sein? Finde ich nicht cool.


    Überhaupt fehlt dem Spiel ein wenig die Spannung (soweit ich das nach dieser einen Partie beurteilen kann, versteht sich). Symptomatisch: Das Kampfsystem. Deterministischen Kampfsystemen kann ich einfach nichts abgewinnen. Wenn das Ergebnis allen Beteilgten von in dem Moment schon klar ist, in dem durch eine Bewegung einen Konflikt auslösen: Wo bleibt da die Aufregung? Das ist doch langweilig. :(


    Tja. Insgesamt fand ich dieses Spiel schon enttäuschend, was aber sicher auch an den hohen Erwartungen lag, die es nicht erfüllen konnte. Man merkt dem Spiel doch etwas das Alter an. Die Spieldauer ist an sich kein Problem, nur muss ein Spiel über diese Dauer auch die Spannung halten können. Das hat es nicht geschafft, zumindest nicht bei mir. Es fühlt sich allerdings thematisch "richtig" an, wie die Zivilisationen anwachsen und dezimiert werden, ihr Siedlungsgebiet ändern und herumvagabundieren. Ich habe es nicht gehasst, aber es war schon ein zäher Tag.