Ich habe gestern eine dreihändige Probepartie auf dem TTS gespielt (zumindest so gut es dort ging). Mein vorläufiges Fazit: Solides Spiel.
Zum Inhalt wurde hier ja schon genug geschrieben, darum beschränke ich mich auf meine Spielerfahrung.
Vorweg: Die Regeln auf dem TTS waren teilweise fehlerhaft, teilweise vom Spielmaterial abweichend, teilweise unvollständig. Bei Abweichungen habe ich mich ans Spielmaterial gehalten, das mir aktueller schien. Die Unvollständigkeit betraf vor allem die Symbole für die Endwertungskarten, die ich nicht immer wirklich sinnvoll einordnen konnte.
Was mir gefällt:
- Die Grafik erinnert tatsächlich an Nemo's War, und auch an Darwin's Journey, wobei ich glaube, dass hier einfach in allen Fällen eine gewisse Visualität jener Zeit zum Vorbild genommen wurde.
- Die Semi-Kooperativität: Mir persönlich ist das in dieser Form bei einem Worker Placement noch nicht untergekommen, und ich fand das genial: Jeder Spieler "führt" sein eigenes Schiff der Expedition, aber am Ende müssen ALLE Schiffe das Ziel erreichen, sonst gewinnt gar keiner. Man muss sich also absprechen und dafür sorgen, dass alle Spieler stets ausreichend Nahrung, Crew und Treibstoff haben. Am Ende kann nur einer gewinnen, aber immer wieder sollte man einem Spieler auch ein Einsetzfeld freilassen, falls dieser wirklich dringend eine Ressource braucht, sonst leiden am Ende alle darunter. Hier gefallen mir sowohl die Idee als auch die Umsetzung extrem gut!
- Der "Marktplatz". Auch den kannte ich in dieser Form noch nicht, und auch diesen fand ich hervorragend entwickelt und umgesetzt. Die Einsetzfelder sind grob in drei Bereiche eingeteilt: "Schiffsführung", "Zimmererarbeit" und "Forschung", und jeder ist wahlweise durch ein spezielles Crewmitglied (Captain, Handwerker oder Forscher) sowie generische Crew oder Iniut nutzbar. Und jeder Bereich hat seinen eigenen kleinen Markt. In diesen kann man exakt 1 beliebige Ressource (Dynamit, Holz, Waffen, Hunde) legen, und sich anschließend 1 konkrete, vom Bereich abhängige Ressource nehmen. Die "bezahlte" Ressource bleibt jedoch auf dem Markt liegen, diese sammeln sich dort an, und können später von jedem beliebigen Spieler mit einer anderen Aktion abgeholt werden. Gefiel mir sehr gut!
- Das Spiel ist äußerst thematisch und fühlt sich auch so an. Tatsächlich ist hier jede Aktion und jede Leiste thematisch sinnvoll eingebettet: Man baut Hütten, katalogisiert Tierarten, trifft Inuit, erforscht die Küsten, baut seine Schlitten aus, besorgt Hunde, jagt Eisbären und Walrosse, sammelt Treibstoff, versucht, seine Crew gut ernährt und bei Moral zu halten, und gemeinsam den Weg ans Ende der Passage zu finden.
Der Weg ist übrigens durch die Kartenelemente zwischen 7 und 12 Schritte lang, entsprechend dauert auch das Spiel 7 bis 12 Runden lang.
- Das Spiel ist knifflig und grüblerisch und erhält gerade durch die nötigen Absprachen noch eine weitere Ebene, ist aber kein absoluter Hirnzwirbler, weil der Ablauf nicht sooooo komplex ist: Überlebenswichtige Ressourcen besorgen, wenn nötig, und wenn dann noch Zeit und Personal ist, Punkte machen!
- Durch die Ereigniskarten und die vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten der Karte bietet das Spiel durchaus immer wieder eine leicht andere Partie.
Was mir weniger gefällt:
- Am Ende hat sich das Spiel für mich eher wie ein gehobenes Kennerspiel angefühlt. Vielleicht tue ich ihm damit Unrecht, aber gerade WEIL man erstmal das Notwendigste besorgen muss, schien es mir nicht so variabel in den Möglichkeiten. Klar, man MUSS keinen Treibstoff besorgen, nur weil man keinen mehr hat, aber dann bürdet man diese Kosten halt den Mitspielern auf (die einen dann nämlich schleppen müssen), und im schlimmsten Falle verlieren alle das Spiel. Ich kann mir keine Situation vorstellen, in der in diesem Falle jemand NICHT zuerst Treibstoff besorgt. Und dasselbe gilt für Nahrung, Moral und Vitamine.
- Das ist zwar etwas sehr Persönliches, und thematisch hätte es auch nicht gepasst, aber ich für mich wünsche mir in solchen Spielen einfach einen Tableau- oder Engine-Building Effekt. Und den habe ich hier nicht.
Es gibt ein paar Elemente, die in diese Richtung gehen: Man kann neue Hunde bekommen und die Schlitten verbessern, was die Punkteausbeute einer Aktion erhöht. Man kann ein paar Schifssausbauten bauen, was aber irgendwie nur einmalige Boni gibt. Und (und das kommt dem Element noch am nähesten!) man kann halt unterwegs Iniut anheuern, wodurch man mehr Arbeiter erhält, wodurch man mehr Aktionen machen kann.
Aber all das hat mir persönlich nicht das GEFÜHL eines Tableau- oder Engine-Builders vermittelt. Das ist nicht die Schuld des Spiels und es soll kein Kritikpunkt am Spiel sein, ist aber halt ein Punkt, der mir weniger gefallen hat.
- Im Endeffekt erschien es mir zu repetetiv. Meine Partie ging über 9 Runden, und etwa ab Runde 5 oder 6 stellte sich ein gewisser Mangel an Faszination ein. Das lag sicherlich daran, dass ich dreihändig gespielt habe, und mich wenig absprechen musste, und wohl auch an dem mangelnden Engine-Building, wodurch vieles das Spiel über auf einem Level blieb, aber etwa ab dieser Runde hatte ich mir das Spielende herbeigewünscht, weil ich der Ansicht war, dass das Spiel vorbei war. Die Runden waren in sich fertig - ich habe mit jedem Spieler die notwendigen Züge gemacht und anschließend zugesehen, noch möglichst viele Punkte mitzunehmen, und fertig. Aber es hat sich eher wie "Arbeit nach Vorschrift" als nach "Juhuu, jetzt ernte ich die Früchte meiner Arbeit" oder "Juhuu, jetzt offenbaren sich hier noch neue Sachen" angefühlt. Tatsächlich halte ich 7 Runden für die fast perfekte Länge, 12 Runden wären mir am Ende zu viel geworden.
Fazit und Empfehlung:
Ich halte das Spiel für einen wirklich gelungenes Worker Placement. Es ist sauber designt, sieht toll aus, ist EXTREM thematisch, hat mit dem semikooperativen und dem tollen Marktplatz und der sich entblätternden Karte wirklich tolle und für mich frische Elemente. Wer also so ein Spiel sucht, der kann hier meines Erachtens getrost zugreifen, zumal ich es auch wie gesagt eher im mittleren bis oberen Kennerspielbereich einordne. (Aber ich bin da nicht immer der Maßstab ...)
Ich werde nicht mitmachen, was vornehmlich daran liegt, dass ich einfach deutlich weniger kaufe, weil meine Regale voll sind. Und hier fehlt mir dann rein emotional zu viel, um mich trotzdem zugreifen zu lassen. Wie gesagt, WILL es kein Engine- oder Tableau-Builder sein, aber eben das fehlt mir hier, und da hat es dann Titel, die mich noch mehr begeistern, mit denen es konkurriert. Aber empfehlen kann ich das Spiel trotzdem.