Xebeche Spannend, dass du die gegnerische Armee als "bekannte Variable" einordnest. Denn wenn ich auf deinem beschriebenen Level bin - also alle Sonderregeln, Fähigkeiten etc. meiner und der gegnerischen Armee kenne, dann hab ich jedes Brettspielregelwerk mit seinen kompletten Karteneffekten schon 3 Mal durchdrungen. Twilight Imperium ist ein Witz gegen WH40K was Komplexität und Kompliziertheit betrifft. Klar, spiel ich die Tutorial Mission der Einsteigerbox mit 3 Marines gegen 3 Necrons sieht die Welt anders aus - aber jedes richtige Spiel von 40K - von 500 bis 2000 Punkte, ist komplexer als Twilight Imperium. Besonders da Twilight Imperium vieles seiner "Komplexität" aus dem antizipieren der Gegner und dem Meta-Gaming nimmt.
Ich versuche mich noch einmal 🙂 „Kompliziert“ und „Komplex“ sind nämlich zweierlei.
Alle Sonderregeln, besonderen Einheiten, Fähigkeiten und so weiter machen das Spiel aber nicht komplexer, sondern komplizierter, d.h. das relativ geschlossene System wird in der Tiefe erweitert – und kompliziert ist prinzipiell erlernbar (d.h. ich lerne den Codex des Gegners). Was die verbleibende Komplexität angeht: Vor allem im freundschaftlichen Umfeld kennt man seine Pappenheimer auf der gegenüberliegenden Seite recht schnell und – vielleicht auch der Tatsache geschuldet, dass wir bei uns alle keine besonders guten Strategen sind – dann bleibt an unbekannten Variablen nicht mehr viel übrig: Orks nach vorne zum Kloppän, Tau spielen Gunline, Necrons irgendwas dazwischen. Wir kennen uns. Am Ende bleibt: Es stehen sich zwei Personen mit ihren Armeen gegenüber, beide haben bekannte Ziele innerhalb eines doch recht geschlossenen Systems (wohingegen ein echter Krieg natürlich wahnsinnig komplex ist, weil er kein geschlossenes System darstellt).
Die Komponente Mensch macht im Spiel gerade die Komplexität aus. Ich habe Twilight Imperium nie gespielt, kann nach wie vor nur mutmaßen. Ich ziehe den Vergleich aber mal mit einer Sechs-Spieler-Partie Rising Sun oder Der Eiserne Thron: Das Regelwerk in beiden Spielen ist im Vergleich zu Warhammer-Derivaten simpel, also vergleichsweise unkompliziert – allerdings hat man in beiden Spielen fünf Mitspieler, welche in sich und erst recht im Zusammenspiel kaum ausrechenbare Variablen darstellen, die in jeder Runde mit wenigen Aktionen, Markern und Figuren das Gefüge auf dem Spielfeld grundlegend verändern und eigene Pläne zerschlagen können. Beide Spiele haben zudem die Komponente, dass einem zu jederzeit ein Mitspieler in den Rücken fallen könnte (Der Eiserne Thron kann man gar nicht anders gewinnen), was zu einer gehörigen Portion Double Think und Triple Think führt (d.h. „Ich glaube, dass mein Gegner denkt, dass ich denke, dass er denkt, dass …“).
Noch einmal „kurz“: Warhammer ist vor allem kompliziert, das heißt schwierig zu durchdringen und zu erlernen (wie z.B. ein Auto, eine Steuererklärung, ein Uhrwerk). Dadurch, dass es in den meisten Fällen aber zwei Spieler sind, die sich mit bekannten Variablen (Einheiten) gegenüberstehen und einen Abnutzungskrieg im Rahmen der statistischen Normalverteilung führen, ist es aber nicht besonders komplex (ich sage nicht „nicht komplex“!). Die Regelhefte oben genannter Brettspiele sind im Vergleich zu den Schinken und Extra-Schinken von Warhammer relativ dünn und unkompliziert, der Grad der Interaktion und der Unvorhersehbarkeit durch die Mitspieler – ergo auch die Komplexität – relativ hoch.