Beiträge von Prodigy1971 im Thema „Persönlicher Erfahrungsbericht zum Thema Crowdfunding“

    Die fällt im Ergebnis anders aus als Deine, weil meine Beobachtungen zwar ähnlich sind, ich sie aber anders bewerte.

    Das ist natürlich eine andere Herangehensweise an das Thema. Mir ging es um das Projekt an sich, nicht um die Spiele. Die Spiele, die ich unterstützt habe, die habe ich auch alle erhalten und die sind alle noch in meiner Sammlung. Ich war mit jedem davon mehr oder wenig happy. Einige davon sind sogar in meiner Topliste. Würde ich nicht mehr abgeben und die würde ich heute sofort nochmal unterstützen.


    Ich habe nur das Gesamterlebnis des Crowdfundings bewertet und für mich entschieden, das nur noch in absoluten Ausnahmefällen zu tun. Zumal ich mich vorab sehr gut über die Spiele informiert habe und es auch oft einfach nur deutsche Versionen von bereits erfolgreichen englischen Spielen waren oder Spiele von sehr nahmhaften Verlagen oder nur neue Auflagen mit Erweiterungen etc.. Da hats ich dann am meisten gestört, dass man den Weg über CF gegangen ist.


    Aber das wurde auch bereits thematisiert. Dass manche Kampagnen in wenigen Minuten erwartungsgemäß finanziert wurden und dann 2000% und mehr erreicht haben. Das sind für mich keine CF Kandidaten.


    Die meisten Kampagnen, die ich unterstützt habe, hatten auch einen unglaublich professionellen Auftritt. Also in der Kampagne selbst. Da hat das Marketing gut funktioniert. Prototypen wurden bekannten Influencern für Videos übergeben, die Anleitungen waren bereits nahezu fertig, es gab Lets Plays und so weiter, da habe ich nie die Katze im Sack gekauft.


    Aber anders als Du, finde ich es nicht prickelnd mich überraschen zu lassen, wann das Spiel dann wirklich ankommt. Ich stehe auf Fixtermine und deren Einhaltung. Zumindest annähernd.

    Großes Aber: WENN Crowdfunding richtig verwendet wird, dann ist die Beschwerde über "verspätet!" eigentlich ziemlich merkwürdig. Richtiges Crowdfunding ist für mich eigentlich auch für Spiele, die noch entwickelt werden müssen, gerade bei Indieentwicklern. Und das ist nicht so einfach planbar. Das kann durchaus wesentlich länger dauern als gewünscht. Wenn man wirklich auf den Monat genau das Spiel haben will, dann sollte man imo nicht crowdfunden. Dann bestellt man vor, wenn es in den Handel kommt oder kauft auf dem Gebrauchtsmarkt.

    Da sind wir anderer Meinung. Ein Erstlingsprojekt oder eine One-Man-Show... vielleicht. Aber wenn man sich meine Stats anschaut, dann sieht man, dass die Schmiede zu 80% total daneben liegt. Teilweise um bis zu 2 Jahre... nicht einen Monat.


    Da sitzt auch keine Einzelperson. Was passiert mit der Erfahrung der letzten Jahre? Lernt man dort nix? Ich meine die müssten sowohl in der Planung, als auch der Realisierung so viel Erfahrung haben, dass man sich da nicht konstant um Monate oder Jahre "verschätzen" sollte.


    Ich denke, das ist einfach nur Marketing. Zu behaupten, man kann das in wenigen Monaten umsetzen. Wie gesagt, ich würde nie ein CF Projekt unterstützen, bei dem schon am Anfang 3 Jahre dransteht. Meine absolute Schmerzgrenze ist 1 Jahr.


    Ich selbst bin Projektmanager in meiner Firma. Ich mache genau das... Projekte von A-Z planen. Wirklich von der Anfrage, Kalkulation, Angebot, Auftrag, Bestätigung, Materialbesorgung, Arbeitsplan für die Produktion, Qualitätskontrolle bis zum Versand. Danach Kundenbetreuung und Reklamationen etc. bearbeiten. Was ich nicht mache sind nur die Rechnungen zu stellen.


    Und das von Miniprojekten bis zu 10.000er Mengen. Alles eine Sache der Erfahrung und meine Schätzungen sind mittlerweile punktgenau. Da gehen keine 10% daneben... und das auch nur leicht. Konnte jetzt bei der Schmiede noch nicht hinter die Kulissen schauen, aber das kann nicht so arg abweichen.

    Ich habe ca. 2017 das Hobby Brettspiele "wiederentdeckt". Da hatte ich natürlich schon die typischen Spiele im Schrank stehen. Kniffel, Monopoly, Dominion, Carcassonne, Wizard und so weiter... vielleicht 30-40 Spiele. Dann kam spontan Agricola dazu und danach Klong und Räuber der Nordsee. Die haben dann die Erkenntnis hervorgerufen, dass Brettspiele mehr sind als Monopoly. Das wäre aber ein anderes Thema.


    Dann kam vor etwas über 5 Jahren "Crowdfunding" dazu. Hatte ich noch nie was von gehört. Spieleschmiede, Kickstarter, Gamefound. 2018 mit Champions of Midgard gings los. Fands erst befremdlich, Geld vorzuschießen und dann zu hoffen, dass man am Ende sein Produkt auch bekommt... aber man riskiert ja "nur" Geld.


    Im Vergleich zu vielen hier, werden die Projekte der letzten 5 Jahre vermutlich eher mager wirken, aber es ist für mich Zeit das Thema aufzuarbeiten.


    Die Statistiken packe ich mal in den Spoiler. Habe alle Projekte aufgeführt und jeweils das Datum der geplanten Auslieferung dem Datum der tatsächlichen Auslieferung gegenübergestellt.


    Zusammenfassend kann man sagen, ich hattte noch KEIN Kickstarter Projekt, das pünktlich war, auch bei Gamefound nicht. Bei der Schmiede gab es pünktliche Lieferungen und sogar verfrühte Termine.


    Der Spitzenreiter ist Kingdom Rush. Schon 2 Jahre überfällig. Ich hoffe, das kommt noch. Und bei Kickstarter ist es Space Kraken, das sind auch bereits 21 Monate...


    Die Gründe waren vielfältig. Selten hat die Projektleitung selbst die Schuld auf sich genommen. Meist waren es Lieferprobleme, Druckprobleme, Corona, Lizenzthemen, Personalmangel und und und... Ja, die waren oft nachvollziehbar. Das hat sicher niemand absichtlich verzögert. Manche waren eher fahrlässig oder planlos, andere wiederum einfach nur unverständlich und lächerlich.


    Ich bin kein geduldiger Mensch. Hat alles seine Grenzen. Man kann ja wirklich nichts unternehmen. Die Kontrolle gibt man ab. Bei mir haben sich Unverständnis und Verständnis abgewechselt. Manchmal hatte ich sogar Mitleid mit den Organisatoren. Man hat ja das Vorhaben etwas zu ermöglichen, das ohne Crowdfunding sonst nicht möglich ist. Gute Intention.


    Warum ich mittlerweile aber die Projekte komplett runtergefahren habe, liegt an mehreren Punkten:


    - meiner Meinung nach wird Crowdfunding mittlerweile von vielen mißbraucht. Da stehe ich alleine da, mit der Meinung. Habe ich zumindest oft den Eindruck. Es gibt wirklich große Publisher und Verlage, die selbst bei sehr erfolgreichen IPs noch den Weg übers Crowdfunding gehen. Ich verstehe, dass es der sichere Weg ist... aber das ist nicht die ursprüngliche Idee hinter dem CF.

    - die Kommunikation in den meisten Projekten ist ein "Aus-Der-Nase-Ziehen". Da kommen spärliche Updates, wenn genug Backer sich beschweren. Sonst kommt nix. Und oftmals heißt es dann: es kommt, wenns fertig ist. Ja, das ist natürlich so.

    - bei einigen Projekten kam zeitgleich mit dem Fulfillment auch eine gleichwertige, manchmal sogar günstigere Retailversion mit demselben Umfang auf den Markt. Hätte es die ohne CF auch gegeben? Vielleicht nicht. Aber warum soll ich immer den Vorfinanzierer machen? Bisher kam jedes Projekt, das mich interessiert hat auch in die Produktion. Und es war nie knapp.

    - ab und zu gab es in den Projektversionen sogar Defizite, die dann später in der Retailversion besser gelöst oder korrigiert waren (FAQs, Erratapacks etc).

    - es gab einige englische Projekte, die ich gebackt habe, von denen es dann später auch deutsche Versionen gab... das wurde aber zu Beginn der CF Aktion dementiert oder nicht beantwortet. "Wird es nicht geben"... ja ne is klar.

    - man sieht es an meinen Statistiken. So gut wie nichts ist pünktlich. Die Schätzungen für die Realisierung und Lieferung sind konsequent viel zu (Zweck)-optimistisch. Wer würde auch ein Projekt unterstützen, bei dem 3 Jahre Lieferzeit oder länger angegeben werden?

    - Projekte in Übersee kosten den Backer mehr als die kommende Retail. Lieferung + VAT + Zoll sind leider ein großes Thema. Vor allem zur Pandemiezeit teilweise abnormal. Das Niveau ist aber geblieben.

    - meine Sammlung ist eigentlich "komplett". Ich habe aus jeglichem Genre mehrere Vertreter. Ich bin gesättigt und fahre gerade generell den Konsum runter.

    - ich bin zu ungeduldig für dauernde Verzögerungen, dafür geduldiger im Warten auf Retailversionen.


    Die Projekte aktuell laufen aus... im April 24 erwarte ich das letzte Spiel aus dem Crowdfunding.


    Ich werde sicher nicht komplett aussteigen. Aber ich werde nur noch die absoluten Perlen mitnehmen. Von denen ich KEINE Retail erwarte und die ich unbedingt haben muss. Ansonsten gibts für mich nur noch den einen Verlag, bei dem ich weiterhin vorbestellen werde und das ist Frosted Games. Ich brauche unter anderem die CTG Games und da stimmt für mich die Kommunikation. Und da sehe ich auch die Notwendigkeit für CF und Vorbestellungen.


    Viel Text. Kleine Abrechnung. Das wollte ich schon lange mal aufarbeiten. Ich denke, die Erfahrungen mit Crowdfunding werden bei jedem anders sein, aber doch ähnlich.