Beiträge von ravn im Thema „Spezielle Spieletische vs. Tische - Pro / Contra - Meinungen, Ansichten, Austausch“

    Massive Brettspieltische haben aufgrund ihrer Konstruktionsart mit Keller und Reeling auch ein gewisses Eigengewicht, das man nicht unterschätzen sollte. Im Direktvergleich zu meinem alten 140x80cm Esszimmertisch mit beidseitigen Auszug auf 200x80cm kann ich den 200x125cm Brettspieltisch nicht so einfach verschieben - trotz Spezial-Möbel-Filzgleiter für Fliesenboden. Wer da seinen Wohnraum flexibel umräumen will je nach Nutzungssituation sollte auch das beachten.

    Tja und dann ist da noch die Frage, ob einem Brettspieltische überhaupt optisch gefallen. Abdeckplatten oben aufliegend oder innenliegend machen da schon einen Unterschied. Ebenso ob die Beine aus Holz oder Metall sind und wie wuchtig der Tisch insgesamt wirkt durch die Kellervertiefung, die sich in der Seitenansicht besonders bemerkbar macht. Extrembeispiel für mich ist da der Sunnygeek, bei dem Funktion und Optik für mich weit auseinandergehen - muss man mögen wollen:

    Sunnygeeks 1.5 - Modular Gaming Table by Rathskellers
    Putting the excitement & fun back into tabletop gaming, the Sunnygeeks table by Rathskellers is back, this time on Gamefound, with updated Functionality & new…
    gamefound.com


    Wenn du nur einen Tisch hast, ist es zb genial, mittendrin schnell fürs Essen die Abdeckung drauf zu tun usw.

    So unterschiedlich können die Erfahrungen sein:

    Die Abdeckung meines Bristol Warlords besteht aus 8 schweren weil gross und massiven Holzplatten. Bei 3 davon sind unten Gummistöpsel angeschraubt, um ein Wegrutschen zu vermeiden. Die mal eben schnell fürs Essen auf den Tisch zu packen und nach dem Essen wieder in die Halterung unter dem Tisch zu wuchten, ist schon eine sportliche Herausforderung. Eine 125 cm lange Holzplanke aus Wildeiche von der kurzen Tischseite unter den Tisch in die Halterung zu heben, wuchten, schieben, ist nicht ganz so einfach. Und das dann 8 mal. Durch diese Gummistöpsel muss ich auch auf die Stapelreihenfolge achten, da die ansonsten nicht eben liegen und sich wegdrehen.

    Kurz gesagt: Umständlich und mühsam. Da ist es für mich einfacher, mal eben schnell den Wohnzimmertisch für eine Essenspause zu nutzen. Deshalb mein Tipp, beim Brettspieltisch darauf achten, wie schwer die Abdeckplatten sind und wie zügig man die wirklich wo verstauen kann. Je mehr Abdeckplatten, desto weniger Einzelgewicht, aber desto mehr muss man wegräumen. Zudem auf das Material achten, weil muss es wirklich Massivholz sein, das besondere Sorgfalt in der Trocknung benötigt, damit es sich beim Kunden nicht verzieht? Dazu Rathskeller: "For the wide surfaces of the Phalanx’s leaves, plywood is a better solution because it is more durable than solid wood and less prone to bending and warping."

    Wenn ein Tisch (egal ob Brettspieltisch oder normaler Esszimmertisch) subjektiv als zu breit empfunden wird, dann schränkt das meiner Erfahrung nach das Spielerlebnis erheblich ein.

    Schon öfters selbst erlebt bei halb-öffentlichen Spieletreffs, wenn man mit den Tischen vor Ort auskommen muss, die aber für mehr Platzbedarf zusammenschieben kann. Immer wenn ich in normaler Sitzposition die Einsatzfelder meiner Pöppel nicht erreichen kann, also wirklich für jede einzelne Aktion entweder selbst aufstehen und mich über den Tisch beugen muss (dabei darauf achten, nichts mit dem Hemdsaum abzuräumen) oder die Mitspieler bitten (und damit eventuell aus ihrer Konzentration reissen muss) muss, den Pöppel hierhin und den Pöppel dahin und den letzten bitte noch dahin zu stellen, wird das Spiel für mich unnötig mühsam. Dabei kann man bei bis zu 4 Spielern fast jedes Spiel so aufbauen, dass jeder seinen Zug selbst ausführen kann und ständig benötigte Ressourcen in zwei Schälchen aufgeteit werden, dass jeder da selbst rankommt und so. Nur wenn der Tisch dabei schlicht zu breit ist, dann funktioniert das alles nicht mehr.

    Brettspieltische haben (meist) eine feste Grösse für die Spielfläche im Keller. Das schränkt in der Flexibilität ein, weil wenn die Spielfläche nicht breit genug ist, passen diverse Kickstarter-Playmats dort nicht mehr rein oder einzelne Spiele haben nicht ausreichend Platz, den man auch nicht auf die Reeling oder an die Länge der Spielfläche auslagern kann. Cloudspire oder High Frontier 4 All mit Extra-Size-Playmat fallen mir da ein. Nur wie sinnvoll ist es, nur für diese Spiele einen überbreiten Tisch zu kaufen, während für gut 90% aller anderen Spiele (in meinem Nutzungs-Szenario) eine nicht so breite Spielfläche völlig ausreicht?

    Grösser als 1 Meter in der Breite wird für mich unbequem. Wie ich inzwischen weiss, vorher aber nicht wahrhaben wollte. Da war der Wunsch nach einer überbreiten Spielfläche übermächtiger. Denn warum ein Brettspieltisch kaufen, wenn ich für einige meiner Spiele dann doch den Keller als Spielbereich nicht nutzen kann? Wenn Dich 15cm von der Spielfläche trennen durch die Reeling und dann die Spielfläche 95cm breit ist, komme ich persönlich nur mit verändeter Sitzhaltung bis zur Mitte der Spielfläche. Blöd aber, wenn der Spielplan in der Mitte der Spielfläche liegt und damit auch Einsetzfelder jenseits der Mitte. Um das für mich abzumildern, habe ich den Keller aufgebockt, so dass der nur noch 2 cm tief ist und ebenso Sitzkissen ausprobiert. Alles nicht ideal, nur um eine überbreite Spielfläche zu haben, die nur 10% meiner Spiele brauchen und bei den restlichen Spielen eher stört.

    Wie breit ein Brettspieltisch sein sollte, könnt Ihr hingegen nur selbst herausfinden. Hängt von der Sitzhöhe ab, von der Tischhöhe und wie gross Ihr seid (mit 176cm bin ich da leicht unter Durchschnitt von 178,9cm in Deutschland) und wie weit Eure Armspanne ist. Und eben auch, ob Ihr lieber entspannt sitzt während des Spiels oder eh dauernd Eure Sitzposition ändert oder auch mal aufsteht. Verallgemeinern lässt sich da wenig. Also selbst ausprobieren und bitte nicht (wie ich) ein konkretes Modell unausgetestet in dessen ersten Version (die somit weit davon entfernt ist, wirklich optimiert zu sein) per Kickstarter & Co unterstützen. Glaubt da bitte auch keinen Werbevideos, weil die wollen in erster Linie verkaufen und nicht über Schwächen und Nachteile informieren, die Ihr da für Euch gegen die Vorteile abwägen könnt.

    Ganz unabhängig (auch wenn das arg schwerfällt) von meinem Geeknson Bristol Warlord Desaster: Brettspieltische klangen in meiner Theorie besser als die in Wirklichkeit sind.

    Den Hauptnutzen sehe ich darin, dass man ein Spiel im Kellerbereich aufgebaut stehen lassen kann, während man dank Abdeckplatten wieder eine flexibel nutzbare Tischfläche hat. Ok, dazu sollte man dann auch regelmässig Kampagnenspiele spielen, die eine entsprechend lange Aufbauzeit haben. Und einen Brettspieltisch haben, bei dem man die Abdeckplatten zügig und ohne viel Kraftanstrengungen (unterschätzt nicht das Gewicht von Massivholz bei übergrossen Tischen) irgendwo verstauen kann, wo die nicht im Weg stehen. Und man muss sich aufgrund der geteilten Abdeckplatten damit abfinden, dass die obere Fläche eben nicht durchgängig eben ist und man sinnvollerweise eine Tischdecke benutzen sollte, damit sich Krümmel nicht in den Ritzen sammeln und dann in den Keller regnen, wenn man die Abdeckplatten wieder abnimmt. Die ganzen Ablaufsysteme für verschüttete Getränke sind arg praxisfern, weil Flüssigkeiten nicht rückstandlos ablaufen und Resttropfen immer übrig bleiben. Und nun stellt Euch die Sauerei mal mit Cola & Co vor und die anschliessende Reinigung des Ablaufsystems.

    Das Sitzen an der Reeling, um dort dauerhaft die Arme aufzustützen oder abzulegen, ohne Spielmaterial am Unterarm kleben zu haben, klingt zunächst auch erstmal angenehm. Allerdings sitzt man dadurch automatisch weiter von der eigentlichen Spielfläche im Keller weg und wird je nach Tischgrösse (bei 95cm Keller-Spielfläche wird es arg anstrengend) müssen die Mitspieler den eigenen Spielzug ausführen oder Spielmaterial anreichen, weil vieles nicht mehr in eigener Griffreichweite ist. Das muss man mögen und die Mitspieler auch. Entspanntes spielen fühlt sich für mich anders an. Hier ist hingegen Bewegung angesagt - aufstehen, über die Reeling beugen und wieder hinsetzen.

    Zubehör-Mulden und Glashalter in der Reeling. Eine tolle Sache? Theoretisch ja, nur schränkt man sich damit arg ein. Ich hab zwar jetzt einen Platz für mein Kaltgetränk, aber ein Kaffeepott passt da nicht rein und was, wenn ich ein Wasser und Kaffee zeitgleich haben mag? Also doch wieder fernab der dafür vorgesehen Plätze auf der Reeling abstellen oder auf den teilweise zugedeckten Teil des Tisches oder auf Holzbänke im Keller, die bei Nichtgebrauch auch wieder irgendwo gelagert werden wollen und die Spielfläche zudem unflexibel verkleinern.

    Also lieber diese Ansteck-Halter aussen am Tisch? Kann man machen, aber dann nur so platziert, dass man nicht davor sitzt und auch niemand Gefahr läuft, dagegen zu laufen und die Halter und den Tisch zu beschädigen. Tja und dann wieder die Frage, wohin damit, wenn man die nicht braucht oder doch zu wenig davon hat, wenn man in grösserer Runde spielt.

    Aber man kann bei den Brettspieltischen doch so prima gegen die Reeling würfeln. Wie im Casino. Kann man, passiert bei Brettspielen aber eher selten bis nie. Eben weil man dafür viel freie Würfelfläche im Keller braucht und die Würfel dann irgendwo an der Reeling liegen bleiben, von der ich die wieder mühsam einsammeln muss. Oder die prallen an der Reeling ab und springen wild zurück aufs Spielbrett. Auch nicht ideal. Also schnell wieder vergessen im Brettspiel-Alltag.

    Und durch die wattierte Matte im Keller kann man prima Karten aufheben. Jip, das stimmt. Nur kann das eine dicke Baumwolltischdecke oder eine Neoprenmatte ebenso, ohne dass man gleich einen Brettspieltisch drumherum haben muss.

    Eine durchgehende Leiste, um seine Spielkarten dort aufzustellen, ist doch toll. Nur wenn man sich gegenüber sitzt und niemanden auf der selben Tischseite, weil der sieht die Karten ebenso. Auch braucht man Platz neben sich, oder wer will dauernd über seine aufgestellten Karten in den tieferliegenden Keller greifen? Flexibel aufgestellte und damit auch ausserhalb des Sichtbereiches der Mitspieler völlig frei platzierbare Kartenhalter-Ständer leisten da einen wesentlich besseren Job.

    Und massig Zubehör braucht man ja sicher auch, damit man für alle Gelegenheiten seines Brettspieltisches bestens ausgerüstet ist. Laptop-Halter, Plexiglas-Sichtschirm, Counter-Trays für die Reeling, vergrösserte Schreibablage in A4 hochkant, Reelingverbreiterung für A4 Spielerboards aus Plexiglas, Schälchen für die Reeling innen anhängbar, Aufbockleisten für einen variabel tiefen oder nicht so tiefen Keller und und und. Wohin nur damit, wenn man das in seiner Spielpartie nicht braucht oder das Kampagnen-Spiel aufgebaut im Keller schlummert? Weniger ist da eindeutig mehr, nur hat man eben keine wirkliche Ahnung, was man wirklich braucht und kauft deshalb lieber alles. Wäre ja auch peinlich, wenn am Ende der fünfte Spieler keinen eigenen übergrossen Sichtschirm hat, wenn man meint, den irgendwann mal sinnvoll zu brauchen.

    Deshalb mein Tipp: Ein Tisch in Grösse von 1x2 Meter, den man durch ein Ansteckplatten-System verlängern kann, sofern es sein muss und die man bei Nichtgebrauch unter dem Tisch verstauen kann, reicht völlig aus. Dann kann man auch eine durchgehende ebene Tischplatte haben und kommt normalerweise überall ran, um seinen Spielzug selbst und im Sitzen auszuführen zu können. Universelle Neoprenmatte für den Spielbereich gekauft oder eine schlichte Baumwolltischdecke, die man bei 90 Grad in die Waschmaschine stopft und schon ist man maximal flexibel beim Abstellen der Getränke fernab des Spielbereiches. Kleiner Würfelteller, Kartenhalter und stapelbare Ablageschälchen stellt man einfach dazu und dahin, wo man die braucht. Die sind ebenso schnell und platzsparend auch wieder weggeräumt.

    Und wer jetzt immer noch meint, einen Brettspieltisch zu brauchen, dem kann ich nur ganz feste empfehlen, mal einen Nachmittag an einem solchen zu spielen und selbst erleben, ob man damit zufrieden ist oder eben auch nicht - von der veränderten Sitzposition, dem in den Keller nach unten greifen und dem Abstand zur eigentlichen Spielfläche. Auch um im Spielbetrieb auszusten, welches Zubehör und welche Gimmicks man wirklich nutzt. Im Zweifel stehen auf diversen Messen ja immer einige Brettspieltische, die aktiv für Verlagsspiele genutzt werden. Alles andere ist überschön gemalte Theorie und ganz viel Marketing für ein Luxusprodukt.