Beiträge von Maus im Thema „[2021] Vagrantsong - by Wyrd Games“

    „Die Eulen sind nicht was sie scheinen…“

    die Log Lady, Twin Peaks


    Erlebnisbericht Nach 8 gespielten Kapiteln


    Die Story

    Vagrantsong kommt im Gewand einer amerikanische TV Show daher. Die einzelnen Episoden erzählen lose zusammengeheftet, kleine Geistergeschichten. Diese sind und bleiben voller Andeutungen, was ihnen eine inspirierende Tiefe mit viel Deutungsfreiheit verleiht.

    Dazu kommen in der Camp Phase kurze meditative Blicke in die Landschaft, flüssig wie Traumbilder.

    Der Tonfall ist dabei nicht der klassische Pulp von Twilight Zone, sondern stets leicht melancholisch wie ein Blues von Robert Johnson.

    Erzählerisch ist Vagrantsong ein Meilenstein. Man merkt aber, dass man sich nicht in seiner Muttersprache bewegt, da viel Jargon und Umgangssprache verwendet wird.


    Das Spielmaterial

    Ist wertig und für unser Empfinden außerordentlich schön und gut designed.

    Die Acryl Standees hätten (der Umwelt zuliebe) auch gerne aus Karton sein dürfen. Für das was das Spiel abliefert, ist die Box erstaunlich klein, es fehlen unserer Meinung nach aber ein paar Status Tokens, die improvisiert werden müssen, da sonst manche Effekte leicht vergessen oder übersehen werden können.


    Die Regeln

    Sind nicht ausufernd, gerade im Storybook aber oft etwas knapp gehalten.

    Das Regelbuch muss sorgfältig gelesen werden, weil Details teilweise erst in Beispielen erwähnt werden. Das faq auf der Homepage klärt ein paar Fragen, die auftauchen, aber nicht alle.

    Wer auf die deutsche Version wartet, dem ist eine etwas ausgereiftere Version zu wünschen.

    Das Regelbuch fanden wir nicht schlecht, aber an einigen Stellen ausbaufähig.


    Die Kapitel

    Jedes Kapitel kommt mit neuen Regeln, jeder Haint (Boss) wird etwas anders gespielt. Dies führt auf der positiven Seite zu einem abwechslungsreichen Spielerlebnis, aus den begrenzten Regeln und wenigem Spielmaterial wird sehr viel herausgeholt. Der Nachteil ist, dass jedes Kapitel mit genauem Regelstudium beginnt, und ein Spieler während des Szenarios durchgängig damit beschäftigt ist im Storybook zu referenzieren, was der Haint macht, welche Effekte zu beachten sind etc.

    Dadurch spielen sich die Kapitel nicht sonderlich fluffig.

    Gerade in den ersten Kapiteln hatten wir das Gefühl, dass der Lern- und Nachschlage-Aufwand in einem nicht so guten Verhältnis zur Spieldauer steht, die Szenarios waren in dem Moment vorbei, als man sich reingespielt hatte.

    Dieses Verhältnis wird, so unser derzeitiger Eindruck, im Laufe der Zeit besser.

    Die Spezialregeln der Encounter sind zum Teil recht knapp beschrieben, hier muss manchmal zunächst gegrübelt werden, ehe man versteht, wie eine Mechanik funktioniert.


    Der Spielerzug

    Die Möglichkeiten der Vagrants sind auf 5 Standardaktionen und max. 4 Skill Aktionen begrenzt, dazu kann 1 Ausrüstungsgegenstand getragen werden (ein Vagrant hat die Spezialfähigkeit einen weiteren Gegenstand tragen zu dürfen). Ausserdem kann jeder Vagrant noch 2-4 Krempel Tokens haben, von denen er einen pro Runde als freie Aktion einsetzen kann.

    Das alles hat man schnell verinnerlicht, der Spielerzug ist eher klein, aber dennoch interessant.

    Den Bösewichtzug zu spielen nimmt mehr Zeit ein als einen Vagabundenzug, das könnte für manche Spieler möglicherweise ziemlich negativ ins Gewicht fallen.


    Die Camp Phase

    Hier können neue Fertigkeiten, Boni und Anderes erworben und repariert werden. Dabei werden die Vagabunden nicht mit immer stärker werdenden Powerskills überhäuft, es wird eher eine Auswahl geschaffen, auf die man in dieser Phase frei zugreifen kann.

    Abgeschlossen wird diese Phase von einer kleinen feinen Textpassage (Karte), in der die Spieler entweder individuell oder als Gruppe Entscheidungen treffen.

    Wir empfinden die Camp Phase so wie ist gelungen.


    So what, ol pal?

    Vagrantsong ist ein liebevoll gebautes, faszinierendes Kleinod mit Kratzern, blassen Stellen und ein paar Macken.

    Eine wirklich gute Übersetzung dürfte für fast jeden nicht nativ Speaker eine Aufwertung des Spiels bedeuten, aber es wird auch richtig schwer werden, dieses Spiel in seiner knappen Form ins Deutsche zu übertragen.

    Dennoch würde ich auch die englische Variante jedem wärmstens ans Herz legen, den das Thema anspricht, und der keine Angst hat vor einer gewissen buchhalterischen Pedanterie, die für das Spielen der Szenarios notwendig ist.

    Jump on dis crazy train! 8/10 Points