Beiträge von MetalPirate im Thema „Was will das Spiel?“

    Mir geht es vor allem um gemeinsame Merkmale. Also was haben Wasserkraft und Lisboa, Lost Cities und LAMA – und das jeweils überkreuzt miteinander verglichen – gemeinsam?

    Dass man anders als bei Go und Schach keine anderen Figuren schlagen kann!

    SCNR ;)

    Ich kann mich nur wundern, wenn hier Sachen wie Great Western Trail in die "easy to learn" Schublade gepackt werden. Das Spiel ist super, keine Frage, aber definitiv nicht "easy to learn". 16 Seiten Regeln auf großem Quadratformat mit relativ kleiner Schriftgröße, viele farblich abgesetzte Kästchen, oft zweispaltig gesetzt. GWT (1st edition) ist mein Musterbeispiel für eine arg gequetsche Regel, die eigentlich eher auf 24 Seiten gehört hätte.

    Ich würde das übersetzen mit: die Regeln kann ich meinen Eltern (stellvertretend für alle Nicht- und Wenigspieler) erklären und sie können danach dennoch nichts Sinnvolles tun, weil sie das System/Zusammenspiel nicht erfasst haben.

    Noch extremer in dieser Richtung sind minimalistische Knizia-Spiele wie Lost Cities oder Lama. Die kannst du problemlos Kindern erklären, aber selbst viele Vielspieler verstehen nicht, was da in den wenigen Spielentscheidungen trotzdem noch für eine Komplexität drin steckt. Wer da meint, man könnte kaum sinnvoll spielen und es wäre doch eh alles nur pures Glück, der hat das Spiel und die Optionen, die es einem gibt, in den meisten Fällen nicht vollständig verstanden.

    Ich habe das

    Ich suche nach im Kern einfachen, zugänglichen Spielen, die dennoch (sehr) komplex sind.

    in meiner ersten Antwort ausgelassen, weil sich auch mir nicht voll erschlossen hast, worauf du hinaus wolltest, gerade in Zusammenhang mit den vorher von dir thematisierten KI-Sachen.

    Inzwischen glaube ich aber zu ahnen, worauf du hinaus willst: Du suchst Kinder- bzw. Familienspiele, die auch für erwachsene Vielspieler nicht völlig belanglos sind. In diesem Bereich gibt's so einiges, was über die eigentliche Zielgruppe hinaus auch interessant sein kann für diejenigen, die sonst deutlich komplexere Sachen spielen und z.B. Strategien genau analysieren möchten. In der Rot-Pöppel-Ecke gibt es zwar nicht flächendeckend, sehr wohl aber vereinzelt, Spiele mit deutlich mehr Komplexität als so mancher Vielspieler denkt, und das beziehe ich keineswegs nur auf die "ich spiele nur BGG-Weight 3,5 und aufwärts!"-Fraktion. Oft genug sind die erfolgreichsten Rot-Pöppel-Spiele eben genau die, die neben der niedrigen Einstiegshürde auch Anknüpfungspunkte Richtung höherer Komplexität bieten.

    Die von dir verlangte niedrige Einstiegshürde wird belegt durch die Platzierung auf dem Markt und den Erfolg in diesem Segment. Das ist deutlich belastbarer als der dämliche, überstrapazierte und dabei auch noch oft unpassende Werbespruch "easy to learn, hard to master". Aber wie findet man nun die zugänglichen und zugleich aber komplexen Familienspiele? Am einfachsten, indem du Vielspieler fragst, was sie mit ihren Kindern ab 8 Jahren spielen; dazu gibt's hier auch entsprechende Kinderspiel-Monats-Thread. Du könnest außerdem die Gewinner / nominierten / empfohlen Sachen für den roten SdJ-Pöppel darauf prüfen, ob sie auch unter den Spielenerds anerkannt sind, z.B. über die BGG Rankings.

    Mal so als Beispiel: Zug um Zug (und Varianten). Es wird niemand bestreiten, dass das klar in der Familienspielecke zuhause ist, aber wenn du das totanalysieren / mit dem Computer simulieren / durchoptimieren möchtest, kannst du da mit beliebig viel Mathematik (-> Graphentheorie & Co) draufhauen. Bei Zug um Zug Skandinavien wird's so eng auf der Karte, das kannst du sogar als Kriegsspiel spielen. ^^ Selbst ein Zug um Zug: Meine erste Reise (die Kinderspielvariante, drei Seiten Regeln) ist für Erwachsene nicht völlig banal; das habe ich immer gerne gespielt. Andere Beispiele: Azul, Lama, Imhotep, Wettlauf nach El Dorado, Finca, Asara, Stone Age, Jenseits von Theben, Keltis, Alhambra.

    In Zeiten, in denen künstliche Intelligenz immer mehr (Aufgaben) übernimmt und erleichtert, dürfte es nur eine Frage der Zeit sein bis sie (die KI) auch in die Entwicklung von Brett-, Karten- und Gesellschaftsspielen allgemein (stärker) eingreift. An welchen Stellen der Entwicklung wird der Einfluss zunehmen?

    Erstmal überall da, wo "halbwegs plausibel" völlig reicht und "exakt richtig" gar nicht verlangt ist. Musterbeispiel: Erstellung von Artwork oder Flavor Text. Kann jeder hoffnungsvolle Spielautor jetzt schon problemlos nutzen.

    Bis eine KI den Autor komplett ersetzt, ist es noch ein sehr weiter Weg. Das gilt für mathematisch formalisierbare Aspekte wie Balancing, und es gilt erst recht für alles in der Spieleentwicklung, wo Psychologie eine Rolle spielt. Was genau bereitet den Spielern am Ende Spielspaß, so dass sich ein Spiel dann auch gut verkauft? Dann das ist am Ende des Tages die einzig wichtige Frage für alle Verlage.

    Im Übrigen kann man immer wieder nur darauf hinweisen, dass zwischen Computern, die gut deterministische 2er-Spiele mit vollständiger Information (wie z.B. Go oder Schach) spielen, und Computern, die gut Multiplayer-Spiele mit Hidden Information und Zufallselementen spielen, in der Komplexität des Algorithmus' Welten liegen.


    Werden Spiele womöglich intelligent und bekommen einen „eigenen“ Willen? Was will das Spiel künftig von denen, die „es“ spielen?

    Nö. Spiele sind und bleiben eine Ware, mit einem zugehörigen Markt, in den Unternehmen durch Verkauf von Spielen Geld verdienen wollen -- und dies auf Dauer auch müssen, weil sie sonst nämlich Pleite gehen. Solange ein Computer einem Spieler bzw. einer Gruppe von Spielern nicht auf Knopfdruck das maßgeschneiderte Spiel zusammenbaut, wird dies auch so bleiben.

    Falls du darauf hinauswillst, ob KI von den Verlagen genutzt werden wird, um das Marktpotenzial von Spielen abzuschätzen, z.B. durch Vergleich mit ähnlichen Spielen und deren Markterfolg, oder dass KIs die Zugangshürden von Anleitungen durch passendes Umbauen verkleinern ... möglicherweise. Wobei es da deutlich einfacher sein dürfte, irgendwelche pseudowissenschaftlichen Studien zu machen als irgendwas zu entwickeln, was wirklich einen praktischen Nutzwert hat. Denn, siehe oben, nach vielen Jahren als Spieler bin ich felsenfest davon überzeugt, dass für den Erfolg eines Spiels neben gründlicher mathematischer Unterfütterung (denn letztendlich ist's immer ein mathematisches Optimierungsproblem) auch ein großer Haufen Pyschologie wichtig ist und etwas wie "Spiele mit Naturthema verkaufen sich aktuell gut" eine so radikale Vereinfachung der Wirklichkeit ist, dass das in der Praxis kaum für irgendwelche generalisierenden Modellierungen eines Computers nutzbar ist. Da ist der menschliche Experte immer noch um Klassen besser.