Beiträge von Biberle im Thema „Frosted Games: Änderungen im Vertrieb“

    Das ist mir schon klar. Soll jetzt auch nicht drum gehen, sich ausgerechnet Milan rauszupicken (auch wenn ich glaube, dass bei seiner ellenlangen Sale-Liste schon auch etliche "eigenmächtige" Rabattierungen dabei sind).

    Aber die Branche bewegt sich tatsächlich immer schneller in eine Spirale, wo zumindest online die UvPs auf breiter Front nur noch wie Fantasiepreis wirken. Und dann kommst du zu einem stationären Fachhändler, der ein schönes Lädchen hat, kundig ist, viel macht, den Servicegedanken großschreibt und wunderst dich, warum der für ein Darwin's Journey tatsächlich spinnerte 60 Euro haben will, wo es doch im Netz mit ein bisschen Glück hier und dem ein oder anderen Gutschein da schon für unter 40 Euro zu haben ist.

    Viele hier hätten gerne beides (ich ja durchaus auch ;-)) - Online-Discountpreise einerseits und den stationären Fachhandel andererseits, der der Brettspielszene irgendwo ja auch "vor Ort" ein Gesicht gibt. Aber das ist halt letztendlich zunehmend ein Quadratur des Kreises, das muss man einsehen. Und auch wenn es bei Frosted vornehmlich um das Umgehen des Großhandels geht, so wird dadurch halt auch ein wenig gegengelenkt.

    Prinzipiell würde es mich wundern, wenn für Brettspiele etwas anderes gilt als anderswo in der freien Wirtschaft... je höher die möglichen Rabatte umso größer die Wahrscheinlichkeit, dass die UVP einfach nur überteuert ist und nicht den eigentlichen Wert widerspiegelt.

    Das ist mMn Unsinn. In vielen Branchen (ganz schlimm: PC-Hardware) kannst du einfach davon ausgehen, dass im Online-Discounter-Handel die günstigsten Verkaufspreise pro Artikel *sehr* nah am Händlereinkaufspreis sind. Gründe dafür gibt es viele - Mischkalkulation, verzweifeltes gegen-die-Konkurrenz-bestehen-wollen etc. Da gibt es dann immer wieder Händler, die den Preisspiegel verwässern/verfälschen, beim Kunden einen irrigen "warum ist das bei den anderen so unnötig übertrieben teuer?"-Eindruck hinterlassen und selbst mangels Gewinn nach einem Jahr wieder weg vom Fenster sind.

    Wenn ein Hersteller einen UvP vernünftig ansetzt, ist das einfach die mögliche Marge, die man dem Händler angedenkt. Und die der Händler braucht, um vernünftig davon leben zu können. Nicht wenige Läden im stationären Bereich verkaufen ja auch stumpf nach UvP. Und Frosted will jetzt bei seinen Produkten eben dahin, dass da möglichst viel zum oder zumindest nahe am UvP verkauft wird. das ist nix ehrenrühriges, ganz im Gegenteil.

    Von daher fand ich auch die Postings von Milan-Spiele, so gerne ich den Händler auch mag, etwas zwiespältig. Denn das ist gefühlt für mich der Händler, der diesen "Die Hälfte aller Brettspiele ist eh Ramschware"-Eindruck entscheidend mit prägt, so schön diese permanenten Schnäppchen dort kurzfristig für den Kunden auch sein mögen.

    noch 200 weitere Neuheiten, die, ehrlich gesagt, kein Mensch braucht.

    Auch wenn du es danach selbst noch relativierst, ist das eine ziemlich anmaßende Aussage.

    Zumal du, wenn es darum ginge, welche der Spiele denn nun top sind und welche kein Mensch braucht, das selbst definitiv nicht objektiv entscheiden könntest. Geht gar nicht. Da würde dann trotzdem dein Geschmack und deine persönlichen Vorlieben reinspielen.

    Und genau darum geht es doch. Die Geschmäcker im Brettspielmarkt sind so vielfältig, dass da locker erst mal Platz für eben diese 200 Spiele ist. Mechanisch sind die allermeisten inzwischen (mindestens) grundsolide, Artwork und Illustration sind insgesamt auf einem Niveau wie nie zuvor. Die Basics stimmen also grundsätzlich. Und dann ist es doch schön, dass man bei Genre, Kernmechanismen, Grundthema, Ausrichtung, Komplexität etc. diese vielfältige Auswahl hat. Eine Brettspielwelt, in der es nur noch die Top 50 bei BGG gäbe, wäre eine ziemlich traurige, so exzellent man qualitativ vielleicht auch bedient wäre.

    Sicher trägt der Markt keine 250 *kommerziell erfolgreiche* Neuerscheinungen pro Jahr. Aber die Zauberformel für ein erfolgreiches Produkt hat nach wie vor keiner gefunden. Zumindest für den Käufer meiner Meinung nach und zum Glück! Sicher sieht das auf Verlagsseite etwas anders aus. DEshalb probiert man es ja immer wieder, vielleicht auch zu oft und bringt sich damit selbst evtl. in die Bredouille. Aber alles auf die eine Karte pro Jahr zu setzen, ist unter Umständen noch viel riskanter.


    Ich drücke Frosted Games die Daumen, dass sie unter den Top-Titeln der nächsten Jahrgänge oft vertreten sind, so wie sie das mit Aeons End und Endless Winter schon geschafft haben. Dann (und IMHO auch nur dann!) gehen die Änderungen beim Vertrieb auf.

    Geht jetzt eher in Richtung Binsenweisheit. Jeder Verlag, bei dem nicht gerade der Gründer selbst alles nebenberuflich im heimischen Wohnzimmer macht, braucht immer mal wieder Titel, die richtig gut weggehen. Oder sich zumindest regelmäßig so gut verkaufen wie vorher kalkuliert.

    Ich würde mich nicht wundern, wenn die Vertriebsstruktur deshalb sogar eher daher geändert wurde, um auch bei kleineren Stückzahlen alles besser im Griff zu haben und nicht so schnell am Abgrund zu wandeln. Klar ist's geil, wenn dir ein Großhändler 2.000 Stück auf einmal abnimmt. Wenn der besagte Großhändler dann aber selbst auf 1.500 davon sitzenbleibt, kann das schnell zum Bumerang werden.

    Aber ein weiteres "Problem" was Brettspiele haben, ist dass sie eigentlich keiner geplanten Obsoleszenz unterliegen und damit jedes Spiel mit den bestehenden in Konkurenz steht. Es wird viel schwieriger für ein Spiel, auf dem Markt zu überleben, der zudem schon sehr gesättigt ist.

    ...was auch durchaus schon Auswirkungen hat: die vermehrten Neuauflagen von altgedienten Klassikern kommen ja nicht von ungefähr. Allerdings verschärfen sie in der Form die angesprochene Problematik eher noch.

    Verkaufstechnisch ist diese Obsoleszenz halt leider schon da, was gerade bei Brettspielen teilweise ziemlich irrational wirkt. Bei den Videospielen hast du diesen Effekt ja noch viel extremer...

    Das immer schnellebigere in der Brettspielwelt ist aber auch etwas, zu dem die Verlage mMn selbst maßgeblich beitragen. Und das dann wiederum auf das Käuferverhalten schieben. Da hätten sie ein tolles Portfolio und bilden das auf der Webseite z.B. auch entsprechend ab. Aber kauftechnisch halbwegs normal ran kommt man dann oft nur noch an die Spiele der letzten zwei, maximal drei Jahre. Mir schon klar, dass das eine komplexe Problematik aus Produktionsruns, Lageraufwand etc. ist. Aber dennoch... ich hätte zum Beispiel ganz gerne die Möglichkeit, an diverse "Standards" der 2010er problemlos fabrikneu ranzukommen. Aber so einfach ist das oft nicht.

    Ich kann das betriebswirtschaftlich von außen schlecht beurteilen, aber vielleicht täte dennoch den Publishern ein etwas "statischeres" Programm ganz gut. Unterhalb vom Experten-/gehobenen Kennerbereich weiß das Zielpublikum weder, ob ein Spiel nun von 2023 oder 2016 ist, noch interessiert es sie groß.

    Ich glaube dir gerne, dass das bei Brettspielen stimmt. Die Annahme von meeple ist trotzdem nicht abwegig. Ich weiß, dass das bei Kleidung und Schuhen genau so gemacht wird. Der Großteil von dem, was in Outlet Centern hängt ist so kalkuliert: ich will Schuh XY für 129€ verkaufen und erwarte dafür 15000 Interessenten. Unter diesen Bedingungen kann ich ihn für 30€ pro Stück produzieren. Wenn ich die Produktionsmenge verdoppele, kostet mich ein Schuh vielleicht nur noch 20€. Und die zweite Hälfte an Interessenten schaffe ich nun darüber, dass ich den Schuh im Outlet für 129€ JETZT NUR NOCH 69€!!! verkaufe.

    Nein.

    Auch hier gibt es natürlich wieder viele Varianten; auch abhängig davon, wie der Hersteller selbst das so sieht. Aber meistens sieht er es so, dass die Produktionsauflage möglichst schnell wieder raus, also durchverkauft werden soll. ;)

    Das mit der "Auflage" ist zwar ein typischer Verlagsbegriff, aber in vielen Bereichen, gerade beim Hobby, wird in einzelnen Auflagen und nicht dauerhaft produziert. Da ist dann die Schuh-Massenware ein ziemlich hinkender Vergleich.

    Gerade bei kleineren Auflagen kann dann jedes überproduzierte, also erst mal nicht abgesetzte, Exemplar tödlich sein. Bis zu einem gewissen Grad lässt es sich gar nicht vermeiden, weil du natürlich eine gewisse Stückzahl brauchst, um in allen relevanten Verkaufskanälen überhaupt "sichtbar" zu sein. Klar mag man mit - mal rein fiktiv - einer 200er-Auflage sicher gehen können, dass man die garantiert loswird; potenziell zumindest. Wenn aber diese sehr wenigen 200 Exemplare dermaßen im Handel versickern, dass selbst die potenzielle sehr kleine Zielgruppe da erst gar nicht rankommt, ist das kommerzieller Selbstmord. Aber umgekehrt macht es halt auch null Sinn, 5000 Exemplare extra zu produzieren, wenn ich sicher sein kann, diese auf absehbare Zeit nicht absetzen zu können. Da sind die verbilligten Produktionskosten dann auch schon komplett zu vernachlässigen.

    Hier in der Gegend hat z.B. s.Oliver seinen Hauptsitz. Und 100 Meter neben meiner DHL-Stützpunkt-Arbeitsstelle haben sie ein riesiges neues Zentrallager gebaut. Was da an Retouren Tag für Tag reinkommt... aber du glaubst doch nicht ernsthaft, dass die absichtlich massivst überproduzieren, nur um damit billigst das eigene Outlet-Center bestücken zu können?