Beiträge von Archibald Tuttle im Thema „Der kleine Unknowns-Filmclub“

    wo Arte nur für die Fernsehausstrahlung synchronisiert

    Wie gesagt, die französische Synchro liegt vor, habe ein paar Sekunden geschaut. Nur falls das jemand vorziehen sollte ;)

    Entgegen vieler Vorurteile wird in Frankreich wirklich alles synchronisiert. Die sind da genauso drauf wie die Deutschen, tendenziell schlimmer. Verzerrt ist der Eindruck durch Paris, wo in den inneren Arrondissements alle Filme nur in OmU laufen. Insoweit lag Drive my car dort garantiert schon in Synchro vor, wobei er dort auch bei einem großen Verleih lag, in Deutschland beim nieschigeren Rapid Eye Movies.

    Hatte ich vorher nicht kontrolliert, aber es existiert bisher auch keine Synchron, im Kino lief er auch nur OmU. Und die Zeiten wo Arte nur für die Fernsehausstrahlung synchronisiert hat sind wohl vorbei. Aber für den synchtonfreund ist ja noch ein anderer Film im Rennen.

    Ich schlage zwei Filme für die Fortsetzung vor, die beide auf ihre Weise beeindrucken können:

    - Das ZDF bietet mit "Der Eid" aktuell den erfolgreichsten isländischen Film der letzten Jahre, einen Thriller von Baltasar Kormakur, der damit nach seinen weniger erfolgreichen Ausflügen nach Holywood (Mount Everest) wieder ein spektakuläres Comeback in seiner Heimat feiern konnte. Inhaltlich will ich gar nicht zuviel verraten, aber Kormakur bewegt sich hier klar auf den Spuren Claude Chabrols, der ja auch immer die Abgründe hinter der biederen Fassade des Bildungsbürgertums aufriß.


    Und dann hat ARTE gerade einen Alternativ-Kandidat geliefert: Drive my car ist dort jetzt verfügbar, und die ARTE-App und Aleo haben mich gleichzeitig drauf aufmerksam gemacht, dass der hier doch gut passen würde. Vielleicht ist die Laufzeit ein Problem, aber immerhin hat der Film den Oscar für den besten fremdsprachigen Film erhalten und ist auch sonst ein schillerndes Rätsel, das sich sich wie eine Zwiebel nur schalenweise für den Zuschauer öffnet. Wer also mehr Arthouse als Thriller sucht, wird hier glücklich.

    Erler ist super, aber die Sachen sind tatsächlich teilweise schwierig gealtert. Am besten finde ich heute noch Operation Ganymed, der vor kurzem als BluRay rausgekommen ist. Der ist ein schönes Double Feature mit Unternehmen Capricorn und funktioniert heute noch Recht gut. Fleisch ist auch noch gut anguckbar, bei Plutonium hab ich ein wenig gelitten, und Das blaue Palais ist heutzutage stellenweise befremdlich. Die Ideen sind großartig, die Umsetzung halt schon sehr altmodisch bis hin zu leicht trashig. Langatmig sind die aber aus heutiger Sicht alle, und dass sie mit dem Budget eines Fernsehfilms hergestellt wurden, ist auch nicht zu übersehen.

    Büdde, büdde. Aber nochmal: Ich sehe mich hier nur als Organisator und Kommentierer, und bin daher dankbar, dass der neue Vorschlag nicht von mir ist. Vielleicht kommt der jetzt ja besser an :).


    Aaaaalso: Dass Glengarry Glen Ross hier SO schlecht ankommt, hätte ich tatsächlich nicht erwartet (sonst hätte ich ihn auch nicht vorgeschlagen). Aber tatsächlich ist der Film offenkundig nicht zu Unrecht (zumindest in Deutschland) ein wahrer Film Maudit, der über Zitate bekannter ist als dass ihn wirklich viele Menschen gesehen hätten. Als Theaterfilm ist er für mich ein klarer Gegenentwurf zu Arthur Millers Tod eines Handlungsreisenden, denn hier sind alle Figuren moralisch mehr als ambivalent, es handelt sich ja schließlich durchgehend um Verkäufer, die betrügerisch agieren (müssen). Die andere Referenz ist "Wall Street" (zu der Zeit erst wenige Jahre alt), der zwar auch kritisch gegen Yuppietum gedacht war, es zugleich aber massiv verherrlicht hat. An Glengarry ist nichts verherrlichend, der ist wahnsinnig düster, und die Rollen sind allesamt "kleine Menschen", sowohl moralisch wie charakterlich. Und so schimpft man dann gemeinsam auf den Einen, der das dünne zivilisatorische Eis am Ende endgültig durchbricht, obwohl man selbst bereits seit Jahren auf dem Firnis dieser Eisschicht herumtrampelt.

    David Mamet hat, im Unterschied zu nahezu allen anderen Stücken und Filmen, hier kein Mitleid mit seinen Figuren. Was natürlich die Identifikation massiv erschwert und so kaum den klassischen Hollywood-Zugang zum Film und seinen Figuren erlaubt. Der Film begeht ja gleich zwei Kardinalsünden: Er ist nicht nur ein Kammerspiel mit zwei Handlungsorten, er ist auch noch ein Ensemblestück, etwas was in Hollywood nur sehr, sehr selten wirklich funktioniert hat - da braucht es üblicherweise einen klaren Identifikationsträger. Was man also hier wunderbar sehen kann: Filme müssen uns irgendwie in sich hineinziehen, und dazu bringen mitzufühlen oder mitzugehen - und das hat dieser Film hier für die meisten die es versucht haben offenkundig nicht geschafft. Da nutzen dann auch einige der besten schauspielerischen Leistungen in den Karrieren der Beteiligten nichts, und auch nicht das an Film Noir erinnernde Setting, ein Genre, das ja ebenfalls von charakterlich schwachen Antihelden und Bad Boys besiedelt war.


    Ich bin mir nicht sicher, ob das Millionenspiel jetzt der richtige Film ist, um diese "Identifikation" besser zu leisten, aber immerhin hat er einen klar identifizierbaren Protagonisten und gleich mehrere herrliche Villains. Das Millionenspiel ist nur eine Verfilmung des gleichen Stoffs, der in diesem Fall auf einer Kurzgeschichte von Robert Sheckley basiert. Vor dem Millionenspiel wurde es bereits in Italien als "Das zehnte Opfer" (immerhin mit Marcello Mastroianni und Ursula Andress), und 13 Jahre später nochmal in Frankreich als Kopfjagd verfilmt (da dann mit Michel Piccoli als Moderator). Und dann war da noch Stephen King, der in bewusstem Rückgriff auf Sheckley sein eigenes Buch dazu unter dem Pseudonym "Richard Bachman" veröffentlichte, das dann wiederum mit Arnold Schwarzenegger als "Running Man" verfilmt wurde.

    Wer Running Man kennt, dem werden beim Millionenspiel die Augen übergehen: Offenkundig hat man sich beim Design von Running Man direkt am Millionenspiel orientiert - was ja völlig verrückt ist, wenn man bedenkt, dass das Millionenspiel nach der Erstausstrahlung 1970 erstmal 30 Jahre von der Bildfläche verschwand und erst 2002 wieder gezeigt werden konnte. Der WDR ist seinerzeit sehr naiv an die Rechtelage herangegangen (und wusste wohl auch nichts von der italienischen Verfilmung) und kaufte die Verfilmungsrechte beim Goldmann-Verlag - der sie aber gar nicht hatte. Erst 32 Jahre hat man sich hier rechtlich einigen können und darf den Film seitdem wieder zeigen, auch wenn das den WDR laut zähneknirschender Eigenaussage damals deutlich mehr gekostet hat als sie bei sonstigen Wiederholungen gewöhnt sind.

    Warum wird Millionenspiel dann heute noch wiederholt, und ist der erste Film, den die ARD in UHD-Qualität restauriert hat (mehr dazu später)? Weil er nicht zu Unrecht als echter deutscher Fernsehklassiker gilt, gleichberechtigt mit Ein Herz und eine Seele, Raumpatrouille Orion, dem Boot und der Sportschau (so sah es jedenfalls eine Briefmarkenserie der Deutschen Post). Nach der Erstausstrahlung erreichten den Sender gleich mehrere Bewerbungen, um ebenfalls am Millionenspiel teilnehmen zu dürfen, und Menge lernte daraus, dass semifiktionale Stoffe mit Verwirrungsgefahr für die Zuschauer:innen eine gute Idee für gute Quote sind (er wiederholte das u.a. dann nochmal mit Smog). Die Aufruhr, die die Erstausstrahlung erzeugte, kann man gar nicht unterschätzen - es gab sogar einen Bambi und eine goldene Kamera für die Produktion, was damals im Fernsehkosmos noch sehr selten der Fall war.

    Ich glaube, dass man auch heute noch viel Spaß mit dem Millionenspiel haben kann, auch ohne die aus heutiger Sicht bizarre Besetzung des Killers mit dem damals noch unbekannten Dieter Hallervorden. Dieter Thomas Heck ist jedenfalls ein echter Knaller in seiner Rolle, und Jörg Pleva wird heute massiv unterschätzt: Immerhin Stanley Kubrick fand seine Stimmleistung bei der Synchro von Uhrwerk Orange so großartig, dass er die Verleiher zwang, ihn auch in Barry Lyndon und in Shining (auf Jack Nicholson, entgegen dessen Stammbesetzung) einzusetzen. Für mich ist er eine der markantesten Radio-Hörspielstimmen der 1970er und 1980er (mal abgesehen von den unzähligen Kleinkriminellen und Pharmaforschern, die er dann noch im Fernsehen spielte).


    Ich bin wirklich gespannt, wie dieses "Fernsehexperiment" aus vergangenen Tagen bei Euch so ankommt, und schreibe gerne später nochmal was, warum ausgerechnet Science Fiction damals unter den Intellektuellen der Fernsehindustrie beliebt war.

    Ja, mit der LG-App geht es. Spannend, warum die das dann im Browser nicht zulassen - aber ist ja bei Netflix auch so.

    Das liegt am Kopierschutz, konkret:

    • Grafikkarte und Bildschirm müssen HDCP 2.2 (High-bandwidth Digital Content Protection)-fähig sein
    • HEVC-Videoerweiterung muss installiert sein (kostet 99 Cent, alternativ gibt es noch die hier https://apps.microsoft.com/det…verviewtab&hl=en-us&gl=US )
    • Microsoft Edge (Chrome, Firefox, etc. gehen wohl nicht)

    ..dann verstehe ich aber nicht, warum es in der Fire-App der ARD auch nicht geht. Da gehen ja auch die UHD-Inhalte anderer Anbieter.

    Ja, mit der LG-App geht es. Spannend, warum die das dann im Browser nicht zulassen - aber ist ja bei Netflix auch so. Jedenfalls holla die Waldfee, da hat aber jemand an den Farben gedreht, als er HDR (also 10-bit-Farbtiefe) draufgepatscht hat. Ob das so sinnvoll ist, muss ich mir nochmal genauer angucken.

    Ich habe ihn gestern gesehen. Später mehr.


    Man kann auch auf UHD umstellen, aber das sah sehr merkwürdig aus. Da hat mir das Full HD besser gefallen.

    Das habe ich versucht, wurde aber zumindest im Webbrowser nicht unterstützt. Der WDR hat den Film als Zeitgeschichte tatsächlich in 4K abtasten lassen, ich probiere es gleich mal in einer der Mediathek-Apps.

    Ich wollte zunächst warten, bis mehr Rückmeldungen kommen, aber ich sehe da kommt nix mehr. Auch das ist ja interessant, denn damit gibt es wohl Gründe, dass der Film in Vergessenheit gerate ist ;). Ich komme heute hoffentlich endlich dazu, selbst etwas dazu zu schreiben, würde aber auch vorschlagen, dass wir einen Zwei-Wochen-Rhythmus nutzen und damit ab heute gerne auch über das Milionenspiel von Tom Toelle und Wolfgang Menge sprechen - den Link gab es ja oben schon. Dazu schreibe ich aber auch nochmal was längeres als Einführung, wenn gewünscht. Der steht ja auch beispielhaft für eine ganze Reihe semidokumentarischer, futuristisch angehauchter Fernsehspiele der 1970er Jahre, die damals im Orson-Welles-Modus die Bevölkerung aufschreckten (Smog, Im Zeichen des Kreuzes, Rainer Erler und Co.).


    Hier nochmal der Link: Ich empfehle manuell auf FullHD zu schalten, die Mediathek ist da gerne sparsam unterwegs.


    Fernsehfilm : Das Millionenspiel | Mediensatire | ARD Mediathek
    Das Millionenspiel | Mediensatire | Video | Spielfilm Deutschland 1970 +++ Die kommerziellen Fernsehanstalten der Zukunft überbieten sich mit sensationellen…
    www.ardmediathek.de


    (Und als Randnotiz: Die 12 Geschworenen ist vermutlich der einzige Fall, in dem ich die Fernsehversion tatsächlich lieber mag als die Kinoversion. Nicht nur, weil der Cast komplett aus Leuten besteht, die ich seinerzeit kannte und liebte, sondern ich finde auch Lemmons Nummer 8 immer sehr viel anrührender und bewegender als Fondas, den ich sehr viel unterkühlter fand, und merke wieder, wie sehr die Geschichte für mich damit steht und fällt, wie sympathisch ich Nummer 8 finde. Leider konnte ich das Stück bisher noch nirgendwo auf der Bühne sehen ...)

    Guck mal die Erstverfilmung fürs Fernsehen, in guter Qualität auf Youtube zu finden. Ich finde Henry Fonda absolut großartig und kann mich mit seiner Art besser identifizieren als mit Jack Lemmon, aber Robert Cummings ist für mich perfekt in der Rolle

    Kennst du eine Quelle, wo man sich den Film im Original ansehen kann ?? Ich freue mich schon auf den nächsten Film.

    Meintest Du jetzt Cartouche oder Glengarry Glen Ross? Beide gibt es als deutsche BluRay, Glengarry ist bei Freevee auch im Original zu sehen (leider ohne UT, die hat nur die BluRay).


    Huutini und Herbert Klar merkt man dem Film seine Theaterprovenienz an, die Einheit von Ort und Zeit wird eingehalten, dramaturgisch nur sehr wenig an der Vorlage geändert, es handelt sich vorrangig um ein Kammerspiel mit hervorragenden Darstellern. Aber das sind "Die 12 Geschworenen" ja auch, und trotzdem sind beide fantastische Filme, die mit Einstellungsgrößen, Kameraarbeit, Schnitt und realistischem Setting einiges aus den Performances rausholen, was so auf einer Theaterbühne gar nicht möglich gewesen wäre (Jack Lemmon etwa ist absolut brillant, selbst wenn er nur im hintersten Winkel zu sehen ist, schafft er es die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf sich zu ziehen, so dass man irgendwann versteht, dass er das heimliche Zentrum des Films ist). Da das Theaterstück seinerzeit den Pulitzerpreis gewonnen hat, ist das auch nachvollziehbar, man wollte mit dem Film so etwas wie eine ultimative "Aufführung" erzeugen. Was ich aber am bemerkenswertesten finde: Die von Huutini gezeigte Szene mit Alec Baldwin (und seine ganze Rolle) ist im Theaterstück gar nicht drin. Also der Teil, der vom ganzen Film am berühmtesten geworden ist, ist neu für den Film hinzugetextet worden, und gibt der ganzen Story eine ganz andere (in meinen Augen weitaus humanere) Dimension, denn jetzt wird die extrinsische Motivation der Figuren viel deutlicher als zuvor.


    Man darf übrigens nicht vergessen, dass Alec Baldwin 1992 als Schönling und unbegabter Schauspieler galt, weshalb er sich nach "Jagd auf roter Oktober" erstmal aus Hollywood verabschiedete und stattdessen Karriere am Broadway machte. Da war es damals zumindest besonders bemerkenswert, mit welcher Kraft er hier diese Szene inmitten von großen Theater- und Filmschauspielern spielte.


    Und noch ein kleiner Kommentar für die die es noch gucken: Versucht mal auf die komischen Momente zu achten. Mamet hat sein Stück immer eine Tragikomödie genannt, je öfter ich ihn sehe (und je älter ich dabei werde), desto mehr bin ich geneigt ihm rechtzugeben, und nicht der Einordnung von Amazon unter dem Label "düster" und "hoffnungslos".

    Für den Film musste der WDR eine ganze Reihe an Rechtsstreits abhandeln, um ihn 30 Jahre später wieder zeigen zu dürfen. Da war von Streaming noch keine Rede, ich fürchte daher eher, dass der nicht im Streaming landet. Ansonsten supergerne, der ist toll. Und Didi der Killer eine Schau.

    Erstmal vielen herzlichen Dank an alle, die das Ganze mitgemacht haben, und gerade auch denen, die nach 5 Minuten aufgegeben haben und trotzdem etwas dazu geschrieben haben - ich fand das alles unfassbar spannend zu lesen :) . Für mich ist es ja "normal", auch ältere Filme zu gucken, aber ich kenne diesen inneren Widerstand, sich auf Filme aus einer anderen Zeit oder einem anderen Land einzulassen, natürlich auch. Ich möchte auf Eure Hinweise und Gedanken im Folgenden ein wenig eingehen und sie vielleicht nochmal kurz historisch ein wenig einrahmen - was in keiner Weise heißt, dass sie falsch wären. Mir geht es darum, vielleicht an ein paar Stellen aufzeigen zu können, warum der Film diese Irritationen ausgelöst hat.


    Erste Beobachtung: "Unterhaltungskino" ist immer das, was am schlechtesten altert. Gaaaanz wenige Filme, die 1963 erfolgreich an den Kinokassen waren, sind Filme, die man heute einem Publikum noch zumuten kann. Das galt schon vor 25 Jahren, als ich durchaus filminteressierten Studierenden mal die Karl-May- und Edgar-Wallace-Filme zugemutet habe, und einiges an Irritation und Verwunderung geerntet habe, und das gilt jetzt, nochmal deutlich später, natürlich umso mehr. Ich will das gar nicht als "Fortschritt" verstehen und glaube wie martinkaizer , dass es in 30 Jahren dem Publikum mit heutigen Erfolgsfilmen nicht anders ergehen wird. Eine der faszinierenden Dinge an Medien wie Film ist für mich zu sehen, was dauerhafte Popularität erringen kann - Cartouche kann man wohl bei diesem Gedanken heute getrost durchstreichen. Das war mir, als wir den Film ausgesucht haben, so auch nicht klar (sonst hätte ich etwas massenkommensurableres ausgesucht, um den "Filmclub" nicht gleich mit einem schwierigen ersten Film zu belasten). Als ich den Film dann selbst gesehen habe, habe ich mich auch gefragt, ob der wohl gut bei Euch ankommt - dass er es überwiegend nicht tat, tut mir leid, und gibt ARTE und Konsorten ja recht damit, das schon eher im Nischenprogramm unter "Filmkunst" auszustrahlen. Ich glaube, dass einer der späteren Belmondos, die im damaligen "Hier und Jetzt" spielen, wie Abenteuer in Rio, wahrscheinlich besser funktioniert hätten, wobei die Art des französischen Klamauks (die ja auch die de Funes-Filme prägt) dort nicht viel anders ist. Überhaupt ist Komödie wohl eines der für den Zeitgeist empfindlichsten Genres, da gibt es nur wenige Ausnahmen, die den Zahn der Zeit besiegen können (Feuerzangenbowle etwa, wobei da die Patina Teil des Reizes ist).


    Zweite Beobachtung: Interessant fand ich, wie oft dem Genre-Mix hier die "Schuld" am Missfallen gegeben wurde. Tatsächlich konstatieren viele Filmhistoriker gerne, dass das Vermischen von Genres eine Entwicklung der letzten 30-40 Jahre sei - ich halte es hingegen für ein Grundprinzip des Mediums Film. Hier sieht man aber auch sehr schön, dass dieser Mix zum damaligen Publikum, das noch viel eher an Unhappy Endings gewöhnt war, viel besser passte als zum heutigen Publikum. Dass der Film in der Mitte diesen radikalen Bruch zum ernsteren Liebesdrama nimmt, ist tatsächlich so für mich heute auch nur schwer vorstellbar. Ich denke, dabei ist aber auch zu sehen, in welchem filmhistorischen Kontext der Film gedreht wurde: Eines der Lieblingssujets des französischen Films ist die Französische Revolution, die Zeit davor und danach. Hier spielt der Film also in einer Zeit, die dem französischen Publikum bereits wohlvertraut ist, und was wir als Klamauk wahrnehmen, ist ein Spiel mit den Darstellungsweisen anderer Filme, mit ihren Ideen und Tropen. Tatsächlich ist Cartouche da gar nicht so weit weg von den Filmemachern der Nouvelle Vague, die ab Ende der 1950er Jahre das Historienkino ablehnten, den jungen und zeitgemäßen Film forderten und bei denen Belmondo einer der zentralen Hauptfiguren war. Cartouche ist, wenn man so will, auch ein Culture Clash, wo der Unernst und die Ablehnung der Nouvelle Vague, das Jungenhafte und Rebellische dieser Filmbewegung, in der Gestalt von Belmondo auf den etablierten Historienfilm trifft und sich darüber lustig macht. Aus dieser Perspektive sind viele der klamaukigeren Szenen für mich besser verständlich, hier wird quasi nicht mit der Zeit abgerechnet, sondern mit der stereotypen Darstellung dieser Zeit in früheren Historienfilmen.


    Kleiner Hinweis nochmal zur Synchronisation: Die war für mich insoweit bemerkenswert, weil hier - wie auch schon kommentiert wurde - die flapsige Art der 1970er schon z.T. vorweggenommen wird. Rainer Brandt war erst in den frühen 1970er Jahren tätig, der Film aber geht tatsächlich schon ein wenig in die Richtung einer freieren Bearbeitung, wo dann auch die verwendete Sprache ziemlich hart mit der dargestellten Zeit kontrastiert. Das allerdings ist in der französischen Fassung bereits genauso, Belmondo spielt hier auch sehr stark gegen die Sprache des Historienfilms an - der Film richtete sich offenkundig durchaus auch an ein jüngeres Publikum.


    Dritte Beobachtung: Das Ende ist aus heutiger Sicht komplett ungewohnt, auch für mich. Es scheint kaum mit den irreverrenten Tonfall der ersten Filmhälfte zu versöhnen, und es fiele mir schwer, einen Film der letzten Jahre zu benennen, der am Ende derart in Richtung Tragik kippt (wie überhaupt ja das Unhappy Ending in Hollywood und Co. komplett in Ungnade gefallen ist, wenn man es nicht gerade mit einem Horrorfilm zu tun hat). Für das Publikum der 1960er Jahre war es noch viel normaler, einen Film mit unglücklichem Ausgang zu sehen - gerade im europäischen Kino war das noch Gang und Gäbe, und so mancher Hollywoodfilm wurde z.B. in den 1930er Jahren noch in einer Exportfassung für Europa so umgeschnitten, dass es für Greta Garbo böse endete. Aus dieser Perspektive ist vielleicht verständlich, dass der dem Tod ins Auge blickende "Held" fast heroischer wirkt als einer, der das Geschehen weiterhin unversehrt überblickt. Und ich denke auch, dass sein Versuch, neben Cardinale eine zweite Frau für sich zu gewinnen, auch im Rahmen der Filmhandlung als Charakterschwäche aus Übermut dargestellt wird (was mich da mehr bewegt hat, war, wie man die fantastische Cardinale auch nur 5 Minuten aus den Augen lassen kann, aber das bin nur ich). Tatsächlich leidet der FIlm da sehr an der farblosen Darstellerin, der man diese Art der Attraktivität schlicht auch nicht zutraut (während Cardinale den Film stellenweise an sich reißt und zu ihrem macht).


    Tja, dann die Frage nach der Botschaft: Ich glaube nicht, dass es da eine gibt, oder eine geben muss. Eher ein ideelles Programm: Die Steifheit aus dem Historienfilm zu nehmen, sich über ihn und die Obrigkeit lustig zu machen, ein altgedientes Genre frisch und jung darzustellen (zumindest was damals als "frisch und jung" verstanden wurde).


    Noch zwei Einzelrückmeldungen:


    PalioDeMonte Mein Name ist Nobody ist tatsächlich ein ganz anderes Kaliber, was unter anderem daran liegt, dass er streckenweise wie ein total ernster Western inszeniert ist, und die Einsprengsel mit Terrence Hill ja nachträglich in das bestehende Drehbuch eingebaut wurden (übrigens vom Produzenten Sergio Leone selbst, der ein wenig beleidigt über den Erfolg der Spencer/Hill-Filme war und nun sein Stück vom Kuchen wollte). Anders als man vielleicht denken würde, war Valeriis Tonfall Leone viel zu ernst, und er selbst hat die berühmte Duellszene im Saloon (die mit den Ohrfeigen, die dann noch hundertmal in anderen Hill-Filmen kopiert wurde) gedreht, um den FIlm zum Komödienerfolg umzutrimmen, der vorher ein Nostalgietrip und Abgesang auf den Western war. Tatsächlich denke ich, dass man von allen Hill-Filmen "Mein Name ist Nobody" heute noch am ehesten wiederaufführen könnte, und das auch ohne den Nostalgie-Bonus der Spencer-Hill-Filme.


    Claeuschen Du denkst an "Musketier mit Hieb und Stich" aka "Der Teufelskerl", der 8 Jahre später entstand und die Zeit nach der französischen Revolution behandelt (Achtung, den Titel "Der Teufelskerl" tragen gleich zwei Belmondofilme, so auch Il Magnifique).


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    Den vielen Rückmeldungen entnehme ich, dass eine Fortsetzung gewünscht ist. Finde ich toll, bin aber auch etwas unsicher wie weitermachen. Soll ich wieder Vorschläge machen, oder will das jemand anders übernehmen? Und wollen wir uns auf frei zugängliche Quellen beschränken oder auch Prime/Netflix reinnehmen? Damit es nicht abbricht, mache ich jetzt nochmal einen Vorschlag für den nächsten Film, lese aber auch gerne Eure Ideen dazu wie wir das in Zukunft entscheiden sollen.


    Also, mein Vorschlag für die nächste Woche wäre ein Film, der 29 Jahre nach Cartouche entstand und somit jetzt auch schon wieder 32 Jahre alt ist: Glengarry Glen Ross, ein Drama über Immobilienverkäufer unter Verkaufszwang - und ja, ich weiß, das klingt auf den ersten Blick mega-langweilig. Ist es aber wirklich nicht. Aktuell ist das der bestbewertete Film, den man auf Amazon Freevee kostenlos (mit Werbung) sehen kann, und er bietet mit Alec Baldwin, Al Pacino, Ed Harris, Kevin Spacey, Alan Arkin, Jonathan Pryce und natürlich Jack Lemmon ein Knallerensemble. Seine Kritik an Turbokapitalismus und Neoliberalismus ist immer noch relevant, die Dialoge sind vom wohl besten Drehbuchautor seiner Zeit, David Mamet. Glengarry Glen Ross ist für mich einer der besten Filme, die nie jemand gesehen hat (mit wenigen Ausnahmen), und der auch heute noch weitgehend unbekannt ist. Aber wie gesagt, wenn wir den Film sofort anders bestimmen wollen, habe ich damit auch gar kein Problem.

    Das verstehe ich nicht. Wenn ich auf den Link oben im Startbeitrag klicke, lande ich bei einer deutsch synchronisierten Version ...

    Ich vermute, es geht um die "Qualität" der Synchro. Arte stellt ihn diesmal leider nur deutsch oder im Original mit französischen UT zur Verfügung.


    Ich hab ihn jetzt auch gesehen, mein Fazit fällt etwas positiver aus als das von Herbert , aber Probleme hatte ich auch, Ich konzentriere mich aber erstmal auf die bereits genannten Punkte:

    1. Geschwindigkeit: Meine Güte, ist der Film schnell erzählt. Ich kenne wenig Filme der gleichen Zeit, die ihren Plot zumindest in der ersten Stunde derart rasend vorantreiben. Anders als Herbert empfand ich das als eine der Stärken des Films, in dieser Hinsicht funktioniert der fast schon nach heutigen Maßstäben, da ist ja keine Minute Pause oder Stillstand drin, alles bewegt sich, Cartouche verändert laufend seine Position, seine Rolle, sein Millieu, vom Dieb zum Militär zum Bandenführer. In der Geschichte ist ein irrsinniger Drive, und dadurch dass das prärevolutionäre Frankreich dem Publikum als Setting so vertraut ist, hält sich der Film auch hiermit nicht lange auf und klärt schon früh die Fronten von Gut und Böse.


    2. Charakterisierung: Dies ist definitiv ein Opfer dieser Geschwindigkeit. Der Film poltert drauflos, Cartouche durchläuft erst im letzten Drittel eine Wandlung, davor haben wir den lovable rogue durch und durch, den Belmondo schon in Außer Atem präsentiert hat. Tatsächlich hat die erste Filmhälfte viel von einer Satire, fast schon einer Parodie auf vergleichbare Historienfilme, und entsprechend sind die Figuren überwiegend aus Pappmaché gefertigt. Das ändert sich, wenn die Geschichte ruhiger und zugleich dramatischer wird, dann konzentriert sich der Film aber nur noch auf 2-3 Figuren.


    3. Synchro: Jupp, Belmondos deutsche Stimme ist harter Tobak. Für die Zeit ist das unglaublich schnodderig synchronisiert, was aber auch Bebels Oton durchaus entspricht, der hier sehr ahistorisch agiert und spricht (und auch darin an Außer Atem erinnert). Der französische Ton wird hier sehr gut getroffen, auch in seinen Zu- und Überspitzungen der Adeligen. Trotzdem klingt das schon sehr ungewöhnlich für 1963 (und auch für heute). Das ging mir gestern mit Morituri und Harald Juhnke auf Marlon Brando aber ebenso, der ihn als Schnösel par Excellance spricht.


    4. Farbe: Puh, wenn "L'immagine Ritrovata" im Vorspann steht, weiß man, dass man es mit sehr eigenwilligen Entscheidungen bei der Farbgebung zu tun bekommt. Ich hab zum Vergleich meine BluRay aus dem Schrank geholt, an der offenbar noch etwas geschraubt wurde im Vergleich zur Arte-Fassung. Die Arte-Fassung ist wie schon die letzten Leone-Veröffentlichungen stark gelb-grünstichig, was durchaus dem damaligen Filmgeschmack entsprechen kann, aus heutiger Sicht aber wie eine dicke Schicht Patina aussieht. Auf der BluRay sind die Farben natürlicher und kräftiger. Alles kein Beinbruch und so richtig fällt es nach ein paar Minuten auch nicht mehr auf, aber ich wüsste wirklich gern, was näher am Look damaliger Filmkopien dran ist.


    5. Das Ende: Wow, da war ich dann wirklich überrascht, weil ich mich daran überhaupt nicht mehr erinnern konnte. Aber dazu später mehr, wenn noch andere was geschrieben haben.

    Die "Verwechslung" ist aber auch deshalb lustig, weil ein Jahr später unter dem Titel "Der Rächer mit dem Degen" aka "Das Geheimnis des Scaramouche" ein ziemlich dreistes Ripoff von Cartouche gedreht wurde, eine dezidiert preiswertere Produktion, die aber den gleichen Tonfall anstrebt und ziemlich beschwingt-derb daherkommt.


    Und um noch ein paar Trivia zu streuen: Der Stewart-Granger-Scaramouche war nicht nur der Film mit der wohl längsten Fechtszene der Filmgeschichte, sondern auch in Deutschland 1952/53 ein unerwartet großer Hit, und führte noch 10 Jahre später dazu, dass Horst Wendtlandt die Rolle des Old Surehand mit ihm besetzte. Die dieser dazu nutzte, um sich konstant über die in seinen Augen amateurhaften Drehbedingungen in Jugoslawien und den mit starkem Akzent spielenden Pierre Brice aufzuregen.

    Den habe ich das letzte Mal gesehen, als ich etwa 10 war, denke ich. Damals fand ich den toll, ist aber ne ziemliche Weile her ;) Mal gucken, ob ich da die Woche über zu komme.

    Dann werden Dir wie mir ca. 16 Minuten des Films unbekannt vorkommen - die alte deutsche Kinofassung dauerte nur 100 Minuten, erst 2006 hat das ZDF die damals fehlenden Szenen wieder eingefügt und nachsynchronisiert (die DDR-Synchro war hingegen fast vollständig). Immerhin konnte man dabei noch auf die alte Stimme von Belmondo zurückgreifen, hören wird man das wohl trotzdem.

    Im "Tipps fürs Heimkino"-Thread entstand die Idee, jede Woche einen "Film der Woche" vorzuschlagen, der möglichst allen zur Verfügung steht und über den man sich dann hier gemeinsam austauschen kann - quasi wie ein kleiner virtueller Filmclub. Zum Start schlage ich einen herrlichen Abenteuerfilm von 1962 mit Jean-Paul Belmondo in der Hautprolle vor:


    Der Film ist noch bis zum 06.04. zu finden in der Mediathek von

    ARTE.

    Übrigens bloß nicht von ARTE als Quelle irritieren lassen, es handelt sich um einen reinrassigen Unterhaltungsfilm auf den Spuren Robin Hoods, der 1962 in Frankreich zum erfolgreichsten Hit des Jahres reüssierte und auch in Deutschland ordentlich Kasse machte. 1962 waren es nicht US-Hollywoodfilme, die die deutschen Kinocharts anführten, sondern - und das gilt bis weit in die 1970er Jahre - gerade die großen italienisch-französischen Koproduktionen, die die meisten Zuschauer:innen in die Kinos lockten.

    Entsprechend war es ausgerechnet der überaus farbenfrohe Cartouche, der 1967 nach dem berühmten Knopfdruck von Willy Brandt um 14:30 Uhr in ARD und ZDF zeitgleich das deutsche Farbfernsehen eröffnete (und in den Folgewochen als "Testfilm" solange wiederholt wurde, dass er wohl das früheste Beispiel einer Endloswiederholung ist). Für Belmondo war Cartouche der endgültige Durchbruch zum Massenliebling, und eine wichtige Rolle, denn sie ebnete seinen Weg ins komödiantische Actionfach, in dem er in den nächsten Jahren seine größten Erfolge feiern sollte. Für Claudia Cardinale hingegen war es die erste große Hauptrolle, und auch sie machte der Film zum Star und zu einer der großen Diven der 1960er.


    Ich bin mal gespannt, wie der Film Euch so gefällt. Ich selbst habe ihn locker 30 Jahre nicht mehr gesehen und freue mich auf ein Wiedersehen - an viel erinnere ich mich nicht mehr.


    Für das weitere Vorgehen: Jede/r darf hier schreiben wie er/sie will. Wer nach dem ersten Beitrag weiterliest muss damit leben wenn er/sie gespoilert wird. Die Mediathek-Verfügbarkeit gibt diesmal ja einen recht knappen Zeitrahmen (bis Samstag) vor. Bewerten darf jede/r wenn und wie er/sie will, mir ginge es aber auch und gerade um allgemeine Gedanken zum Film, Dinge die Euch auffallen, interessante Details, alles was halt in irgendeiner Weise bemerkenswert erscheint.


    Wenn niemand was schreibt schläft dieser Thread einfach ein, ansonsten gucken wir mal, wie wir uns für die kommende Woche einen neuen Film aussuchen.