Beiträge von ravn im Thema „7th continent oder Sleeping Gods“

    Sleeping Gods ist in der englischsprachigen Version mit "13+" eingeordnet und nimmt in meiner Erinnerung keine Rücksicht darauf, möglichst kindgerecht sein zu wollen. Deshalb auch die Altersvorgabe. Allerdings werden die Geschichten eh von einer Person für die Spielrunde vorgelesen und kreative Leser könnten die Handlung spontan anpassen, wenn es zu heftig wird.


    Schwerkraft Verlag gibt "ab 12 Jahre" an. Im Zweifel empfehle ich eher, Spiele mit vorab passender Altersvorgabe zu wählen. Weil das "13+" bzw. "ab 12 Jahre" wird schon seinen Grund haben. Das sollen aber alle Eltern selbst entscheiden, da mische ich mich nicht ein.

    Sleeping Gods ist ein Ryan Laukat Spiel durch und durch. Sozusagen die inoffizielle Fortsetzung von seinen Spielen Above and Below sowie Near and Far. Auch dort hat er schon versucht, Eurogame-Elemente mit einem erzählerischen Teil zu koppeln, der dann durchaus Amitrash-Elemente hatte. Während bei Above and Below noch jeder Storyschnippsel für sich alleine stand, gab es dann in Near and Far auch episodenhafte Storys, die weitererzählt wurden.


    Mit Sleeping Gods wurde das System in meinen Augen nochmals verbessert: Du verbesserst Dein Schiff und Deine Crew und schipperst frei über die Welt, um dort gewisse Dinge zu finden, um den bevorstehenden Endkampf angehen zu können. An allen möglichen Orten kann eine Story starten, die storyübergreifend per Keywords mit anderen Storys verknüpft ist. Oftmals bekommt man aber auch ein Keyword und kann damit noch nichts anfangen. Die Verbindungen kommen dann später.


    Ausgedachtes Beispiel: Auf unserer Seekarte entdecken wir in der Nähe eine auffällig geformte Landschaftsformation. Könnte interessant sein. Also dorthin und dort erkundet. Entweder ist da nichts oder es startet eine Story im Storybuch. Meist eine kurze atmosphärische Einleitung mit mehreren Entscheidungsmöglichkeiten. Zum Beispiel: Den Pfad tiefer in den Dschungel folgen in Richtung des Affenfelsens oder dem Rauch im Westen nachgehen oder zum Boot zurückkehren. Je nach Entscheidung geht die Story dann weiter und es kommt zu weiteren Entscheidungen. Manchmal muss man eine Probe ablegen oder man muss Gegner bekämpfen. Zwischendurch werden immer mal wieder Keywords angefragt. Hat man die, geht es woanders weiter. Am Ende der Story bekommt man irgendwas. Oftmals auch weitere Story-Hinweise, z.B. dass es einen zweiten Affenfelsen auf der Nachbarinsel östlich gibt.


    So hat man im Laufe des Spiels einen Mix aus angefangenen Storys, die man noch weiterführen will und Phasen, in denen man nach neuen Abenteuern sucht. Die Gegend in der man sich aufhält, bestimmt den Schwierigkeitsgrad. Wobei anfangs unklar ist, was einfach ist und was nicht und in welchen Gegenden es einfacher oder schwieriger wird. Das findet man schon selbst heraus. Im Hinterkopf hat man dabei den latenten Zeitdruck durch ein "Timing-Deck", so nicht zu viel Zeit zu lassen, weil man diese Dinge für den Endkampf finden will und bis dahin sein Schiff und seine Crew verbessert haben möchte.


    Wenn Dir Above and Below sowie Near and Fear zu wenig zusammenhängende Story war, dann ist Sleeping Gods ein Schritt in die richtige Richtung. Ebenso bietet es spielmechanisch mehr, wenn auch alles auf einem einfachen Level. Erwarte bitte keine Taktik-Kämpfe wie in Gloomhaven. Erwarte auch keine Erkundung der Gegend auf der Detailebene wie bei 7th Continent. Und erwarte nicht so viel zusammenhängende Story wie in Time Stories. Sleeping Gods ist in bester Tradition ein Ryan Laukat Spiel und entweder mag man diese Art von Genremix oder eben nicht,

    Sleeping Gods hat auch eine Art Push-your-Luck-Mechanismus bei den Fähigkeitsproben. Nur eben auf mehrere Charaktere und deren Ausrüstung verteilt. Insgesamt ist die spielmechanische Ebene des Spiels eher dünn im Vergleich zu typischen Eurogames. Eigentlich sind das alles typische Amitrash-Elemente, die hier kombiniert worden sind. Und auch wenn kein Würfel geworfen wird, so kommt doch ein Zufalls-Kartenstapel zum Einsatz, der eine Schwankung im Endergebnis simuliert. Welche Proben in welchen Storyabschnitten benötigt werden, war für mich kaum vorauszuahnen, ebenso wenig, wohin sich die Storyabschnitte entwickeln würden. Manch einer könnte das fremdbestimmt nennen, wenn Du Dich schon im 7th Continent Startabenteuer durch die Fluch-Hinweis-Karte fremdbestimmt gefühlt hast.


    Im Zweifel mal irgendwo anspielen oder den Anfang eines LetsPlay-Videos anschauen. Dann wird schnell klar, was das Spiel zu bieten hat und was nicht.


    Mir hat Sleeping Gods beim Mitspielen gut gefallen. Einzig der Schwierigkeitsgrad war zu einfach und der wird dadurch reguliert, in welchen Gegenden man so herumschippert. Wir hatten uns wohl zu lange in zu seichtem Gewässern aufgehalten, denn wirklich gefährdet waren wir nie. Trotzdem lebte das Spiel für mich vor allem durch die Storyabschnitte und der Spannung den Hinweisen in einzelnen Storyabschnitten nachzugehen, um zu erfahren, wie das alles ausgehen wird.

    Ohne etwas spoilern zu wollen: Die Jagd ist anders, wenn man mal ein Lager aufschlägt. Details dazu bitte selbst im Spiel erfahren, weil alle Diskussion hier würde nur dem Spiel das Selbst-Entdecker-Element nehmen. Einfach mal im Spiel ausprobieren und sehen, wie sich ein Lager aufschlagen auswirkt. Das ganze Spiel ist eh ein Try-and-Error.

    7th Contintent: Das Abräumen der Spielwelt, wenn man sein Lager aufschlägt, macht thematisch wie spielerisch durchaus Sinn. Die Gegend verändert sich zwar nicht, aber die Schicht der zufälligen Ereignisse und Begebenheiten, die auf dieser Gegend liegt. So wird eine statische Spielwelt vermieden, in den Möglichkeiten eines Brettspiels. Wer da stets die volle Kontrolle behalten will, kann es gerne anders spielen. Ob es dann noch das ursprüngliche 7th Continent Erlebniss bleibt, muss jeder für sich entscheiden.


    Geht für mich in die selbe Richtung, wie keine Karte zeichnen zu wollen, um Zeit zu sparen, sondern die Spielfläche abzufotografieren. Ich habe bei meinem 7th Continent Spielpartien (solo) durchaus auch mal 30 Minuten hin- und hergezögert, ob ich einen bestimmten Einmal-Gegenstand jetzt wirklich einsetzen will. Die Zeit habe ich mir aber auch gerne genommen. Kann aber verstehen, wenn man möglichst schnell viel erleben will, weil man sich nicht die Spielzeit nehmen will oder kann. Genau deshalb habe ich 7th Continent (fernab eines gescheiterten 2-Personen-Versuchs) auch nur solo gespielt. Eben weil ich da selbst mein eigenes Spieltempo bestimmen kann.


    Ein Sleeping Gods mit den vielen ausliegenden Besatzungsmitgliedern mit ihrer Ausrüstung und Sondereigenschaften wäre mir hingegen solo viel zu viel Aufwand, da den Überblick zu behalten. Das habe ich nur entspannter in 3er-Runde mitgespielt und da hat die Rollenverteilung gut geklappt, weil wir uns da gegenseitig auch den eigenen Entscheidungsspielraum gelassen haben. Ich weiss von Bernd68 aber auch, dass er vorab solo eine Kampagne gespielt hat und davon begeistert war. Allerdings war ich persönlich nie ein Freund davon, eine Gruppe von Charakteren steuern zu müssen - egal ob im Videospiel (Baldurs Gate vs. The Witcher) oder bei Brettspielen (Sleeping Goods vs. 7th Continent). Weil ich möchte mich voll und ganz mit einem Charakter identifizieren, auch um das "being there"-Gefühl haben zu können.

    Tipp: Schau Dir ein LetsPlay an, da sollten in den ersten 5 Minuten alle Fragen beantwortet werden, ohne dass Du Dich entschieden spoilerst. Dann erkennst Du auch für Dich, welche Fragen absolut unbedeutend sind und auf was es in den Spielen wirklich ankommt. Die Sleeping Gods Seekarte ist ein doppelseitiges A4-Papier und liegt dem Spiel mehrfach bei - jede neue Kampagne verbraucht genau ein Blatt davon. Die Seekarte ist zeitgleich das Logbuch, weil da voranging mit Symbolen und Kürzeln gearbeitet werden soll.

    Bei Sleeping Gods hältst Du Deinen Fortschritt auf der Seekarte fest. Wer da zu schlampig mitnotiert, wo welche Keywords verlangt oder vergeben werden und wo man welche Kurzgeschichte angefangen und beendet hat, der muss ein sehr gutes Gedächtnis haben oder verliert den Überblick und dann wohl auch den Spielspass, wenn man nur noch blind umherirrt.


    Bei 7th Continent empfiehlt es sich, eine grobe Karte selbst zu malen, um sich zwischen zwei Spielsessions nicht zu verirren oder wenn Du Dein Lager aufschlägst und alle Wegekarten einsammelst. Wie detailiert oder grob diese Karte ist, liegt aber völlig bei Dir. Manche fotografieren ihre Kartenauslage auch, aber diese Denke ist mir zu viel Powergaming und zu wenig eigenes Erlebnis, zu dem für mich auch gehört, mit unvollständigen Kartenaufzeichnungen später zurecht kommen zu müssen. Ich habe 7th Continent (solo) aber auch komplett thematisch gespielt, mit dem Weg als Ziel und den Herausforderungen auf diesem Weg als Motivation, eine ganz eigne Geschichte erleben zu können.

    Sleeping Gods spielt sich mehr wie eine Sandbox: Du entscheidest, was Du als nächstes machst. Dabei gibt es viele Kurzgeschichten zu entdecken, die aber nicht zusammenhängen. Ist die eine Kurzgeschichte abgeschlossen oder Du entscheidest Dich, die nicht weiter zu verfolgen, dann kannst Du Dir die nächste Kurzgeschichte suchen. Oftmal weisst Du aber nicht, was Dich da erwarten wird und ob Du überhaupt dafür passend gerüstet und ausgerüstet bist. Einzig die Gefährlichkeit von Kurzgeschichten eines Bereiches sind vergleichbar und wenn Du merkst, dass das da aber arg heftig war, kannst Du lieber woanders eine neue Kurzgeschichte suchen.


    7th Continent ist klar durch den Fluch definiert, den Du Dir am Anfang des Spiels aussuchtst. Der gibt die Aufgabe vor und den Rahmen, wohin Du Dich bewegen solltest und was Dich da erwartet. Klar kannst Du auch ganz bewusst oder verzweifelt vom eigentlichen Weg abweichen, teilweise auch, weil Du Hinweise falsch gedeutet hast, aber das merkst Du dann schon irgendwann. Das ist dann so eine Sandbox mit abgesteckten Grenzen durch den Fluch, der die eigentliche Story definiert. Weichst Du zu stark ab, wirst Du die Story nicht erfüllen können oder nur auf glücklichen Umwegen.


    Beides gute Spiel in einem vergleichbaren Genre. Mit keinem der Beiden machst Du was falsch, sofern Dir dieses Genre gefällt.