Bei "A few Acres of Snow" scheint die Home-Support-Karte das eigentliche Problem zu sein. Weil damit ziehe ich direkt drei Karten nach, habe eine grössere Kartenauswahl - und verstopfe mir im normalen Spielablauf teils auch meine Hand, weil ich nicht mehr nachziehen kann. Somit hat für mich der Home-Support im normalen Spiel auch ein gewisses Risiko, eben nicht passende Kartenkombos damit auf der Hand zu halten. Die dann wieder wegzubekommen ist meist ein Zeit- oder Geldverlust.
Zudem war das Spiel anscheinend so angelegt, das neugekaufte Karten auf den Ablagestapel kommen und erst später im Deck landen. Durch ein extrem minimiertes Kartendeck in Verbindung mit Home-Support kann man diese Regel aushebeln und eben direkt die neu gekaufte Karte auf die Hand bekommen.
Wo ist also das Problem, wenn man klarstellt, dass in einem Zug neu gekaufte Karten nicht im selben Zug gezogen werden können? Eventuell muss man noch verschärfen, dass Home-Support nur so viele Karten nachziehen kann, wie der Nachziehstapel hat und wenn da weniger als drei Karten liegen, dann greift Home-Support eben nicht auf den ehemaligen Ablagestapel, der durch neumischen zum Nachziehstapel geworden ist.
Weil wenn diese Extrem-Strategien bestimmte Spielelemente aushebeln, dann muss man die eben klarstellen. Schade, dass Martin Wallace das vor der Veröffentlichung nicht erkannt hat. Eben auch ein Beispiel, dass ein Spiel veröffentlicht wurde, ohne dass es in seinen Extremen ausgelotet war. Auch wenn für mich das Spiel ausreichend gut ist, dass ich bereit bin, dieses Manko hinzunehmen, eben auch weil es in meinen bisherigen knapp 10 Partien noch nicht zum "Halifax Hammer & Co" gekommen ist. Ist also immer auch eine persönliche Wahrnehmung!
Zwischen einem Entwicklungsstand zur Veröffentlichung eines "A few Acres of Snow" und dem Regelwerk von "High Frontier" liegen allerdings Welten. So hatte "High Frontier" in der ersten Verkaufsversion schlicht Übersichtpläne beiliegen, die Fehler enthielten und ein Regelwerk, dass zwar irgendwie funktionierte (wenn es jemand verstanden hat ohne externe Hilfe), aber so unrund war, dass es diverse Regel-Änderungen und Klarstellungen brauchte, bis es für mich wirklich spielbar war. Ich hätte es schöner gefunden, wenn ich mir die Zeit hätte sparen können, mich durch diverse Living-Rules-Versionen zu wühlen und stattdessen ein wirklich fertig entwickeltes Spiel in der Schachtel vorgefunden hätte. Ich habe diese Extra-Arbeit auf mich genommen, weil ich das Spiel gut finde.
Weiterentwicklung gerne. Aber warum nicht erst ein Spiel veröffentlichen, wenn es einen ausreichenden Entwicklungsstand hat und das ist leider nicht bei allen aktuellen Spielen gegeben. Wobei Entwicklungsstand auch sein kein, dass man ein verständliches und fehlerfreies Regelwerk beiliegen hat und Spielmaterial, das nach Kontrolle eben keine Fehler enthält.
Aktuelles Beispiel "Mage Knight": Drei Karten sind falsch gedruckt, haben Detailfehler. Die sind im Regelheft auch extra erwähnt, aber anscheinend reichte die Zeit oder das Kapital nicht aus, um diese Fehlkarten nochmal drucken zu lassen und dann in einer richtigen Version dem Spiel beizulegen. Stattdessen wird es schlicht mit Fehlern verkauft und als Kunde weiss man entweder vorab davon und findet sich damit ab oder wird überrascht oder hofft, dass der Verlag nachträglich noch nachbessert.
Soll heissen, es gibt eben viele Facetten von "vorschnell veröffentlicht" und "eine weitere Entwicklung, Prüfung, Endkontrolle, Korrekturlauf hätte dem Spiel gut getan". Aktuell habe ich den Eindruck, dass dank BGG-Downloads und einer arg handzahmen Freak-Zielgruppe viel nicht wirklich fertiges Zeugs als fertiges Spiel verkauft werden kann. Und weil das so ist, in meiner Warnehmung, wird sich wohl leider daran auch nichts ändern, sofern man die Probleme nicht beim Namen nennt. Eben nicht um anzuprangern, was zu einfach wäre, sondern damit es in Zukunft eventuell besser wird, wenn es überhaupt als Problem empfunden wird - was anscheinend flächendeckend nicht so ist.
Cu / Ralf