Beiträge von ravn im Thema „(Kenner-) Spiel des Jahres 2021“

    Robin Hood und Paleo


    Zwei Spiele mit einfachstem Einstieg, die vollkommen tauglich für Wenigspieler sind und nach und nach durch den modularen Aufbau mehr Spieltiefe bieten. Die Zweitauflage von Paleo mit der neuen Anleitung und dem erweiterten Beiblatt (gestern erstmalig selbst gesehen, möchte ich auch gerne!) und dem 6-Minuten-Spielerklärvideo hat meine bisherigen Kritikpunkte an dem Spiel getilgt. Wirklich gelungene Verbesserungen.


    MicroMacro ist für mich eine nette Zwischendurch-Unterhaltung, hat aber seine Handlingprobleme mit mehr als 2 Spielern. Fast schon ein Solospiel oder jeder hat seinen eigenen Stadtplan, was aber mehr Exemplare braucht und deshab so kaum vorkommen wird. Fantastische Reiche hat für mich leider nur durchschnittliche bis langweilige Illustrationen und ein Schachteldesign, bei dem die Karten keinen Halt finden. Arnak sehe ich als guten und atmosphärischen Best-of-Eurogames-Mix, dem aber ein wenig das innovative Alleinstellungsmerkmal fehlt. Zombie Teens Evolution habe ich als Einziges nicht gespielt, aber spricht mich von den Spielmechaniken auch nicht an.


    Richtig falschtmacht wohl keinerlei Käufer was mit den Nominierten, sofern man vorab weiss, was einem erwartet. Ergänzen sich eigentlich gut, um die Spieleleidenschaft zu wecken oder zu vertiefen. Trotzdem sind Robin Hood und besonders Paleo meine Favoriten. Wobei ich nur Paleo wirklich uneingeschränkt universell empfehlen würde, eben weil Robin Hood das Material-Abnutzungsproblem hat. Bin auf morgen gespannt und drücke allen Beteiligten die Daumen.

    In der neuen Spielbox wird Zombie Teenz Evolution besprochen - von Udo Bartsch. Ist das schon eine vorausschauende Prophezeiung oder nur die Einzelmeinung eines Jury-Mitglieds? Denn eine "6" ist laut Spielbox-Wertungsskale nur "mittelmässig" an der Grenze zu "gut", aber eben nicht gut genug, um wirklich gut zu sein. Damit auch nicht gut genug für das Spiel des Jahres?


    Lesenswert dazu auch das Editorial, das genau diese Frage aufgreift. Spielbox-Noten taugen meiner Meinung nach eben doch nicht als Orakel, sondern sind nur Einzelmeinungen.

    Nachdem ich nun alle drei Kennerspiele der Nominierungsliste besitze und auch solo oder in immer derselben 2er-Runde spielen konnte, was dann natürlich meine Erfahrung einschränkt, wie gut die Spiele in unterschiedlichen Runden und Spielerzahlen ankommen, kann ich für mich nur zu einer Prognose kommen:

    Es werden alle drei zum Kennerspiel nominierten Spiele den Preis gewinnen. :)


    Paleo als kooperatives Erlebnis und gemeinsame Herausforderung mit tollem Spannungsbogen, bei der jede Partie zum Abenteuer wird. Arnak als eher typisches Eurogame, das auf allen Ebenen alles richtig macht und anspricht und mit Solo- und Kampagnenmodus seine Varianz nochmals erhöht. Fantastische Reiche als schneller Absacker mit der starken Motivation, irgendwann mal das perfekte Spielergebnis zu erreichen oder dem ganz nahe zu kommen.


    Wer mag, kann aber ebenso an jedem Spiel für sich berechtigte Kritik äussern, was dann die Lieblingsrangfolge verändern kann.


    Für mich hätte ich mir Paleo direkt in der Erstauflage mit dem verbesserten Regelheft gewünscht. Für mich hätte ich mir für Arnak einen stabileren Spielekarton mit Pappinlay gewünscht. Für mich hätte ich mir bei Fantastische Reiche eine kleinere und auf die Karten zugeschnittene Spieleschachtel gewünscht.

    aber eben nicht gleichwertig mit dem Jahresgewinner, weil sonst bräuchte es keinen "einen" Gewinner.

    Ich will es nicht gerade Altersweisheit nennen.
    Aber meiner Meinung nach gibt es viel weniger schlechte Spiele als viel zu oft den falschen Spieler am Tisch. :/
    Das System des "Besten" beschneidet das Leben um so viel Erfahrung. 8-))

    Ja - Gewinner brauche ich nicht. 8o

    Du und ich und wir brauchen weder Nominierte noch Gewinner. Wir sind da nicht die Zielgruppe. Anderen hingegen kann eine Abstufung helfen.


    Und für die unpassenden Mitspieler ist dann jeder selbst verantwortlich. Da kann wohl keinerlei Jury helfen. :teach:

    sondern "nur" nominiert

    Und? Dadurch sind es schlechte Spiele geworden? Weil sie nicht "Erster" waren?

    Ist wohl doch etwas dran, dass unsere Kultur alles als "schlecht" betrachtet, was nicht gewinnt. :/

    Gewiss nicht schlecht. Mindestens ebenso empfehlenswert aus Sicht der Jury, ... aber eben nicht gleichwertig mit dem Jahresgewinner, weil sonst bräuchte es keinen "einen" Gewinner.

    Habe meine persönliche Meinung geändert: MicroMacro taugt doch fürs Spiel des Jahres.


    Wenn dann, wie angekündigt, in der neuen Auflage die Karten mit expliziten Themen gekennzeichnet wird und das auch per Hinweis auf der Schachtelrückseite deutlich wird. Denn all diese expliziten Themen gehören zur Lebenswirklichkeit dazu und wenn die in einem begleitenden Umfeld angesprochen werden, kann genau dieses begleitende Umfeld entscheiden, ob und wann und wie solche Themen angesprochen werden. Oder eben für sich entschieden werden, diese Themen noch zu meiden.


    Oder wird dem begleitenden Umfeld damit zu viel Verantwortung aufgedrückt bei etwas, das bisher in meiner Wahrnehmung als "kann bedenkenlos auch von Kindern der aufgedruckten Altersgruppe alleine konsumiert werden" eingeordnet war?

    Schon oftmals selbst erlebt: Auf Spieletreffen eine Spielebox erblickt mit einem Pöppel drauf und erst auf dem zweiten Blick gesehen, dass das nicht der Gewinner des Jahres war, sondern "nur" nominiert für oder so. Ebenso in Werbeanzeigen in der spielbox oder Fairplay erlebt und erst der zweite genauere Blick hat das "Nominiert für..." erblickt. Wenn dieser Effekt nicht gewollt wäre, würden die Verlage es anders machen oder die Jury es anders vorgeben und den Sieger deutlicher von den Nominierten trennen.

    Ersetze meine Oma durch "Hat keine Ahnung von modernen Brettspielen. Kennt Mensch Ärgere Dich und Mühle und Monopoly und Risiko aus der eigenen Jugend. Spielt selbst nur mit, um ihrem Umfeld eine Freude zu machen. Siedler von Catan war schon spannend, aber auch fordernd." Also ungefähr so, als ob ich ein Motorrad kaufen sollte ... oder so.

    Kann ein Spiel zum Spiel des Jahres gekürt werden, das von einem Jurymitglied als "reizvoll" bezeichnet wurde? Und damit eben nicht "außerordentlich" oder gar "genial". Also ein Spiel, was als durchweg gut empfunden wird, aber eben auch nicht mehr. Weil mechanisch unspektakulär, nach zwei Durchläufen auserzählt und für fortgeschrittene Spieler unterfordernd. Aber zeitgleich auch einsteigerfreundlich, innovativ, nachvollziehbar, atmosphärisch.


    Udo Bartsch: Rezensionen für Millionen: Die Abenteuer des Robin Hood


    Mal an die Zielgruppe gedacht: Die Oma kauft ihren Enkeln zu Weihnachten ein Brettspiel, die 10 und 12 sind und ab und zu mal fernab der Klassiker Brettspiele spielen. Aber die noch weit davon entfernt sind, eine eigene Spielesammlung zu besitzen und auch die Eltern begleiten das eher wohlwollend und sind selbst auch keine Spieler. Was würdet Ihr als Fachverkäufer dann empfehlen bei der Auswahl der drei Nominierten?


    MicroMacro ... ne, da steckt zu viel Gewalt drin und zudem ist das Spiel recht farblos und eher unspektakulär vom Material im Sinne eines Brettspiels. Robin Hood ... da macht man nix falsch, wenn auch recht hochpreisig. Zombie Teenz Evolution ... könnte den Kindern gefallen, weil kommt weniger gediegen-staubig daher - nur muss man der Oma erst einmal erzählen, was Teenz und Evolution ist.


    Jip, auch wenn ich Zombie Teenz Evolution nicht kenne. Das wird es wohl ... eventuell ... oder auch nicht.

    "Grillanzünder" als Spielebewertung hat ja auch einen ganz eigenen Kontext hier im Forum, bzw. im Marktplatz hier. Ist eben die Frage, ob dieser durchaus augenzwinkender Kontext bei aller persönlicher und deshalb vollkommen berechtigter Abneigung zu einem Spiel, auch so verstanden wird. Als gebranntes Foren-Kind weiss ich da durchaus, dass manche Worte auch ganz anders ankommen und verletzen können, obwohl so nie gemeint.

    Kategorie Grillanzünder? :rolleyes:


    Wenn das lustig gemeint sein soll, hab ich wohl ein anderes Humorverständnis, das Respekt vor Spielen und ihre Autoren hat, selbst wenn diese Spiele mir persönlich so gar nicht zusagen. Bin da spätestens nach solchen unüberlegt hingerotzten Aussagen wie "Sondermüll für Vielspieler" nachdenklicher geworden, wie sowas bei den Beteiligten ankommt - selbst wenn es bewusst polemisch oder übertrieben gemeint war.

    Res Arcana ist wesentlich komplexer mit seinem Ressourcen- und Aktions-Management. Die Möglichkeiten und Wege dazu sind vielfältig und durch den vorab gewählten Charakter und die Zusammenstellung (im Spiel per Drafting oder vorgefertigt dem Charakter zugeordnet) der Karten bestimmt. Res Arcana ist mit seiner Symbolsprache eher im Expertenbereich anzusiedeln und die möglichen Spielzüge sind im Zusammenspiel komplexer, wenn die sinnvoll sein sollen.


    Fantastische Reiche ist eher die Optimierung des aktuellen Ist-Zustand meiner Handkarten-Eigenschaften. Dazu stelle ich mir immer wieder die Frage, ob eine der verfügbaren Karte der Auslage meine Handkarten verbessern oder ich eher auf eine Zufallskarte aus dem verdeckten Nachziehstapel hoffe. Und dann, welche Karte ich abwerfe und damit meinen Mitspielern zur Verfügung stelle.


    Fantastische Reiche ist sehr gradlinig, sehr fokussiert, bewusst sehr reduziert. Wobei die Herausforderung darin liegt, in diesem engen Rahmen das Bestmögliche oder zumindest ein besseres Ergebnis im Vergleich zu meinen Mitspielern zu erreichen. Ein tolles Kennerspiel, das man in sehr überschaubarer Zeit und möglichst mehrfach spielen kann und sollte, um alle Karten-Eigenschaften mal gesehen zu haben und dann wesentlich zielgerichteter spielen zu können.


    Beides tolle Spiele. Gemeinsam haben die ein Fantasy-Thema und Karten. Das Spielgefühl ist so verschieden, dass die problemlos nebeneinander in einer Sammlung existieren können und auch unterschiedliche Spielegeschmäcker ansprechen.

    Bei Riftforce hat mich bisher die Beschreibung "wurde vom Verlag als Mischung aus UNO und Magic betitelt" abgeschreckt, die ich so oder vergleichbar oftmals in diversen Kritiken gelesen habe. Manchmal auch als bessere Mau-Mau-Variante beschrieben.


    Erinnert mich an die Anpreisung einer optisch opulenten SPIEL-Neuheit vor Ort am Verlagsstand, die mit den Worten "Ist wie Risiko ..." eingeleitet wurde und ich innerlich nach diesen ersten drei Worten geistig ernüchternd abgeschaltet habe und krampfhaft überlegte, wie ich diese Situation für beide Seiten schnell und elegant beenden könnte.

    Für die Preisvergabe hoffe ich persönlich auf Robin Hood als Spiel des Jahres, weil dann Kosmos den nötigen Erwartungshaltungdruck bekommt, die Haltbarkeit der Plättchen zu optimieren ... für zukünftige Erweiterungen oder neue Abenteuerspiele mit diesem Spielsystem.


    Beim Kennerspiel einfach alle drei Nominierten auf den ersten Platz setzen, weil ergänzen sich gut in einer Spielesammlung für die angepeilte Zielgruppe. Zumal alle drei Spiele auf Karten basieren, die unterschiedlich oft benutzt werden und deshalb geradezu nach Kartenhüllen schreien. Somit könnte man die Zielgruppe auch an den potentiellen Mehrwert von hochwertige Kartenhüllen heranführen - mit all seinen Vor- und Nachteilen.

    Gute Listen in schwierigen Zeiten für Spielekritiker und Spieler. Bis auf Zombie Teenz Evolution habe ich alle Empfehlungs-Kandidaten von den beiden Erwachsenen-Preisen in meiner Sammlung und könnte die deshalb ebenso weiterempfehlen. Sind eben alles arg unterschiedliche Spiele und werden damit bei unterschiedlichen Personen ebenso unterschiedlich ankommen. Stecke ich doch noch so tief im Mainstream?


    Bei Arnak mit seiner 24seitigen A4-Anleitung war ich zunächst überrascht, wie komplex das Spielgeschehen sein muss, dass man dafür 24 Seiten benötigt. Aber nach erstem Regelstudium war eigentlich alles klar. War eben nur mit vielen Abbildungen, Beispielen, einleitenden Storytexten und einer Variante plus Solomodus beschrieben. Das Spielgesehen lässt sich für Kenner in wenigen Minuten zusammenfassen, zumal viele Spielmechanismen bekannt sind, aber ggf. in Details dann leicht anders hier. Beim Spielplan hätte ich allerdings die Kartenauslage vom Rest getrennt, um den Aufbau auf dem Spieltisch flexibler zu machen. Zumal der eigentliche Spielbereich eh übertrieben raumgreifend ist, damit die atmosphärische Grafik wirken kann. Rein auf die Mechanismen reduziert (was dem Spiel in meinen Augen viel nimmt) hätte man das alles auch wesentlich kompakter umsetzen können. So ist es eben eine kleine Deluxe-Ausstattung in der Normalversion. Was dann eventuell den recht hoch angesetzten Verkaufspreis von 59 Euro erklärt. Schon 2019 in Essen war 60 das neue 40 bei den Preisen für Eurogames-Neuheiten.


    Faiyum hätte ich persönlich noch gerne auf der Kennerspiel-Empfehlungsliste gesehen. Eben weil man gemeinsam eine Landschaft bebaut und dabei durch seine Kartenhand und den Verlockungen von tollen neuen Karten im gemeinsamen Markt getrieben wird. Eben nicht, weil die Spielregel einige Begriffe nur unzureichend erklärt und voneinander abgrenzt, zu viele Details auf das Kartenübersicht-Beiblatt auslagert und durch die Freiräume auch mässig spannende Partien entstehen können.

    Mal ein paar Ansatzpunkte, warum es potentielle Favoriten doch nicht werden und somit Plätze frei werden könnten auf der Spiel des Jahres (was dann wieder die anderen Kategorien beeinflusst) und Kennerspiel des Jahres Liste ...


    Micro Marco Crime City: Die dem Spiel zugrunde liegende Idee ist genial. Allerdings habe ich die Spielbarkeit mit mehreren Spielern doch als eingeschränkt erlebt. Dann man muss auf der gleiche Seite sitzen oder besser stehen, um den Stadtplan in richtiger Orientierung zu sehen. Dazu braucht es noch eine sehr gute Beleuchtung, bei der man nicht selbst Schatten auf den Stadtplan wirft. Will jemand mit dem Kopf nahe am Stadtplan irgendwelche Details entdecken, dann haben die Anderen erstmal Pause, weil alles verdeckt ist. Und letztendlich ist das Thema "Kapitalverbrechen und niedrigen Beweggründen" nicht gerade familienfreundlich positioniert.


    Die Abenteuer des Robin Hood: Auch hier finde ich die konsequente grafisch-illustratorisch orientierte Umsetzung absolut gelungen. Leider kann die episodenhafte Geschichte da nicht mithalten. Je nach Spielweise können sich langweilige oder scheinbar unlösbare Spielverläufe ergeben, wenn man den falschen Ansatz gewählt hat. Durch die Gabelung der Geschichte entsteht der unangenehme Eindruck, etwas verpasst zu haben. Nur müsste man im zweiten Anlauf die ersten Kapitel alle nochmal spielen und die kennt man schon in der Auflösung, so dass man sich dazu gewungen sehen könnte, die mal ganz anders anzugehen, auch wenn das nicht zielführend erscheint. Dazu kommt das Materialproblem, dass sich die Plättchen schlicht abnutzen und nach der durchgespielten Kampagne angeranzt aussehen. Das Material ist schlicht in dieser Form nicht dauerhaft für das Spielprinzip geeignet.


    Paleo: Atmosphärisch tolles Spiel, keine Frage. Nur ist das Spiel in der Erstversion mit einer Spielregel auf den Markt gekommen, die zu viele Fragen aufgeworfen hat. Zwar damit spielbar, aber die machte den Spieleinstieg unnötig schwer. Entweder biss man sich dadurch oder greift zur nachgebesserten Zweitauflage, die eben nicht ohne Grund nachgebessert worden ist. Hinterlässt einen schalen Eindruck, dass hier ein Spiel erst im Markt nachgereift ist und das von einem Verlag, der mal für seine Regelwerke hochgelobt war. Da ich die Jury als Personen einschätze, die Paleo mit der Erstauflage kennengelernt haben, könnte dieser "da hatten wir damals aber etliche Fragen nach der Regellektüre und mussten etliches suchen im Regelheft und Beiblatt"-Ersteindruck sich festgesetzt haben.