Beiträge von MetalPirate im Thema „Oranienburger Kanal (2022) Rosenberg bei Spielworxx“

    Die Erstausgabe kann man ohne Probleme weiterhin spielen.

    Klar. Aber wenn allzu schnell eine verbesserte Zweitausgabe herauskommt, dann wird man sich beim nächsten Mal etwas gründlicher überlegen, ob man beim bestreffenden Verlag nochmal Erstauflagen kauft.

    (Wie weit das "verbesserte Zweitauflage" zutrifft, ist natürlich immer Geschmackssache, und hier beim Titelthema Oranienburger Kanal auch noch gar nicht final zu bewerten, solange nur das neue Cover bekannt ist.)

    Die Grafik der alten Version ist für mich funktional, ohne schön zu sein. Wobei ich die Jugendstil-Referenzen sogar eher noch positiv sehe, weil's eben thematisch in die Zeit passt.


    Bei Oranienburger Kanal sehe ich nur die Möglichkeit, die Karten zu vergrößern, wenn sie etwas anderes als Symbolsprache und Text abbilden sollen. Dann müsste man auch das Spielbrett ändern.

    Das Player Board hat 4x5 Linien (für Straßen/Kanäle/Schienen-Plättchen) mit 3x4 inneren Feldern für Karten dazwischen. In der aktuellen Version sind das Mini-Euro-Karten (44x68). Standard-Euro (59x92) wäre sicher zu groß, das dürfte kaum funktionieren. Aber bei Wettlauf nach El Dorado hat ja schon einmal ein französischer Verlag gezeigt, dass man etwas zu klein geratene Karten auch vergrößern kann. FFG-Grün (56x87) oder eher noch die Garphill-Größe (54x86) sollte vielleicht möglich sein.

    Wenn ich tippen müsste, wäre meine Vermutung aber eher, dass es bei Mini-Euro bleibt und die Symbole kleiner werden, um Platz für zusätzliche Grafik zu schaffen. Das kann funktionien, wenn der Vorteil, Karten aufgrund der Grafik wiederzuerkennen, die kleinere Schrift ausgleicht. Aber etwas Skepsis wäre da schon angebracht, denn die Symbolsprache von Oranienburger Kanal ist teilweise schon heftig komplex und bei dieser Masse von Karten (incl. Erweiterungssets) wird es auch kaum möglich bzw. finanzierbar sein, jeder Karte eine individuelle Grafik zu verpassen.

    So leicht wird es nicht, das Spiel jenseits vom Cover grafisch aufzuwerten, ohne sich anderswo Nachteile einzufangen. Da kann man in Essen mal gespannt am Stand von Sylex vorbeischauen und sehen, wie die sich das vorstellen...

    Für mich ist das Cover gar nicht der Punkt. Viel wichtiger wäre das Spielmaterial, und da ist die große Schwierigkeit, dem Ganzen mehr Charakter zu geben, weg von dem hässlichen Excel-Tabellen-Look, ohne dabei die Übersichtlichkeit zu zerstören. Das Grundproblem, dass man auf relativ kleinen Karten relativ viel Information unterbringen muss, löst sich ja nicht durch die Ankündigung einer grafischen Überarbeitung. Cover ist einfach. Bei den Karten geht's ans Eingemachte.

    Ich kann beides verstehen. Ein Verlag hat selbstverständlich ein Interesse daran, seine Spiele international unterzubringen und wenn der Partnerverlag (hier: Sylex) das nur mit neuer Grafik machen will, dann isses eben so. Auf der anderen Seite muss der Originalverlag natürlich aufpassen, dass bei den eigenen Crowdfunding-Backern der Erstauflage nicht der Eindruck hängenbleibt, dass es sinnvoller ist, bei der nächsten Crowdfunding-Kampagne auf das Backen zu verzichten und direkt die Zweitauflage abzuwarten. Denn damit würde sich der Verlag auf Dauer selbst den Boden unter den Füßen wegziehen.

    Genau um bei sowas vernünftige Kompromisse zu ermöglichen, halte ich es eigentlich für gut vertretbar, wenn man als Backer die Erwartungshaltung hat, dass man einen gewissen, zeitlichen begrenzten Bestandsschutz genießt. Dem vernünftigen Crowdfunding-Backer ist doch völlig klar, dass er einen Premium-Preis in erster Linie für den frühen Zugang zu einer Sache bezahlt und selbstverständlich später verbesserte Neuauflagen kommen können. Aber wenn genau das schon ein Jahr später passiert, und das womöglich auch noch günstiger und/oder mit Verbesserungen, die nicht auf die eigene Version übertragbar sind, dann kann man sich da durchaus etwas veräppelt fühlen.

    Genauso wie der vernünftige Backer Verständnis für die wirtschaftlichen Belange der Verlage hat, sollte der Verlag eben auch verstehen, dass der Backer auch gute Gründe braucht, beim nächsten Mal wieder mitzumachen.

    Wie sehr braucht man die Erweiterungen wenn man zu zweit spielt?

    Ob solo oder zu zweit, das macht für die Beantwortung dieser Frage wenig Unterschied.

    Man spielt mit 18 (solo) bzw. 24 (2er) Karten eines zuvor ausgewählten Decks von 60 Karten. Also gerade mal 30% bzw. 40% des Decks. Das ist schon Abwechslung genug für ein paar Spiele, bis man alle Karten des Decks mal hatte. Das Grundspiel hat zwei Decks => doppelt so viele Spiele möglich bis zum "alles mal gesehen" Status. Die beiden Erweiterungen haben zusammen dann noch nochmal vier (!) Decks mehr. Diese zusammen sechs Decks unterscheiden sich nicht großartig, alles eher "more of the same".

    Reicht das, um dir die Frage selbst zu beantworten?

    Am letzten Freitag habe ich das Spiel mit Smuntz auf Tabletopia ausprobiert. Die Grafik ist funktional. Keine Schönheit, aber absolut ausreichend für diese Art von Spiel. Das Thema ist aufgesetzt, aber durchaus passend und stimmig aufgesetzt. Aber die Hauptsache ist, dass das Spiel als solches gut ist und da haben sich meine Erwartungen beim Anspielen absolut bestätigt. Das Spiel ist an sich empfehlenswert. Ich werde es nach langem Hin-und-her-überlegen trotzdem nicht backen und hoffe stattdessen auf eine App-Umsetzung, die ich dann kaufen würde.

    Der Hauptgrund ist, dass das Spiel für mich im wesentlichen ein Solo-Spiel ist und ich kein Solo-Brettspieler bin. Oder eigentlich eher: Es ist ein Puzzle, irgendwo zwischen Logik-Puzzle und Mathe-Optimieraufgabe mit stark räumlichem Charakter. Man kann Oranienburger Kanal zwar zu zweit spielen, aber die Interaktion dort ist gering und vor allem, das ist ein bisschen das Problem hier, rein destruktiv.

    Man spielt eher nebeneinander als miteinander, und wenn man das "miteinander" wirklich ernst nimmt, dann heißt das, dass man konstant schauen muss, wie man dem Mitspieler seine Pläne möglichst brutal zerschießen kann (bzw. beim eigenen Spielen immer auf die Absicherung dagegen achten). Die Interaktion besteht vor allem aus dem Wegschnappen von Karten aus der Auslage, die mir zwar nicht viel nutzen, aber von denen meiner einzigen Gegner mehr profitieren würde als mich der suboptimale Zug kostet.

    Weil es ein 2er-Spiel ist und kein Spiel für 3+ Spieler, braucht man auch keine Angst haben, dass unter dem Strich nur ein unbeteiligter Dritter von einem Zug profitiert, der mir nicht viel nutzt und nur den Gegner stört. Das verstärkt den rein destruktiven Charakter der Interaktion. Damit sehe ich nicht, dass ich das Spiel mit meiner Frau oft spielen würde. Also kann ich mir die 49 bzw. 59 Euro auch sparen.

    Der (Solo-) Puzzle-Aspekt ist jedoch toll umgesetzt. Das macht Spaß. Solospielen hätte hier auch den Vorteil, dass jeder solange herumrechnen kann, wie es ihm beliebt, ohne damit Mitspieler warten zu lassen. Denn das kann man bei Oranienburger Kanal auch beliebig exzessiv betreiben, weil alles bis auf den dreigeteilten Karten-Nachziehstapel offene Information ist. Aber: Wenn das Spiel eigentlich ein Solo-Spiel bzw. Optimier-Puzzle mit Highscore-Jagd ist, dann möchte ich persönlich das am Computer spielen und nicht am Brett. Also: Bitte eine App veröffentlichen, die einem den ganzen lästigen Regelüberwachungs-, Aufbau-, Verwaltungs- und Auszähl-Mist abnimmt, so dass man sich ausschließlich um das kümmern kann, was wirklich Spaß macht. Eine solche App kaufe ich mir dann.

    Die Interaktion stell ich mir im Zweierspiel minimal vor, abgesehen vom üblichen Workerplacement Felderwegschnapp-Prinzip.

    Klar. Sonst ist da nix. Dazu komplett zufallsfrei, außer beim Legen neuer Karten in die Kartenauslage. Wer das komplett durchoptimieren möchte, hat alle Chancen, das zu tun.

    Ich sag's mal so: Das ist was für Leute, die Sudokus, Logik-Puzzles und ähnliches mögen. Ob's etwas für mich ist, entscheide ich morgen. Ich bin noch hin- und hergerissen.

    Auf der Spielworxx-Download-Seite gibt jetzt auch die Kartenglossare für A- und B-Deck:

    Regeln / Rules and more - Spielworxx - anspruchsvolle Brettspiele

    Achtung. Auch wenn man das vielleicht auf den ersten Blick denkt: Mit den beiden Erweiterungen aus der Kampagne hat das nichts zu tun. Das sind die zwei Decks aus dem Grundspiel. Die Erweiterungen enthalten die Decks C bis F, je zwei pro Erweiterung. An die Regeln für Decks C bis F kommt man auch heran, sie sind bei Tabletopia hinterlegt (nur auf englisch).

    Ich habe mir die beiden Grundspiel-Decks angeschaut und einen kurzen Blick auf das C- und F-Deck geworfen. Im Prinzip ist es das, was ich nach der Regellektüre aus den dort abgebildeten Karten samt zugehöriger Regeln erwartet habe. Klar, der eine oder andere Effekt ist nach Regellektüre noch unbekannt und taucht vielleicht auch etwas überraschend beim Lesen auf, etwa ein Verdoppeln von Ressourcen als Ertrag (Achtung: Lagerkapazität nach oben begrenzt) oder ein X/Y/Z -> A/B/C Tausch mit sinkenden Erträgen A/B/C bei steigendem X/Y/Z, aber das ist alles nichts Wildes. Erst recht nicht, wenn man andere Rosenberg-Spiele kennt.

    Das Konstruktionsprinzip, das sich durch sämtliche Decks zieht, ist: Alles, was man sich an Anforderungen an zuvor gebaute Sachen gepaart mit irgendwelchen geometrischen Randbedingungen vorstellen kann, kann auch vorkommen. Was mich allerdings schon etwas wundert, ist die Tatsache, dass die einzelnen Deck einfach nur A bis F heißen, ziemlich gleich konstruiert sind und nicht unter irgendeinem thematischen Motto stehen. Das halte ich für eine vergebene Chance. So ertrinkt das alles in Beliebigkeit.

    Nach Glossar-Anschauen und Tabletopia-Starten kann ich auch schon erahnen, was bei vielen Spielern das Hauptproblem bei dem Spiel sein wird. Es wird sicher anders geäußert werden, aber der Kern ist dieser: Die Gebäudekarten haben keine Grafik, anders als bei Agricola, wo es seit der Ur-Version zumindest rudimentäre, einfache Grafiken gab. Warum ist das wichtig? Erstens weil es praktisch ist, eine Karte in der Auslage sofort zu erkennen, und dabei hilft eine leicht wiederzuerkennende Grafik. Aber mehr noch, weil es eine emotionale Beziehung zu dem aufbaut, was man in dem Spiel tut.

    Ich weiß auch, dass das Komissionieren von Grafiken sofort ordentlich Geld kostet, aber dieser Ansatz ist irgendwo typisch deutsch. Ein Riesenhaufen Karten, wahrscheinlich alles bestens durchgerechnet. (Ist Herr Rosenberg nicht gelernter Statistiker?) Aber könnte sich jemand so ein Spiel aus einem namhaften französischen Verlag vorstellen, etwas, das so absolut dröge daher kommt? Nie im Leben!

    Wenn man mal einen Schritt zurücktritt, unterscheiden sich die ganze Gebäudekarten (und bei all-in sind das sofort 360 Stück!!) nur durch unterschiedliche Zahlen darauf. Ja, die haben irgendeinen Namen, der mal mehr und mal weniger mit dem zu tun hat, was der Karteneffekt macht. Aber wenn man diese Karten von den Stapeln der Auslage in sein Tableau legt, dann hat das (leider!) mehr mit Excel-Tabelle zu tun als mit dem thematischen Aufbau eines Industriegebiets. Spielworxx-Spiel bringt Spielworxx-Stil. Auch grafisch. Okay, verstehe und akzeptiere ich. Aber genau für das thematische und historische Flair, das die wirklich guten Spielworxx-Titel IMHO auszeichnet, hätte es hier eine liebevollere Grafik gebraucht. Weniger wäre mehr gewesen, insbesondere auch bei der Anzahl der möglichen Karten. Bei 360 Karten muss man das irgendwie thematisch gruppieren, Motto "heute spielen wir mit der Seefahrt-Erweiterung" (oder ähnlich), anstatt bloß mehr vom Gleichen zu bieten, bis es an den Ohren herauskommt.

    #Nusfjord (auch von Rosenberg) hat ganz ein ähnliches Problem. Nusfjord empfand ich als positive Überraschung, aber für mehr bzw. breitere Anerkennung fehlt auch da die Grafik auf den Karten, die man baut. Und auch da bieten Schollen- und Lachsdeck eher "more of the same". Etwas bösartig gesagt: Das Wichtigste darin sind die Metallmünzen, und das sage ich als erklärter Fan des Spiels. Nur ist's bei Oranienburger Kanal nochmal dadurch verschärft, dass auch außerhalb der Karten wenig auflockernde, "nette" Grafik vorkommt, anders als bei Nusfjord, bei dem wenigstens der gesamte Rest grafisch stimmig ist.

    Genau das ist aktuell mein kleineres Problem mit dem Oranienburger Kanal: Ich habe wenig Zweifel, dass es ein gutes Spiel mit vielen interessanten Spielentscheidungen ist. Ich mag den geometrischen Aspekt und vielleicht backe ich es am Ende auch allein deshalb. Auch sowas wie die Einschränkung auf 2 Spieler, die für andere vielleicht ein Minuspunkt ist, finde ich hier in diesem speziellen Falle absolut richtig und passend. Hut ab vor den Autoren und Verlagen, die sowas ehrlich kommunizieren anstatt Spielerzahlen drauf zu schreiben, bei denen ein Spiel in Downtime absäuft. Und Wiederspielwert ist allemal wichtiger als hübsche Optik. Vor wenigen Jahren hätte ich dieses Spiel noch sicher gebackt. Aber ist das Spiel auch in Corona-Zeit mit vielen ungespielten Spielen im Regel noch gut genug, um irgendwas anderes aus dem Regal zu verdrängen? Es hat doch irgendwo ein paar mehr Schwachpunkte als ich gerne sehen möchte...

    Dass Spielworxx ein Faible für historische Themen [...]

    Ich verfolge dieses Projekt durchaus wohlwollend und habe nach Regellektüre hier geschrieben, dass man das Spiel nicht voreilig als "och nööö, der nächste Rosenberg'sche Selbst-Remix" abschreiben sollte. Aber die Aussage mit den historischen Themen passt nicht wirklich auf dieses Spiel. Wer die Designer Notes vom Autor gelesen hat ("Designer Diary" mag ich es nicht nennen, dafür ist's zu dünn), der weiß, dass das Kanal-Thema ziemlich aufgesetzt ist und das Spiel rein vom Mechanismus her entwickelt worden ist. Was für mich völlig okay ist, solange es passt. Das tut es hier. Keine Pluspunkte, aber auch keine Minuspunkte (wie etwa bei #Autobahn, was IMHO ein aktuelles Beispiel dafür ist, wie man es nicht machen sollte).

    Das "historische Themen" mag für die bei Spielworxx erschienenen Titel von Thomas Spitzer, Jason Dinger oder Claude Sirois gelten, aber sicher nicht für Oranienburger Kanal von Uwe Rosenberg. Mehr als ein loser historischer Anstrich ist das nicht. Nichts für ungut, aber gerade weil ich es sehr schätze, wenn Spiele wirklich ausgehend von einem historischen Hintergrund entwickelt werden, muss ich mich ein bisschen dagegen wehren, wenn halbwegs passendes Überstülpen eines historischen Themas auf einmal als etwas Tolles präsentiert wird... :)


    Manchmal kann ein Spiel ja, wie beispielsweise Faiyum, trotz dröger Optik überzeugen.

    Volle Zustimmung. Faiyum ist ein schönes Beispiel dafür, dass gutes Design und Wiederspielwert wichtiger wird als Optik, wenn man erstmal eine dreistellige Anzahl von Spielen zuhause hat (oder zumindest kennt).

    Ideal wäre natürlich trotzdem beides zusammen, also gutes Spieldesign plus schöne, stimmungsvolle Optik, die idealerweise auch noch das Thema stützt. Aber das gibt's halt nur in seltenen Ausnahmefällen wie bei Brass Birmingham. Trotzdem: wenn ich die Wahl habe zwischen "tolles Spiel mit mäßiger Optik" und "spielerische Standardware mit tolle Optik" (aka "der typische Kickstarter"), dann wähle ich das tolle Spiel, wohlwissend, dass die breite Masse sich anders entscheiden wird.


    Zum

    Zitat

    There are lots of slicker, more polished campaigns that spend a lot of money on excellent videos. Spielworxx has focused its energy on the game itself. We hope you appreciate this.

    von der GameFound Seite... Puh, schon irgendwo harter Tobak. Ich bin kein Fundamentalist, der dem bedingungslos zustimmen würde. Manches von Spielworxx mag ich, aber vieles nicht. Die (und mehr noch einige ihrer überzeugten Fans!) tragen die Nase schon sehr weit oben, und dafür gibt's vielfach nicht den geringsten Grund. Die kochen auch nur mit Wasser und manche Spielworxx-Titel werden dem eigenen hohen Anspruch nicht unbedingt gerecht. Da ist im Verlagsprogramm auch unspektakuläres Mittelmaß dabei. Ich fände es gut, wenn es da weniger schwarz-weiß in der Beurteilung gäbe und weniger Verschanzen in der eigenen Position.

    Niemand verbietet Spielworxx, vernünftige Vorstellungsvideos zu machen. Vermutlich würde sich das für sie auch positiv auswirken. Man muss ja nicht gleich die "Großen" der Branche teuer dafür bezahlen, dass sie nach einmaligem Überfliegen der Regeln eine "professionelle" Meinung zu dem Spiel haben. Dann nehmt halt irgendjemand Unbekanntes, der das mit Herzblut macht.


    Ach ja: Jemand Interesse an einer Tabletopia-Testrunde? Ich muss mich noch entscheiden, ob ich hier mitmachen will.

    Ich habe inzwischen das Spiel gut genug drauf, um die Regeln erklären zu können. Und Oranienburger Kanal ist auch im Gegensatz zu Lacerdas oder Mindclash-Titeln nichts, wo ich sagen würde, dass jeder die Regeln zumindest vorher einmal gelesen haben sollte, bevor man sich zum Online-Spielen trifft. So wild ist das alles nicht. Ein "Brainburner", ja, das schon irgendwo, aber nicht wegen Massen von kleinteiligen Regeln. Die Regeln an sich sind gar nicht so wild.

    Smuntz : Ich fände es einfach nur gut, wenn man mehr über Regeln diskutieren könnten und eben nicht nur über Preise. Ja, die Frage "was soll's eigentlich kosten?" kam von mir, aber das war nur ein Satz von vielen.

    Etwas innerlich grinsen musste ich übrigens, als in den Designer Notes der Fokus so klar auf den Aktivierungen lag, also genau das, was ich für mich auch aus den Regeln herausgearbeitet und vor Veröffentlichung der Designer Notes hier in Beitrag 104 beschrieben hatte. Wohlgemerkt: herausgearbeitet. Die Spielregel selbst ist anders aufgebaut, mit Fokus auf anderen Dingen -- was auch völlig logisch ist, wenn es primär darum geht, Regeln zu vermitteln und nicht das Spiel zu analysieren. Ebenso fühlte ich mich in Herrn Rosenbergs Bemerkungen zur Spielerzahl bestätigt; ein "dieses Spiel funktioniert einfach nicht mit mehr als 2 Spielern" war auch meine Erkenntnis nach Regellektüre. So ganz sinnlos scheint das Lesen dann doch nicht zu sein...

    (BTW: Wem ist noch aufgefallen, dass in dem Prototypen-Foto auf BGG etwas von 3-4 Spielern steht? Logisch, dass die das getestet haben und gerne zum Laufen gebracht hätten. Die würden doch nicht freiwillig erhebliches Marktpotenzial verschenken, wenn's nicht absolut nötig wäre. Uwe Rosenberg ist doch kein Anfänger beim Spieledesign, und geschäftstüchtig ist er auch.)


    Die Regeln sind auf BGG auch verschwunden, oder?

    Ja. Sieht so aus. Vermutlich heißt das, dass eine neue Version hochgeladen wurde, aber noch von einem Moderator nicht freigegeben ist -- während das Löschen einer vorherigen Version ohne Freigabe direkt passiert. Ich würde fest davon ausgehen, dass man zum Start der Kampagne wieder die Regeln auf BGG bekommt, und wenn nicht dort, dann über einen anderen Link wie die Spielworxx-Seite.

    Wer die letzte hochgeladene Version haben will und nicht bis heute abend warten kann, der schicke mir eine Nachricht mit seiner Email-Adresse.


    und können die [Regeln] wirklich so viel vermitteln, wenn man die Plättchen nicht kennt?

    Mehr als alles andere, was bisher zum Spiel öffentlich bekannt ist, die Kurzstatements von Verleger und Autor mal ausgenommen. :)

    Es sind IMHO genügend Bauwerkskarten (nicht Plättchen!) in der Spielregel abgebildet, um das zusammen mit den Regeln selbst (d.h. mit dem Wissen, was alles im Rahmen der Regeln passieren kann) sinnvoll abschätzen zu können, auch ohne komplettes Glossar.


    Ich sag's mal so: Wer kochen kann und ein Kochrezept liest, der hat doch auch ein Gefühl dafür, ob sich ein Nachkochen lohnen könnte. Das braucht Erfahrung ("kochen können") und das Ergebnis ist immer (!) eher gut begründete Vermutung als sicheres Wissen ("lohnen lönnte"), aber eine begründete Auswahl des Kenners ist allemal besser als eine Auswahl nach dem Zufallsprinzip (bzw. nur nach schönen Produktfotos) und dann nur auf das Beste zu hoffen.

    Bei Preisgestaltung im Lande sollte das ja entsprechend berücksichtigt sein.

    Eigentlich ja. Gamefound = Polen = EU. Spielworxx = Deutschland = EU. Von daher müsste man eigentlich eine Preisauszeichung incl. VAT/MwSt erwarten. Das ist meines Wissens so EU-Recht, sofern sich ein Angebot nicht explizit an Wiederverkäufer richtet. Aber ich bin kein Jurist...

    Beim Preis dürfte vermutlich auch noch Versand dazu kommen; ich habe jedenfalls nichts Gegenteiliges gelesen. Und auf den Versand kommt dann natürlich auch nochmal VAT obendrauf, so dass man dann wieder bei normalen Spielworxx-Preisen herauskommt. Ggf. lohnt sich dann auch der Doppelpack bei innerdeutschem Weiterversand.

    Mal sehen, ob es wie bei den letzten Spielworxx-Sachen eine TTS-Umsetzung geben wird. Das können wir beide das gerne dort ausprobieren. Interessiert mich im Moment auch mehr als Autobahn...

    So. Spielregel gelesen.

    Mechanischer Kern des Ganzes und vermutlich ein Ausgangspunkt der Entwicklung ist eine Variante des Rad-Mechanismus von Glasstraße (der wiederum seine Wurzeln bei Ora et Labora hat). Es gibt neben Geld ("Talern") fünf warenartige Ressourcen, drei einfache und zwei bessere. Die ersten werden von einem drehbaren Zeiger aus gegen, die zweiten im Uhrzeigersinn gezählt. Eine Drehung des Zeigers vermindert dann die einen und erhöht die anderen Ressourcen, d.h. es entspricht einem Ressourcentausch A+B+C => D+E. Einmal darf man kostenlos pro Runde drehen (Voraussetzung natürlich: mindestens je 1 A,B,C vorhanden), ansonsten muss man dafür Geld bezahlen.

    Gespielt wird auf einem 4x3 Feld, wobei auf den Feldern Karten ("Bauwerke") ausgelegt werden und auf den Kanten zwischen den Feldern sowie am Rand vier Arten von Plättchen platziert werden ("Strecken" = "Wege|Straßen|Schienen|Kanäle"). Schienen und Kanäle müssen jeweils ein zusammenhängendes Netz bilden. Zusätzlich können auf den inneren Kanten auch spezielle Holzspielsteine ("Brücken") platziert werden. Karten werden durch Umschließen mit vier Strecken irgendwelcher Art oder durch Bau der zweiten Brücke sofort aktiviert. Das kann maximal zweimal im Spiel passieren, einmal auf jede Art.

    Diese Kartenaktivierung ist das zentrale spielerische Element von Oranienburger Kanal. Sie ist nicht nur komplex auszulösen, sondern viel mehr noch in ihrem Ertrag komplex, weil sie (zumindest bei den in der Spielregel gezeigten Beispielen; ein komplettes Kartenglossar gibt's nicht) den Zustand des eigenen Spielplans bewertet, normalerweise indem der Ertrag von irgendwelchen zuvor gebauten Sachen abhängt, und das wiederum in diversen geometrischen Konfigurationen: benachbart gebaut, am Rand der Karte, irgendwo auf dem Plan, usw.. Das bringt dann gleichzeitig auch einen Timing-Aspekt herein für den richtigen Aktivierungszeitpunkt.

    Teils können bei der Aktivierung auch mehrere Effekte parallel genutzt werden, die an unterschiedlichen Bedingungen hängen. Pi-mal-Daumen: Alles, was man sich an komplexen Bedingungen und Effekten vorstellen kann, kann man finden. Etwas wie "bei 1/2/3/4 zur aktivierten Karte benachbarten Kanälen gibt's 2 Eisen und zusätzlich 0/2/4/6 Holz" ("Bootshalle") ist bezüglich der in der Spielregel abgebildeten Karten keineswegs am oberen Ende der Komplexität, sondern relativer Standard. Wer Oranienburger Kanal spielt, soll auf solche Auszahlungen hinoptimieren.

    In jeder Spielrunde wählen beide Spieler dazu nacheinander zusammen 5 verschiedene aus insgesamt 7 Aktionen (im wesentlichen: irgendwas bauen). Inklusive Geld gibt es sechs Ressourcen. Alles Mögliche kostet bzw. bringt irgendwas, teils beim Bau, teils bei Aktivierung. Am Ende gibt's für alles Mögliche Siegpunkte, abzurechnen über einen Wertungsblock. Normaler Standard halt.

    Das Ganze hat eine gewisse Rosenberg-typische Eleganz in der mechanischen Umsetzung. Damit meine ich, dass erkennbar darüber nachgedacht wurde, wie spielmechanische Anforderungen so realisiert werden können, dass der Spieler nur wenige Handgriffe dafür braucht. Das wird deutlich z.B. beim Rad, aber auch bei anderen Dingen, etwa bei "jedes Plättchen zählt genau einen Siegpunkt" in der Schlussabrechnung oder wenn das Leeren eines Kartenstapels ein Aktionsfeld darunter freilegt, und so das Spiel vorantreibt. Oder bei der Aktionswahl, wo anstelle von "legt nacheinander Scheiben auf unterschiedliche Aktionsfelder" ein Mechanismus auftaucht ähnlich zu den Scheibenstapeln bei Istanbul: Indem man den Stapel versetzt und dabei immer die unterste Scheibe liegen lässt, kann man an einer anders eingefärbten obersten Scheibe immer die aktuell gewählte Aktion erkennen.

    Während die Umsetzung mich sofort überzeugt hat und ich auch den starken geometrischen Aspekt des Spielens auf Felder und ihren Kanten samt Netzbildung mag (was aber nicht mehr ist als persönliche Präferenz), kann ich mich für die Inhalte nicht ganz so direkt begeistern. Das ist doch alles sehr, sehr gewöhnliches Euro-Standard-Zeugs ohne besonderes Flair. Gebäude bauen, Ressourcen tauschen, Siegpunkte für alles Mögliche, diese am Ende maximieren. Speziell bei den Siegpunkten finde ich das Spiel auch nicht ganz so elegant. Ich mag eigentlich konstantes Tracking auf Siegpunktleisten viel mehr als das Zusammenzählen von Siegpunktchips und/oder Siegpunkt-Abrechnungen auf tabellenartigen Blöcken. Hier ist das sogar beides zu finden. Aber auch das ist sicher zum großen Teil persönliche Präferenz. Auch sehe ich schon ein paar kleinere unintuitive Regelhürden, über die man leicht stolpern kann, etwa dass man zwar zwei Gebäude gleichzeitig durch eine vierte Strecke zwischen ihnen aktivieren kann (-> Aktivierung in frei wählbarer Reihenfolge), aber wenn eine platzierte Brücke die zweite Brücke für beide durch sie verbundenen Karten ist, dann muss man eine Aktivierung verfallen lassen.

    Dass das Spiel nur solo oder zu zweit funktioniert, ist natürlich auch eine Einschränkung, die einen zweimal überlegen lässt, ob man das Spiel wirklich kaufen soll, wenn es andere gute Spiele mit breiterem Einsatzbereich gibt. (Zur Klarstellung: Ich möchte nicht, dass auf Spiele Spielerzahlen draufgeschrieben werden, mit denen es nicht gut funktioniert. Da sollen die Verlage schon ehrlich sein.)

    Nach Regellesen verstehe ich auch gut, warum die Macher hier bei zwei Spielern das obere Limit eingezogen haben. Das Spiel dürfte äußerst zielgerichtetes Vorgehen verlangen und wenn vor einem zwei andere Spieler dran sind, könnte das den Zustand des Spielbretts, z.B. die aktuell kaufbaren Gebäude, schon in einem Maße verändern, dass es stört und strategisches Vorgehen zerschießt. Meine Annahme ist auch, dass das Spiel zu zweit unter fortgeschrittenen (!) Spielern enorm interaktiv werden dürfte, viel mehr als man zunächst denkt. Es gibt nicht so viele Stellen, die Interaktion bieten, aber diese wenigen Stellen dürften einen hohen Einfluss haben, wenn man weiß, was man damit für den einzigen Mitspieler anrichten kann. Der ganze Ansatz mit "zusammen 5 aus 7 Aktionen" passt gut zur speziellen 2-Interaktion, bei der "dem Gegner etwas verbauen" prinzipiell genauso gut ist wie ein gleich großer eigener Vorteil, eben weil man keine Angst haben muss, dass davon nur ein unbeteiligter Dritter profitiert.

    Ich gehe mal davon aus, dass es nach Kampagnenstart eine TTS- oder Tabletopia-Version zum Anspielen geben wird. Das werde ich auf jeden Fall mal ausprobieren. Insbesondere interessiert mich, wie sich diese Optimieraufgabe tatsächlich anfühlen wird. Bauchgefühl ist: das Spiel ist überwiegend durch eine komplexe geometrische Optimierung getrieben, es wird mir liegen, aber mich wird die geringe thematische Unterfütterung stören. Die ist zwar teilweise schon da (Gebäude mit irgendwelchem wasser-bezogenem Namen X gibt Ertrag Y pro Kanal, Kanal ist zusammenhängend zu bauen, Kanalnetz ist Schienennetz im Weg, etc.), dürfte sich aber trotzdem schnell ziemlich abstrakt anfühlen, wenn die Symbolübersicht auf der letzten Spielregelseite alleine schon 11 Symbole in der Kategorie "Lage auf dem Spielplan" auflistet. Hat man dabei noch das Gefühl, thematisch ein Industriegebiet zu errichten oder ist das bloß eine verkappte Matheaufgabe? Das ist hier die entscheidende Frage. Und bevor jemand einwendet, dass letztendlich jedes Spiel eine Matheaufgabe ist: Ja, klar, natürlich, aber für meinen Geschmack sollte es sich trotzdem nicht danach anfühlen.

    Was das übliche: "Och nööö, bloß der nächste Rosenberg-typische Remix alter Ideen" angeht... Das sehe ich hier mal nicht so. Die meisten jüngeren Rosenbergs habe ich nach Regellesen von der Interesse-Liste runtergestrichen. Mir reichen meine 3-4 (?) ausgewählten Rosenbergs zuhause völlig aus. Aber das hier könnte durchaus etwas sein, was man sich näher anschauen kann, in der Hoffnung, dass es nicht zu sehr in Richtung abstrakter Optimierung abdriftet. Wer Oranienburger Kanal nach oberflächlicher Betrachtung als "alles schon gesehen" abschreibt, der übersieht z.B., was die Beschränkung auf nur zwei Spieler dem Autor an zusätzlichen Möglichkeiten beim Design gibt. Und so einen klaren Fokus auf gezielte Aktivierungen und deren optimale Zeitpunkte habe ich bei Herrn Rosenberg auch noch nie gesehen (und überhaupt eher selten im Brettspielbereich, darin erinnert es mich höchstens noch an Heaven & Ale).

    Ach ja: Gibt es eigentlich schon Infos, was der Spaß kosten soll?


    BTW: Das deutsche Symbol für rechter Winkel (Kreisbogen mit Punkt drin) wird der internationalen, englischsprachigen Brettspiel-Welt sehr komisch vorkommen... Wenn ihr für den internationalen Markt produzieren wollt, dann löst euch von speziellen deutschen Konventionen.

    Ich habe mich nur auf die Aussage oben bezogen; siehe auch mein Zitat.

    Auch rein als Antwort auf das "Richtung Arler Erle" von bio1982 finde ich deine Reaktion zu heftig, wenn man sich selbst null informiert hat, obwohl man es mit dem verlinkten Video leicht hätte tun können.

    BTW: In dem verlinkten Video wird eigentlich recht schnell klar, dass sich die Nennung von Arler Erde als Vergleichstitel eigentlich nur auf die Einordnung im Marktsegment als "komplexes, hochpreisiges 2er-Spiel" bezieht.

    Laaaannnggggweeeiiiilllliiiig….

    Ja, Rosenberg ist auch für Zweit- und Drittverwertungen von Ideen bekannt. Mir reichen vier (?) ausgewählte Rosenbergs zuhause völlig aus; deutlich mehr habe ich wieder verkauft bzw. gar nicht erst angeschafft. Und viel Material alleine macht noch lange kein gutes Spiel. Trotzdem braucht man IMHO nicht derart draufhauen, solange die Spielregeln nicht veröffentlicht sind oder sonst mehr über das Spiel bekannt ist.