Kurzer Ersteindruck nach der Regellektüre, Spielaufbau und eine Runde im Solomodus:
E-Mission bringt eine ganze Menge Material mit. Jede Karte ist einzigartig, hat eine eigene Illustration und auch einen eigenen Effekt. Wer mehr wissen will, scannt einfach den QR-Code per Smartphone und weiss mehr zur Funktion und zum Hintergrund dieser Karte. Wobei zumindest in der deutschsprachigen Version noch etliche Hintergrundinfos nachgetragen werden. Ich hoffe mal, dass das auch passiert, denn durch die Infos und weiterführenden Quellen wird das Spiel über die rein spielerische Ebene aufgewertet, für alle, welche die Zusammenhänge erfahren wollen.
Auch wenn die Doublelayer-Playerboards arg dünn sind, auf dem Tisch gelegt erfüllen die ihren Zweck. Auf einer Neoprenmatte rutschten die allerdings gerne weg, wenn ich Marker dort ablegte oder wegnahm. Kein Beinbruch, nur über dem Playerboard werden fünf Kartenstapel nebeneinander gebildet und dieses Verrutschen kann die aufgefächerte Auslage verschieben. Im Zweifel Antirutschmatten in Playerboard-Grösse unterlegen, wenn das auf Dauer wirklich nervig sein sollte. Oder sein Handling entsprechend anpassen.
Die auf den Screenshots dröge-langweilig wirkenden Illustrationen sehen auf dem Spieltisch wesentlich besser aus. Für mich erschaffen die eine nüchterne Abstraktionsebene, die das eigene Kopfkino füllen kann. Jeder kann da seine eigenen aus den Nachrichten erinnerten oder eigenen Erfahrungen einfliessen lassen. Habe ich aus der Ferne so nicht gesehen, finde ich inzwischen aber besser so, als wenn eindeutig-realistische Fotos verwendet worden wären, die kein Raum mehr für eigene Bilder lassen würden.
Auf der spielmechanischen Ebene ist das Spielgeschehen erstaunlich gradlinig. Es gibt ein paar Verwaltungsphasen, aber der eigentliche Kern des Spiels ist es, mit seinen aufgesparten und nachgezogenen Handkarten Aktionen zu bezahlen oder Aktionen zu verstärken oder neue Aktionsmöglichkeiten auszuspielen. Dadurch dass jede Karte seine ganz eigenen Effekte und Voraussetzungen hat, die spielmechanisch über Symbole in der realen Welt verankert sind und dadurch nachvollziehbar werden, entsteht das eigentliche Spiel. Ich kann scheinbar viel machen, habe dennoch einen begrenzten Wirkungsspielraum und stehe Problemen gegenüber, die übergross sind und anwachsen.
Zunächst hatte ich mich gefragt, ob ich die Karten wirklich verstanden hatte, wenn ich so eine Karte nach Bezahlung scheinbar unendlich oft benutzen kann. Ja kann ich, sofern ich dafür bezahlen kann mit Karten, die dann wiederum meine Aktionsmöglichkeiten einschränken. Und zudem hat jede gut gemeinte Aktion auch eine Schattenseite. So hatte ich über den drastischen (= mehrfach per Symbole verstärkten) Verbot von Ölförderung und Kohleabbau die eigenen schmutzigen Energieproduktion verringert, so dass nur noch grüne Energie übrig blieb. Juhu. Nur dieses Juhu ist mir in der Auswertungsphase dann im Hals stecken geblieben als ich meinen Energieverbrauch decken musste. Tja, das gab dann Unzufriedenheit und Unruhe in der Bevölkerung, die in der Folgerunde dann meinen Handkarten- und damit Aktionsnachschub verringert. Schaffe ich es nicht, irgendwie neue Energiequellen zu erschliessen, wäre es das vorzeitige Ende in Runde 2 von 6.
Blöd nur, dass wir hier keine fernen Sternesysteme erobern, sondern das am Spieltisch im Zeitraffer nachspielen, was täglich rund um uns passiert und Wirklichkeit ist. Heftiges Szenario, was hier abgebildet wird. Besonders gut, dass es nirgends einen erhobenen Zeigerfinger gibt, sondern einem ganz plastisch (vereinfacht) vorgeführt wird, dass alle Handlungen ihre Folge haben - auch die, welche man in bester Absicht trifft. Wer so etwas am Spieltisch spielen mag, dem kann ich E-Mission nur empfehlen.
Ob die spezielle deutschsprachige und möglichst okologisch produzierte Version die Welt retten kann, weiss ich nicht. Im Spiel selbst hatte ich allerdings nicht den Eindruck, auf etwas verzichten zu müssen. Im Gegenteil. Die deutschsprachigen Texte sind für mich direkt verständlich, was ich bei den diversen englischsprachigen Fachbegriffen der Aktions- und Projekt- und Krisenkarten nur eingeschränkt erlebt hätte. Somit keinen Grund, zwingend auf die Originalausgabe ausweichen zu müssen, nur weil da ein paar Holzmarker statt dicker Pappmarker enthalten sind. Die etwas kleineren Projekt- und Krisenkarten sind mir auch nicht negativ aufgefallen, auch der weisse Rand nicht. Für den aufgerufenen UVP ein Brocken, aber inzwischen kann man das Spiel ja auch für rund 45 Euro im Handel bekommen. Ich bin gespannt, wie meine Solopartie weitergehen wird und wie es sich mit Mitspielern spielt, weil dann muss man zusammenarbeiten und kann das aber nur eingeschränkt durch die nationalen Zwänge.