Beiträge von Imagine im Thema „16.10.-22.10.2023“

    Imagine : danke für Deinen ausführlichen und interessanten Spielbericht :) !

    Wo findet man diese deutschen Spielbeschreibungen?

    Gerne.

    Die Karten lege ich selbst an zur Verwaltung meiner Sammlung und Erleichterung der Spielauswahl (so muss ich nicht jede Schachtel aus dem Regal zerren wenn jemand fragt „Worum geht’s denn da?“).

    Ich hatte ursprünglich mal die Idee, da ne kleine Community aufzumachen, wo jeder seine eigenen Spiele ergänzen und sie mit allen teilen kann, aber das scheitert bislang an einem Tool, mit dem sich die Karten halbwegs automatisiert erstellen lassen können (bisher bastel ich die immer einzeln zusammen)… Falls da wer was programmieren kann, gerne melden.

    Um nach der Messe und einem überlangen Brettspiel-Wochenende die Flut an Ersteindrücken etwas zu sortieren, gibt die nächsten Kurzrezensionen nach dem Schema „Oldie, Goldie, Newbie and Surprise“.

    Los geht’s also mit dem ersten Oldie, dem kürzlich von Grimspire über die Spieleschmiede neu aufgelegten Bruno-Cathala-Spiels #Abyss von 2014. Die großartig illustrierte fantasylastige Unterwasser-Story ist zwar Geschmacksache, gerät aber durch das fesselnde Gameplay schnell in den Hintergrund: Wer an der Reihe ist, deckt sukzessive Ressourcen-Karten („Verbündete“) auf, die er an die Mitspieler versteigern muss; schlägt niemand zu, darf er sie kostenlos nehmen oder weiter aufdecken, wobei hier auch ein bisschen Zocken dabei ist, weil dabei auch Monster auftauchen können, die man dann bekämpfen muss. Alternativ kann man auch einfach die aus den Vorrunden übrig gebliebenen Verbündeten einer Farbe aufnehmen. Letztlich kauft man mit ihnen sog. Edle, die Siegpunkte und Sonderfähigkeiten bieten, sowie mitunter Schlüssel, mit deren drei man wiederum Orte kontrollieren kann, die aufgrund ihrer Siegpunkte-Bedingungen die weitere Spielstrategie des Besitzers beeinflussen (insbesondere, weil man für Orte die Fähigkeiten einige seiner Edlen opfern muss). So steckt trotz der simplen Regeln eine Menge Spieltiefe in diesem „Familienspiel plus“, die durch die beiden Erweiterungen noch gesteigert wird, so dass Abyss zu recht zu den Highlights der jungen Klassiker zählt.

    Weiter geht’s mit meinen „Goldie“, worunter ich Spiele einordne, die ich so liebgewonnen habe, dass ich ihnen ein bisschen Bling-Bling gegönnt habe, um sie noch ein bisschen attraktiver zu machen. Wie zum Beispiel #TheExpanse, einem der wenigen herausragend guten IP-basierten Brettspiele, das nicht nur für Fans der Serie bzw. Buchreihe, sondern Freunden von Karten-getriebenen Gebietskontrollspielen allgemein zu empfehlen ist. Kurz gesagt ist es ein Multiplayer-Twilight-Struggle: Auf einem Kartenmarkt kaufen wir (mit Siegpunkten!) Karten, die wie entweder für ihre Aktionspunkte oder (falls unsere Fraktion darauf angezeigt ist) ihren Spezialeffekt nutzen können. Mit Aktionspunkten bin ich flexibler und kann Raumschiff-Flotten oder eigene Agenten im Sonnensystem einsetzen oder bewegen, um an strategisch wichtigen Basen den meisten Einfluss zu erhalten; tue ich das, haben allerdings die anderen Fraktionen die Option, den Spezialeffekt zu triggern. Auf dem Markt tauchen aber auch Wertungskarten auf, von denen es sechs Stück gibt: Wer diese kauft, löst anstelle seines Zuges eine Wertung aus, bei der es zunehmend mehr Punkte gibt für den meisten und zweitmeisten Einfluss auf jeder Basis — sowie Bonuspunkte auf Basen in den vom Käufer der Karte bestimmten Regionen. Nach jeder Wertung schaltet außerdem jeder Spieler neue, asymmetrische Technologien frei, und die Rocinante (das Raumschiff der Titelhelden) gelangt unter die Kontrolle des Spielers mit den wenigsten Siegpunkten. Viel mehr ist es eigentlich nicht, aber der enge Spielplan sorgt praktisch sofort um einen erbitterten Streit um die Vorherrschaft auf den für die eigene Fraktion wertvollen Basen, bei dem jeder einzelne Agent und jede Flotte zählt. Der einzige große Minuspunkt des Spiels ist, dass es wirklich lieblos designt ist: Statt thematischer Agenten gibt es kleine „Einflusswürfel“ und die Flotten sind monochrome Pappmarker, dazu ist der Spielplan des Grundspiels sehr dunkel (es gibt aber eine Erweiterung mit neuem Spielplan, etwas besseren Markern und weiteren neuen Modulen). Dennoch ist das Spiel selbst richtig gut und wurde von einigen Fans (und auch von mir) liebevoll aufgepimpt. Es ist jetzt zwar schon eine Weile out of print, taucht aber immer mal wieder auf dem Gebrauchtmarkt auf und meine deutsche Kartenübersetzung gibt’s auf BGG.

    Was mich zum Newbie dieser Ausgabe bringt, zum dem ebenfalls eine deutsche Fan-Übersetzung in den Startlöchern steht und das seit ein paar Monaten einen kleinen Siegeszug durch die Influencer-Kanäle vollführt: #BloodOnTheClocktower. Von den einen als Bestes Spielerlebnis Ever gefeiert, von anderen als „aufgeblasenes #Werwölfe“ abgetan liegt die Wahrheit wie so oft dazwischen: Sicher ist die Grundstruktur insofern dem alten Jugendgruppen-Klassiker entlehnt (mit dem man mich nach 10 Jahren als Jugendleiter jagen kann!), als dass es Tagphasen mit Exekutionen und Nachtphasen mit Aktionen des Dämons (und einiger anderer Charaktere) gibt. Es sind jedoch die Details, die das Spiel deutlich seinem Urgroßvater abheben: Angefangen von der Vielzahl an Rollen und ihren (ausgereiften! — ich schaue auf dich, Blinzelndes Mädchen!) Fähigkeiten, die manchmal sogar hinderlich für das eigene Team sein können, über innovative Mechanismen wie Gift und Trunkenheit, welche die Spieler durch unsichere Informationen herausfordern, bis hin zu den anspruchsvollen Deduktionen in den fortgeschrittenen Szenarien, in denen die Spieler oft erstmal herausfinden müssen, mit was für Gegnern sie es überhaupt zu tun haben, um eine effektive Strategie zu entwickeln. Und auch der Erzähler hat hier viel mehr die Rolle eines Rollenspiel-Spielleiters, da ihm die Regeln erlauben, immer wieder relativ stark in das Spielgeschehen einzugreifen, wobei er zu jederzeit einzig dem Spielerlebnis gegenüber parteiisch sein sollte. Da er, während er auf diesem Drahtseil balanciert, gleichzeitig auch noch mit den gegenüber Werwölfe deutlich anspruchsvolleren (Charakter-)Regeln und einer stimmungsvollen Narration jongliert, ist der Erzähler allerdings gleichzeitig auch — genau wie beim Tabletop-Rollenspiel (oder denglisch „Pen and Paper“) — die große Achillesferse von Blood On The Clocktower, was diese Rolle ziemlich respekteinflößend erscheinen lässt. Anfänger müssen hier ein bisschen Selbstbewusstsein mitbringen und ihre Gruppe darauf einstimmen, dass sich in den ersten Partien wahrscheinlich der ein oder andere Fehler einschleichen wird (ging mir auch so!)… was in der Regel aber kein großes Problem darstellt. Gerade erfahrene Rollenspielleiter haben hier definitiv einen Vorteil. Wird Clocktower also dem Hype gerecht? Das mag von Partie zu Partie schwanken, aber die Voraussetzungen dafür sind geschaffen — wobei hier das Rad nicht neu erfunden wurde! Wer aus einem Tabletop- oder Live-Rollenspiel-Hintergrund kommt (oder gar aus der kleinen Szene der Großgruppen- und MegaGame-Spiele), trifft hier durchaus auf bekannte Elemente, was aber nichts Schlechtes ist, im Gegenteil: Ich freue mich, dass Blood On The Clocktower dieser Art Spiele ein bisschen Rampenlicht verschafft und gratuliere dem Verlag, hierzu den nötigen Mut aufgebracht zu haben. Ich kann die nächste Partie jedenfalls kaum erwarten!

    Und nun zum angekündigten Surprise — meine Gelegenheit, mal wieder eine komplett unbekannte Perle zu präsentieren, auch wenn die wenigsten sie jemals in die Finger kriegen: #SpheresOfInfluence. Spheres of was?! Genau. Noch genauer: „Spheres of Influence: Struggle for Global Supremacy“. Mit seinem einzigen Spiel hat Autor Josh Lamont mit seinem hierfür gegründeten Verlag Little Nuke Games das Spiel herausgebracht, das „Risiko“ immer sein wollte: Ein simples — und dabei durch und durch cleveres — schnelles Wargame Light im modernen Setting, das mit bis zu acht Spielern in unter zwei Stunden gespielt ist. Der Spielplan ist eine Weltkarte, unterteilt in Territorien mit Produktionswerten zwischen 1 und 5 sowie ggf. Ölfeld- , Hauptstadt- oder Spezialkarten-Markierungen; Territorien gleicher Farbe bilden eine Sphäre, außerdem gibt es noch Seefelder. Es werden maximal sechs Runden gespielt, und jede Runde hat zwei Phasen: Mobilisation und (Spiel-)Züge. In der Mobilisationsphase werden neue Einheiten platziert, deren Anzahl abhängt von der Summe der Produktionswerte der Territorien, die man kontrolliert. Außerdem steuert man für jedes eigene Ölfeld eine zusätzliche Zugkarte seiner Farbe ins Rundendeck bei (in dem jeder noch zwei Basis-Zugkarten hat). In der Zugphase wird das Rundendeck gemischt und die oberste Karte aufgedeckt: Dieser Spieler ist nun am Zug und kann entweder Einheiten bewegen oder angreifen. Dabei wird pro Einheit 1W6 geworfen und mit den Würfelergebnissen 6er-Sets gebildet: Pro 6 Würfelaugen tötet man eine gegnerische Einheit. Erobert man ein Spezialkarten-Territorium, zieht man eine solche und kann sie zum passenden Zeitpunkt einsetzen — bis zum taktischen Atomschlag ist hier alles dabei! Sieger ist, wer nach der finalen Runde die meisten Sphären kontrolliert (Hauptstädte sind Tiebreaker). Bei weniger als fünf Spielern kontrolliert jeder Spieler zwei Fraktionen (muss aber nur mit einer gewinnen), was die taktischen Möglichkeiten noch vergrößert. Ein phänomenal gutes Spiel, was leider nur noch zu astronomischen Preisen erhältlich ist — aber eine Bereicherung für jede Sammlung!