Beiträge von Mtn im Thema „Spiel '22 - Ersteindrücke gespielter Spiele“

    [Council of Shadows und seinen "überflüssigen" Pappthron, der das Spielende eingeleitet hat]

    HCeline : So weit sind wir da, glaube ich, alle gar nicht auseinander. Eleganz und Reduktion auf das Wesentliche schätze ich auch sehr in Brettspielen, aber der Ressourcenaufwand für eine Pappfigur ist jetzt auch nicht sooo dramatisch. Vielfach hat die dann "eben auch noch auf den Stanzbogen draufgepasst"; jedenfalls hört man sowas oft von Verlagssseite. Gilt ja für diverse Startspielermarker in Form dreidimensionaler Papp-Figürchen recht ähnlich (Marco Polo, Altiplano, etc.).

    Zum "warum?": Ich denke, dass Redakteure in den letzten Jahren sehr darauf achten, irgendwas Dreidimensionalen in ihren Spielen zu haben, damit das Spiel in Settings wie Messen oder Spieletreffs mehr auffällt. Wenn's nicht anders geht, muss dann der Startspielermarker oder wie in diesem Falle der "Spielende-Einleiter*-Marker" dafür herhalten.


    * Spielende-Einleitende-Marker für Genderdeutsch-Sprecher... Uaarggs, grauslich...

    Mein Argument waren doch gar nicht die Ressourcen, sondern, dass das Spiel so wirkt, als sei es noch eben schnell vor Essen auf den Markt geworfen worden sei. :rolleyes:

    Dies betrifft nicht nur Unklarheiten in der Anleitung

    Was war denn für dich unklar? Für mich war sie Alea-typisch gut verständlich.

    Das betrifft beispielsweise die Dark Tech Karte World Traveler, bei der ein Sofort-Symbol auf der Karte abgebildet ist, im Text aber steht, dass die Aktionen "ab sofort" gelten. Die ganze Thron-Geschichte ist komplett reingedrückt. Wahrscheinlich hat die Komponente mal eine andere Funktion gehabt und sollte aus irgendeinem Grund drin bleiben:

    "Mit dem Erreichen des 3. „Dark Tech“-Levels läutest du das Spielende ein, du erhältst dann keine „Dark Tech“-Karte mehr, aber den Thron, den du vor dir abstellst."

    "Erlangt einer von euch „Dark Tech“-Level III, erhält er den Thron und läutet damit das Spielende ein."

    "Wer das höchste „Dark Tech“-Level hat, gewinnt und darf sein Portrait auf den Thron stellen."

    Zu Ende produziert trifft auch auf die extrem unterschiedlich starken Dark Tech-Karten zu. Dark Tech II "Perpetuum mobile" ist zum Beispiel ungleich stärker als alles andere.



    Council of Shadows

    In Council of Shadows wetteifern die Spieler:innen als Oberhäupter verschiedener (aber symmetrischer) Zivilisationen darum, wer am Ende einen Platz im Rat der Schatten bekommt. Das bei alea (Ravensburger Marke für gehobenere Spiel) erschienene Spiel wartet dabei nicht nur mit einer sondern gleich zwei Kramerleisten auf. Auf der einen werden die Siegpunkte und auf der anderen für Aktionen benötigte Energie abgetragen. Jedes Mal, wenn die eigenen Siegpunkte die bisher verbrauchte Energie überholen steigen die ein sogenanntes "Dark Tech"-Level auf. Sobald der:die erste Spieler:in das dritte Level des Dark Techs erreicht, endet das Spiel nach der jeweiligen Runde und die erfolgreichste Person (aber nicht die, die zuerst Dark Tech III erreicht hat) gewinnt das Spiel. Interessant ist aus meiner Sicht neben der Siegpunktelogik die Grundmechanik, bei der pro Runde drei verschiedene Aktionen gewählt werden, die dann aber - je nach Position auf dem eigenen Tableau - zunächst auch für die nächsten Runden gelocked sind. Darüber hinaus bietet das Spiel potentiell die Möglichkeit, mit sehr unterschiedlichen Strategien erfolgreich zu sein. Man könnte zum Beispiel versuchen das eigene Energielevel niedrig zu halten und so auch mit wenigen Siegpunkten im Dark Tech aufzusteigen. Oder man verbraucht viel Energie und muss dann aber auch mehr Siegpunkte generieren.

    Wo Licht ist, ist aber auch Schatten (wegen Council of Shadows und so...). Das Spiel wirkt insgesamt überhastet veröffentlicht. Dies betrifft nicht nur Unklarheiten in der Anleitung, sondern auch partiell undurchdachtes Spielmaterial. Ganz ehrlich: Wer braucht schon den Pappthron und die Pappfiguren, deren einzige Funktion es ist, am Ende anzuzeigen, wer zuerst Dark Tech III erreicht hat und die dann aber nicht aufgebaut in die Schachtel passen. Auch die Sichtschirme erscheinen sehr entbehrlich, wenn man bedenkt, dass man die Karten auch einfach umgedreht hinlegen kann.

    Insgesamt hat mir das Spiel in den zwei Partien gestern und heute (einmal 4 und einmal 2 Personen) aber viel Freude bereitet. Auf BGG habe ich es mit einer 7/10 bewertet. Im Complexity-Rating dürfte es irgendwo zwischen Medium Light und Medium liegen (2,5). Ich könnte mir zudem auch gut vorstellen, dass schon gut eingeführte Brettspieler:innenkinder ab 10 oder 12 statt der angegebenen 14 Jahren Spaß daran haben.

    #Tiletum

    In Tiletum (der lateinische Name von Tielt in Belgien) spielen wir reiche Kaufleute zur Zeit der Renaissance. Ziel des Spiels ist es (Achtung: Innovation!), am Ende die meisten Siegpunkte zu haben. Diese bekommen wir, in dem wir beispielsweise an verschiedenen Kathedralen mitbauen, Häuser und Säulen errichten, Personen in unsere Häuser ziehen lassen, an Märkten teilnehmen und Aufträge erfüllen. Der Clou des Spiels ist jedoch nicht das Thema, sondern die Mechanik. Beschrieben wird das Spiel als Dice Management-Spiel. Für mich trifft es aber eher Action-Selection. Vor jeder der vier Runden werden Würfel ausgewählt, die dann auf einem Aktionsrad platziert werden. Zu welchen Aktionen welche Augenzahlen gehören, ändert sich dabei von Runde zu Runde, ist aber von Anfang an planbar. Durch das Auswählen einer Aktion bekommt man den dazugehörigen Würfel einer bestimmten Farbe. Die Augenzahl des Würfels bestimmt die Anzahl der Ressourcen, die man bekommt und die Farbe die Art der Ressourcen. Gleichzeitig bedeutet eine höhere Augenzahl jedoch auch, dass man weniger Aktionen der gewählten Art zur Verfügung hat, denn die Anzahl an Aktionen berechnet sich immer durch 7 – Augenzahl. Ganz entscheidend ist zudem, dass man eigentlich überall im Spiel Bonusplättchen ergattern kann, die dann mal Ressourcen, mal Aufträge, oder aber noch weitere Aktionen bringen können, so dass enorme Kettenzüge entstehen können.

    Was am Ende beziehungsweise nach den vier Runden wie viele Punkte bringt wird durch zufällig zugeloste Jahrmarktbedingungen bestimmt. Hierdurch erhält das Spiel eine enorme Variabilität, was den Wiederspielwert enorm steigern dürfte.

    Leider trägt aber auch dies zu meiner Vermutung bei, dass es sich bei Tiletum zwar um ein tolles Spiel, aber um ein wahres AP-Monster handelt. Obwohl jede*r Mitspieler*in nur insgesamt 12 eigene Züge (nehmen eines Würfels, Durchführen einer Aktion + freie Aktionen und Bonusaktionen) hatte, haben wir mit drei Personen knapp 2,5h gespielt – und wir hatten schon relativ schnelle Mitspieler*innen.


    Fazit

    Davon abseits gefiel mir das Spiel hervorragend und ich freue mich schon auf die nächste Partie.

    Bei BGG habe ich es vorläufig mit 8/10 bewertet und würde es als Medium Heavy einstufen, da der doch relativ simple Grundmechanismus ein enormes Gerüst an Möglichkeiten verschleiert.