Beiträge von PeterRustemeyer im Thema „Nichtspieler und die Einstiegshürde der Spielregeln“

    Sternenfahrer

    Ich kann da auch nur orakeln, ich bin kein Verlagsmitarbeiter und habe nur bedingt Einblick in die Arbeitsweise der Redaktionen.

    Ob und wie und von welchen Verlagen Regel-Blindtests gemacht werden, kann ich dir nicht sagen.


    Ich selbst mache als Autor hin und wieder Blindtests für Spiele und/oder Regeln, aber eher selten. Es ist schon teilweise sehr schmerzhaft/lehrreich, wenn man jemandem eine Regel in die Hand drückt und ihn dann bittet, das Spiel zu erklären. ;)


    Wo entstehen da die Kosten?


    Generell verursacht selbstverständlich jeder zeitliche Aufwand Kosten - und blindtesten lassen, das Feedback aufnehmen und einarbeiten, das kostet Zeit.

    Zeit, in der der Redakteur zum Beispiel auch an einem anderen Spiel arbeiten könnte.


    Anonsten würde ich sagen: "Es kommt drauf an..."


    Etwa, ob du das Spiel lokalisierst. Dann kriegst du die Blindtester geschenkt: all das Gejammer der englischsprachigen Spieler oder Kickstarterbacker auf BGG. Dafür bist du hier auf andere Art und Weise eingeschränkt, kannst zB vielleicht das Layout der Regel nicht anpassen, hast nur 3 Zeilen Platz, wo du in der raumfüllenden deutschen Sprache 5-10 Zeilen bräuchtest etc.


    Wenn du nicht lokalisierst, sondern dein eigenes Spiel machst:

    Klassischerweise ist die Spielregel ungefähr der allerletzte Schritt, weil alles andere schon fertig sein muss - du willst ja idealerweise das endgültige Spielmaterial in den Beispielen zeigen, und du willst Icons einer fertigen Symbolsprache erklären, nicht die komischen Platzhalter, die ihr aus dem Internet zusammengeklaut habt. Diese quasi fertige Regel kannst du blindtesten... in einer perfekten Welt, in der es keine Abgabetermine gibt.


    Die Alternative - mitten im Designprozess - wäre mit enormem Aufwand und haufenweise verschwendeter Zeit verbunden.

    In dieser Phase änderst du jede Woche zig Detailregeln und Werte, schraubst am Balancing rum, packst Spielelemente rein oder wirfst sie raus... Zu diesem Zeitpunkt ist die Regel aus Effizienzgründen bestenfalls eine krude Tabelle, du schreibst sicher nicht täglich eine endkundenfreundliche Version der Regeln oder machst alle Beispielgrafiken neu. Feedback zu einem Regeldetail, das es nächste Woche vielleicht nicht mehr gibt, ist völlig nutzlos.


    Es bleibt aber selbstverständlich immer im Hinterkopf, dass das Spielgeschehen auch irgendwann in Regelform gegossen werden muss, und wenn Autor oder Redakteur das Gefühl haben, dass sich ein Spielelement nur sehr schwer oder mit sehr viel Regelbedarf vermitteln lässt, dann ist das nicht der schlechteste Grund, es "wegzustreamlinen". ;)

    Die Spielebranche ist doch generell ein Ort der Ausbeuterei und Idealismus.

    Das ist übrigens auch einer der Hauptgründe, warum es so wenige appbasierte Hybrid-Brettspiele gibt.

    So eine App schreibt entweder der Autor selbst, weil er das halt zufällig kann, oder niemand macht das.


    Denn im Gegensatz zur Brettspiel- und Kreativenbranche kennen Programmierer ihren Wert und lassen sich nicht für "Exposure" oder Pfennigbeträge anwerben. ;)


    Sepiroth

    Nein.

    1. Wenn du gleich eine internationale Auflage rausballerst, sinken a) die Stückkosten und b) hast du auf einen Schlag mehr Geld in der Hand, weil deine Partner dir sofort die ganze Auflage abkaufen.

    2. Es hindert dich keiner daran, auf ein und dasselbe Video zig verschiedene Tonspuren draufzulegen.

    Da kommt es sicherlich drauf an, wer es produziert. Wenn es eine interne Produktion ist, wird es sicherlich günstiger. Oder wenn man Youtuber beauftragt, die es für einen Bruchteil im Vergleich zu einer Produktionsfirma machen.


    Das muss dann aber auch erstmal wieder jemand intern können. Also einen ordentlich strukturierten Vortrag vorbereiten, sicher und klar in eine Kamera reden, wie auch vernünftig mit der entsprechenden Ton- und Bildbearbeitungssoftware umgehen können.

    HiG hat uns zur Spiel.digital ein professionelles Video gegönnt, und ich finde, das ist mit dem ganzen animierten Blingbling schon nochmal ne komplett andere Hausnummer, als wenn ein Redakteur oder Blogger in eine hastig aufgestellte Kamera reinlabern und mit dem Finger auf ausgebreitetes Spielmaterial zeigen. Das kann auch seinen Charme haben, aber es ist halt nicht professionell. ;)


    Und was mir bei sowas immer wieder aufstößt: selbst wenn du dir das vielleicht umsonst "ergaunern" kannst, das täte nur mal wieder die mangelde Wertschätzung zeigen, unter der die gesamte Kreativenbranche leidet: "Kein Bock, für sowas zu bezahlen, sowas ist doch keine richtige Arbeit, das kann doch eh jeder. Im Zweifelsfall geh ich auf fiverr.com und kauf mir den billigsten Illustrator der Welt. Werd schon irgendeinen Niedriglohnländer finden, der mir 100 Illus für 1000 Euro macht. Und wenn ich ein Logo für meine Firma brauche, das macht die befreundete Grafikdesignerin mir doch eh umsonst in der Mittagspause. Oder so ein 6 Minuten Video, das ist doch in 6 Minuten gemacht. Ist ja kein Aufwand. Sorry, da geb ich kein Geld für aus."


    Sepiroth

    Bei einer derart winzigen Auflage ist das natürlich nicht bezahlbar.

    Es ist auf jeden Fall immer wieder ein schöner Realitätscheck, Spiele mit Leuten zu spielen, die nicht Vielspieler, Vereinsspieler, Spieleautoren oder sonstwie Spiele-sozialisiert sind. Viele Elemente, die man für total intuitiv hält, bringen gigantische Fragezeichen mit, andere Dinge, die eher komplex wirken, funktionieren dann doch irgendwie.

    Noch schlimmer wird es, wenn die Spieler sich das alles selbst erarbeiten sollen. ;)


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    Ich kann mit meinen Eltern zum Beispiel gerade noch #Dominion spielen.

    Die Abläufe sind schnell erklärt: ich kuck meine 5 Karten an, mach 1-3 Aktionen, kaufe 1-2 Karten, der nächste ist dran. Dörfer und Schmieden, Silber und Gold, alles kein Problem. Netter Flow, alles wächst, und das Ziel ist klar (bessere Karten kaufen, irgendwann Provinzen kaufen).

    Aber schon die "Kapelle" ist zu viel. Das Konzept "Deck verschlanken", damit die guten Karten schneller rotieren... zu viel Umweg im Kopf, zu gamey.

    Genauso passiert es gefühlt eher zufällig, dass einer der beiden an 8 Gold kommt, um eine Provinz zu kaufen. Spaß haben sie trotzdem. ;)