Beiträge von Archibald Tuttle im Thema „Galileo Galilei (auf dt. bei Frosted Games)“

    Foucault nutzt, um diese Verwirrung sufzulösen, den Begriff des Diskursverbots. Manche Themen werden zu Themen, die derart starke Reaktionen erzeugen, dass das direkte Thematisieren gemieden wird - nichtsdestoweniger kreisen dann aber die Diskurse sehr oft um die Grenzen des Verbots.


    Übertragen auf unser Thema ist das Thema Genderrepräsentation aktuell so vermint, dass man - egal wie man es thematisiert - in Probleme kommt, so dass man, will man keine solche negative Reaktion erzeugen, das Thema umgeht. Was allerdings langfristig natürlich auch keine Lösung ist, es sei denn Spiele entstehen zukünftig nur noch in fiktionalen Kontexten (und selbst da...).


    Schön zu sehen ist das aktuell bei The Acolyte: Massenhafte negative Bewertungen rechtskonservativer Trolle führen zu einem Rating von 17%, was schlicht völlig absurd ist, aber gleichzeitig den Eindruck erweckt, die Serie sei wirklich die schlechteste Star-Wars-Serie, noch vor dem Holiday Special. Dass man auf so etwas auch im kleinen Stil keine Lust hat, kann ich kommerziellen verstehen.

    Wie viel Cancel Culture wollt ihr denn so?

    BGG: JA

    Aber eben in beide Richtungen. Ich hatte auch schon überlegt, da den Spruch des Verlagsmenschen anzusprechen, da ich den wirklich richtig richtig schlecht/unsensibel formuliert finde und mich frage, ob das vielleicht auch an der Nicht-Muttersprachlichkeit liegt. Kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass der Mann das wirklich so gemeint hat. Aber auf BGG läuft man da eben sehr schnell Gefahr, dass man gelöscht wird.

    Klar - aber und man darf das nie vergessen - Spielethemen sind primär Verkaufsvehikel, außer man macht so was obskures wie unser Hochverrat. Das kauft man ja nicht, weil man sagt "Oh, die Gerichtsverhandlung eines Kanadiers!", die kenne ich ganz genau, hier fühle ich mich Wohl!

    Beim Thema Astronomie kommen dir halt X Namen in den Kopf, und die will man dann auch verarbeiten. So ensteht Wiedererkennungswert. Sie haben sich 4 berühmte rausgesucht. Das muss man jetzt nicht verwerflich finden - und Frauen waren nur leider wirklich nicht eminente Astronomen zu dieser Zeit. So schade wie ich das finde. HÄTTE man ein Statement setzen können, um Frauen hier herauszustellen? Aber natürlich. Aber wenn ich dieses Fass aufmache ...

    Wir hatten einen sehr ernüchternden Punkt bei den Redakteurstagen: Es werden wohl auch mehr Naturthemen verwendet, weil wir nicht fürchten müssen, dass es einen Shitstorm für zu wenige weibliche Vögel gibt. Verlage sind vorsichtiger geworden - man hat Angst unfreiwillig etwas auszulösen. Nur mal um die andere Seite zu erleuchten.

    Verstehe ich zwar, aber ich glaube, der engagierte Spielama-Ben anno 2011 wäre von diesen Ausführungen ziemlich enttäuscht.

    Weil Frauen in der Zeit keine Chance hatten berühmt zu werden, wiederholt man das jetzt und nutzt nur die berühmten (männlichen) Astronomen.

    Das stimmt so nicht ganz. Nur ein Beispiel: Der Astronomin Maria Cunitz (1610-1664) hat man schon zu Lebzeiten und später im 18. Jahrhundert viel Anerkennung entgegengebracht. Auch ihre Publikation Urania Propitia von 1650, die auf den Entdeckungen von Kepler und Galilei basiert, wurde weithin geschätzt - vor allem wegen ihrer mathematischen Präzision und verständlichen Sprache. Die hätte sich als äußerst verdiente Astronomin für das Spiel mehr als angeboten. Schade um die verpasste Chance

    Sehr schönes Beispiel, Danke!

    Bin vll der einzige hier, aber mir Gefällt die Optik auf Karten und Co deutlich besser, als die aufm Karton...

    Nee, damit liegst Du voll im Mainstream, sonst würde der Verlag es ja nicht machen. Deshalb kann man ihm das auch nicht ankreiden. Dass es auch anders geht, zeigen z.B. die tollen 19xx-Spiele von Looping Games, die den Look der dargestellten Zeit auf jedes noch so kleine Spielteil übertragen.

    Thygra Ich denke das lohnt sich nicht, die Argumente sind ausgetauscht. Wobei, ein Gedanke noch: So eine weibliche Promokarte wäre ja eine Möglichkeit, keine Ahnung was das für Zusatzkosten verursacht, aber das hat bei Paleo ja auch funktioniert (und auch da Menschen zu negativen Reaktionen getriggert, obwohl es nur eine optionale Promo war).

    "Historisch korrekt" wäre eben auch, diesen Ausschluss von Frauen aus der Wissenschaft zu thematisieren.

    Was aber in dem Spiel wohl keine Rolle spielt. Die Erklärung ist doch völlig in Ordnung. Selbst wenn der Verlag/Designer geschrieben hätte: „Es sind keine weiblichen Charaktere im Spiel, weil wir keine Lust drauf haben“

    Ich verstehe das einfach nicht. Wenn dir die Erklärung bei BGG nicht reicht, musst du das Spiel genau aus dem Grund einfach Boykottieren.

    Ich behalte es im Auge und bin aktuell Interessiert.

    Und nochmal: Ich boykottiere nix, und rufe nirgends zu einem Boykott auf. Keine Ahnung woher Du das nimmst. Ich bedaure nur dass hier die Einstellung der Spielemacher zur Rolle von Frauen in der Wissenschaft offenbar ungebrochen aus dem 16. Jahrhundert übernommen wurde.

    Klar wird das wiederholt, weil es soll ja schließlich historisch korrekt sein. Echt ein Wahnsinn worüber sich mittlerweile bei Spielen Gedanken gemacht wird. Sieht auf jeden Fall auch Interessant aus und wird bei Zeiten angeschaut sobald es neueres gibt.

    "Historisch korrekt" wäre eben auch, diesen Ausschluss von Frauen aus der Wissenschaft zu thematisieren.

    Ben2 Wie hält man das eigentlich aus?

    Wenn Du das auf meine Beiträge beziehst: Zum einen sehe ich ihn da nicht unbedingt in der Verantwortung, da sie das Spiel nur lokalisieren. Das hätte dem Prager Team bereits bei der Entwicklung des Spiels auffallen können, wenn sie sich z.B. die Ausstellung im Prager Planetarium einmal angeguckt hätten (ich war letztes Jahr da, da ist wenig überraschend ein eigener Raum zu "Frauen und Astronomie"). Zum anderen ist es ja keine Kritik, nach der ich das Spiel nicht kaufen würde. Ich finde es halt schade, dass hier eine Chance auf Repräsentation nicht genutzt wurde.

    Archibald Tuttle Ist auf Bgg thematisiert worden. Antwort dort:

    "The game is being manufactured right now so there won't be any woman astronomers in Galileo Galilei. We wanted to have only the most notoriously known astronomers in the game. If you play the advanced variant, I think you will appreciate it because each of the astronomers in the game has a special ability, based on their particular interests and discoveries. Let us see if there will be another space to expand the characters in the future [Blockierte Grafik: https://cf.geekdo-static.com/images/smile.gif]"

    Quelle: https://boardgamegeek.com/thre…282/no-female-astronomers

    Ich hab's gelesen, überzeugt mich aber nicht, bzw. macht es nicht besser. Weil Frauen in der Zeit keine Chance hatten berühmt zu werden, wiederholt man das jetzt und nutzt nur die berühmten (männlichen) Astronomen. Gerade dann, wenn man echtes wissenschaftlich-historisches Interesse hätte, wäre doch wenigstens eine Frau sinnvoll um zu zeigen, dass die damals schon genauso an Astronomie interessiert waren, auch wenn ihre Gedanken dazu von der männlich dominierten Wissenschaft ausgeschlossen wurden. Echtes Problembewusstsein für historische Zusammenhänge sehe ich da leider gar nicht in der Äußerung, im Gegenteil.

    Zurück zum Thema: Warum man da nicht wenigstens eine der in der historischen Literatur auftauchenden Frauen der Renaissance mit aufgenommen hat, die sich mit Astronomie befasst hat, ist mir auch nicht klar, die als Dichterin bekannte Margherita Sarrocchi etwa stand in regem Briefkontakt mit Galileo Galilei und kommentierte seine wissenschaftlichen Aufzeichnungen wohl ziemlich ausführlich (was naturgemäß in patriarchalen Zeiten dann nicht überliefert wurde). Also das Feigenblatt weiblicher Repräsentation wäre recht schnell zu ergreifen gewesen.

    Rei Ich zitiere mal wörtlich aus der oben verlinkten Seite von Frosted: "Das Thema wurde sowohl historisch als auch astronomisch möglichst akkurat umgesetzt. Dafür hat der Originalverlag Pink Troubadour eng mit dem Observatorium und Planetarium Prag zusammengearbeitet. Gerade bei den Bezeichnungen und den grafischen Darstellungen haben sie viel Wert auf wissenschaftliche Genauigkeit gelegt."

    Und bevor die unknowns-Welle rollt - ich will jetzt keine Grundsatzdiskussion vom Zaun brechen, wann ein Spiel thematisch ist...

    Ich würde gern an der Stelle nochmal einsetzen, ohne auf die obigen Befindlichkeiten einzugehen: Die wissenschaftliche Genauigkeit führt wahrscheinlich dazu, dass man die mittlerweile üblichen, CGI-gerenderten Planetenbilder für die Spielkarten genommen hat. Das verstehe ich konzeptionell (weil es eben aktuell die "besten", genauesten Abbildungen sind), aber es beißt sich für mich auch mit dem Setting des Spiels im 16. Jahrhundert. Mit (wie von Plasticman71 ins Spiel gebracht) Illustrationen aus der Zeit, wie z.B. denen von de Bergerac, die ja fast schon zur Fantasy gehören (die Faksimile steht hier im Regal), hätte ich das Spiel auch deutlich attraktiver gefunden, da es dann zeithistorisch aus einem Guß wäre. Ich ahne aber, dass man damit im Markt nicht unbedingt auf Gegenliebe gestoßen wäre (ich denke an die herrlichen. historisch passenden Illustrationen in Troyes und der Erstauflage der Werft, die viele auch als billig und farblos bezeichnet haben). Also, ich verstehe die Entscheidung, und das Spiel ist dennoch interessant, aber historisch passender (und damit wissenschaftlich inkorrekter) wäre mir sehr viel lieber gewesen.