Beiträge von MetalPirate im Thema „Hunter und Cron - Cron pausiert“

    Das, was Matthias fordert, ein Spiel solle sich doch erst nach einigen Partien erschließen,

    Häh?! Wo bitte soll ich das gesagt haben? Ich möchte, dass Spiele idealerweise auch noch nach 10+ Spielen noch etwas zu bieten haben (was ich bei so manchen Neuheiten, insbesondere aus dem Kickstarter-Bereich, etwas für unterentwickelt halte). Ich wäre der Letzte, der bestreiten würde, wie wichtig der Ersteindruck ist.

    Bin ich auf ähnlicher Wellenlänge. Mich interessiert gar nicht ob es irgendwann schon mal ein Spiel gab das ähnliche Mechaniken/Themen usw. gab. Was bringt mir der Vergleich? Das neue Spiel wird ja dadurch nicht schlechter, vielleicht ist es ja sogar schöner.

    Ja und nein. Ich gebe dir recht, dass jeder normale Mensch bei sonst gleich guten Spielen natürlich lieber das modernere, hübschere (und, nebenbei gesagt, dabei mindestens doppelt so teure) Spiel aus 2021 dem Konkurrenten aus 2011 oder 2001 vorziehen sollte.

    Tatsache ist aber auch, dass es für Verlage heute normal geworden ist, Spiele daraufhin zu optimieren, dass sie bei null bis zweimaligem Spielen überzeugen. Sie müssen nicht (bzw. nur noch selten) damit überzeugen, dass sie nach zehnmaligem Spielen noch Geheimnisse preisgeben. Warum auch, wenn nur die wenigsten Käufer sie zehnmal spielen? Warum also viel Zeit in Fein-Tuning stecken? Das rechnet sich, rein ökonomisch betrachtet, nicht. Die gesamte Kickstarter-Schiene lebt doch davon, Spiele mit exakt null Spielen Spielerfahrung zu verkaufen (TTS/Tabletopia nicht mitgerechnet), und das 9-12 Monate vor Veröffentlichung.

    Wer also lieber wenige Spiele öfter spielt als jede Woche eine neueste Neuheit durchzuhecheln, der macht nichts verkehrt, wenn es sich näher anschaut, was vor 10 oder 20 Jahren die damals angesagten Spiele waren. Sie mögen vielleicht nicht so hübsch aussehen, aber spielerisch gibt es da durchaus viel zu entdecken. Das heißt dann z.B. auch, dass man sich nicht davon blenden lassen sollte, dass die Durchschnittsnoten auf BGG in den letzten Jahren konstant angestiegen sind. Das 10+ Jahre alte Spiel mit BGG-Durchschnittsnote 7,5 ist normalerweise wirklich gut -- was man vom frisch ausgelieferten 100+ Dollar Kickstarter-Spiel mit Note 7,5 nun wirklich nicht sagen kann.

    Und meiner Meinung nach ist der Umstand, dass ein Spiel nach vielen Jahren immer noch gedruckt wird nicht automatisch ein Zeichen von höherer Qualität, eher davon ob sich eine Marke im Bewusstsein der Konsumenten festgesetzt hat und gut gepflegt (gemolken) wird.

    Naja, das "gut gepflegt (gemolken)" ist doch eher ein neueres Phänomen. Ja, auch zu Siedler, Zug um Zug, Dominion, Agricola oder Carcassonne gibt's haufenweise Erweiterungen, aber früher bekamen nur die wirklich guten Spiele überhaupt Erweiterungen, während heute absolute Durchschnittsspiele nicht nur drei Erweiterungen, sondern auch noch ein XYZ-Würfelspiel, ein XYZ-Kartenspiel und/oder eine Roll&Write-Variante dazu bekommen. Alles nur, weil in Überfluss-Zeiten Markenpflege das A und O des Verkaufens ist. Die Marke zählt fast schon mehr als die Qualität eines Spiels.

    Ich sehe deshalb in den letzten Jahren trotz der Neuheitenflut eine gewisse Verarmung auf dem Markt. Große Namen und bezahlte Influencer, die wöchentlich ein neues "Game of the Year!!!" bejubeln. Man kann sich gefühlt gar nicht mehr retten vor Neuveröffentlichungen, auf denen der Name irgendeines bekannten Autors draufsteht und alles wird wunder-wie-toll abgefeiert. Aber sind die ganzen Neuheiten denn wirklich so toll und so langlebig wie die 10 Jahre alten (und, ja, normalerweise nicht ganz so hübsch anzusehenden) Schätzchen? Wird man sie auch so oft spielen? Früher hat's keine selbstauferlegte "10 x 10 Challenge" gebraucht, da war es einfach normal, ein Spiel nicht nur 0 bis 2 Mal zu spielen.

    Meine in den letzten Jahren oft gemachte Erfahrung mit so mancher hochgejubelten Neuheit ist, dass das häufig nur alter Wein in neuen Schläuchen war. Nicht für drei Cent innovativ. Halt grundsolide, man macht nichts verkehrt damit. Für Hobby-Einsteiger alles im grünen Bereich. Aber die Neuheitenflut bringt IMHO wenig mehr als einfach nur unüberschaubare Massen von grundsoliden Spielen.

    Gerade die großen Verlage sind in den letzten Jahren doch komplett risikoscheu geworden. Ich denke, dass es vor der Neuheitenflut für wirklich innovative Spiele, insbesondere von Nachwuchsautoren ohne großen Namen, noch deutlich bessere Chancen gab, überhaupt zur Kenntnis genommen zu werden. Da war zwar auch so mancher Schrott dabei, der heute nicht mehr veröffentlicht würde, aber eben auch in paar echte Perlen, die es heute gar nicht mehr schaffen würden, wenn sich jeder nur noch auf große Namen stürzt. Würde man heute z.B. einem finnischen Autor bei seinem Erstlingswerk glauben, dass er ein revolutionäres Weltraum-4X-Spiel erschaffen und bei einem unbekannten jungen finnischen Verlag veröffentlicht hat? Vor 10 Jahren ging das noch. Heute würden die ganzen Influencer doch direkt abwinken, weil ihnen das keine Clicks oder Abos bringt.

    Na ja, wir leben auch in einem goldenen Zeitalter für Brettspiele. ich hab ja neulich ein video zu den top spielen 2011 gemacht, bald kommt eins zu den top spielen 2001 .. das war damals quasi ein anderes hobby einfach in dem sinne, dass es damals so 30 Wirkich gute und interessante spiele gab und vor 20 jahren eher so 5-10 spiele die sich auf Niveau der heutigen Spiele befinden. Das ist seit 2016 explodiert und in den letzten 2 Jahren gefühlt noch krasser geworden.

    Ist das wirklich so? Klar: die Anzahl der Neuveröffentlichungen ist gestiegen, aber meiner Meinung nach eher bei der Masse als bei der (Spitzen-)Klasse. Was es neuerdings wie Sand am Meer gibt, sind grundsolide Mittelklasse-Spiele. Einmal quer Beet durch die Spiele-Historie gerauscht, hier und dort mal etwas zusammengeklaut, handwerklich mehr oder weniger solide neu gesammengeschraubt, professionelle Grafik drübergeklatscht, fertig ist die Spieleneuheit. Mehr Auswahl: klar. Mehr Bedienung von Nischen: klar. Weiterentwicklungen im Bereich von Spielmechaniken: auch logisch. Aber direkt "goldenes Zeitalter für Brettspieler"? Nö.

    Wenn man jedes Jahr 20+ Neuheiten kauft, die man natürlich erstmal alle toll findet (denn sonst hätte man sie ja nicht gekauft), dann heißt das ja nicht zwingend, dass man in 10 Jahren alle davon immer noch in seinem Regal hat. Aus dem Jahrgang 2011 sind noch in meinem Regal: Mage Knight, Burgen von Burgund, Trajan, Eclipse (in aktualisierter Neuauflage), Village, Dungeon Petz, Lancaster, Der letzte Wille, Belfort, Kingdom Builder, Eminent Domain, Hawaii und Core Worlds. 13 Spiele. Ähnliche viele Sachen aus dem Jahrgang wurden inzwischen wieder verkauft. Das muss der Jahrgang 2021 bei Begutachtung im Jahre 2031 erst mal schaffen. Sowohl die "50% geblieben"-Quote wie auch die absolute Anzahl von 13 übrig gebliebenen Spielen.

    Ich bezweifele, dass die Explosion bei den Neuheitenzahlen im gleichen Maße auch bei den guten und sehr guten Spielen gewirkt hat. Es sei denn natürlich, man misst den Äußerlichkeiten einen besonders hohen Wert zu. Da (und fast nur da!) würde ich direkt unterschreiben, dass moderne Spiele grundsätzlich ein bis zwei Nummer über denen der Vergangenheit liegen. Bei der optischen Aufmachung müssen moderne Verlage, auch durch Kickstarter getrieben, heute einfach wesentlich mehr bieten als das früher der Fall war. Aber macht das Neuheiten automatisch zu besseren Spielen als 10 Jahre alte Schätzchen?

    Im Übrigen ist der Trend zu immer mehr Veröffentlichungen aus meiner Sicht doch schon gebrochen bzw. existiert noch nur durch neu hinzukommende Verlage am Markt. Die Verlage, die schon etwas länger im Geschäft sind, haben doch mittlerweile begriffen, dass es gerade in einer Zeit des Neuheiten-Überflusses keine gute Idee ist, im Jahr ein Dutzend unterschiedlicher Neuheiten zu veröffentlichen, die allesamt wegen Unbekanntkeit untergehen und nach einem halben Jahr schon verramscht werden, weil die nächsten dann neuesten Neuheiten nachdrängen. Viel wichtiger für Verlage ist es doch, mit weniger und dafür gezielteren Veröffentlichungen Marken und Reihen aufzubauen und damit einen Wiedererkennungswert zu schaffen.

    Nur Top 10 reicht nicht. Am besten hast du verschiedene Formate und das regelmäßig. Dazu immer kurz und knackig, aber mit dem gewissen Tiefgang. Das ist aber, wenn man wirklich erfolgreich sein will und sogar davon leben will, eigentlich nicht möglich.

    Soweit volle Zustimmung.


    Und da ist dann der Zuschauer auch ein Stück weit selber Schuld.

    Puh, schwierig. Ja und nein. Ja, weil die Zuschauer nun mal so sind wie sie sind. Da änderst du nichts. Aber nein, wenn die Content-Creator das in einer klagenden Weise nutzen, anstatt die logischen Konsequenzen zu ziehen. Die sind nämlich, ganz hart gesagt: macht entweder das Qualitätsprodukt aus reinem Spaß am Hobby oder lasst's ganz sein. Etwas dazwischen gibt's im Brettspielbereich nicht, wenn man den Bereich des Deutschsprachigen nicht hinter sich lassen will.

    Ich sehe gerade unter manchen Content-Erzeugern eine Tendenz, den Zuschauern die Schuld zu geben, wenn diese arbeitsintensiveren Content nicht "angemessen" zu würdigen wissen. Nö. Ihr könnt dem Zuschauer nicht vorschreiben, was er zu konsumieren hat. Mal ganz hart gesagt: Wenn euch irgendwelche Format zu viel Arbeit sind für den bescheidenen Klick-Ertrag, dann stellt sie einfach sein und beschwert euch nicht darüber. Zumal verschenkte qualitativ hochwertige Arbeit den Journalisten, die bei Spielbox & Co von solchen Leistungen leben wollen, das Leben schwer macht.

    Oder, was IMHO oft gut klappen könnte, geht auf andere Medien wie Podcasts oder Foren, wo ihr ohne viel Aufwand an Hardware und Nachbearbeitung (und ohne Verpflichtung zu einer gewissen Regelmäßigkeit!) das machen könnt, was euch wirklich Spaß macht. Warum nicht die Rezension zur tollen Neuheit hier bei Unknowns reinsetzen? Überlasst dann Youtube eben denen, die halt gerne seichte Unterhaltung machen für die Massen, die nicht unfallfrei drei Sätze am Stück lesen können.

    Es hat schon seinen Grund warum die Landschaft so ausschaut. Ein Video das tiefgreifende Strategien über 60 Minuten zu Great Western Trail, Gaia oder On Mars zeigt, wird anhand der Klickzahlen und der wirklichen Dauer des Zusehens null Erfolg haben.

    Grundsätzlich sehe ich das ganz genauso. Beim Verhältnis von Aufwand zu Ertrag liegt zwischen dem ungeschnittenen Top-10-Laber-Video und der GWT-Strategiedetail-Besprechnung nicht nur Faktor 2 oder 3, sondern fast schon Welten. Mir ist völlig klar, warum es das gewünschte Strategie-Video so nicht gibt.

    Allerdings sehe ich doch einen gewissen Trend, dass in dem Bereich der "Top-10-Laber-Videos" mittlerweile solche Massen von Youtubern sich gegenseitig auf die Füße treten und um genau die gleichen Zuschauer streiten, dass diejenigen, die in irgendeiner Weise "individuelleren" Content erzeugen, dann doch eine gewisse Chance haben, positiv aufzufallen. Muss ja nicht gleich eine tiefgreifende Strategiediskussion sein. Fokus auf Solospiele war im Jahre 2020 zum Beispiel ein Erfolgsrezept; da hätten auch viele zuvor gesagt: "Der Quatsch lohnt sich doch nicht." Und oft würde es ja schon reichen, wenn man merkt, dass der Reviewer ein Spielverständnis hat, das über "Anleitung überflogen und kurz mal angespielt" wirklich spürbar hinaus geht. Oder wenn er sich traut, unter drei ähnlichen Spielen genau eines begründet zu empfehlen anstatt alle drei wachsweich zu loben.

    Wenn jeder Youtuber nur noch damit auffallen will, die neuesten Neuheiten am liebsten am Tag nach Erscheinen positiv vorzustellen, dann fällt irgendwann doch derjenige auf, der als absolut einziger abweichend davon die Highlights des Jahrgang von vor 10 Jahren präsentiert.

    [...] Die Zuschauer bekommen das, was sie wollen. [...]

    Das weiß ich auch. Ich bin da ganz realistisch: Was ich mir wünsche, macht niemand lange, weil man im Endeffekt so nur seine eigene Arbeitsleistung verschenkt. In meinem ersten Beitrag in diesem Thread schrieb ich schon: "Sobald man, um davon leben zu können, das Verhältnis zwischen Klickzahlen und Aufwand optimieren muss, geht die Qualität eigentlich schon fast zwangsweise vor die Hunde. [...] Das ist das grundlegende Problem von allen nicht-englischsprachigen Youtube-Kanälen in irgendwelchen Nischen-Hobbys." Englischsprachig mit internationalem Zielpublikum kann sowas wie Heavy Cardboard funktionieren, auch dank Patreon und der entsprechenden Unterstützer-Kultur im amerikanischen Internet. Aber nischige Sachen wie Brettspiele auf deutsch mit Qualitätsanspruch? Geht einfach nicht. Das kann man schade finden, aber so isses halt, das ist die Realität, da lohnt auch kein Träumen von besseren Parallelwelten.

    Kenne ich doch auch ein wenig selbst. Früher habe ich vor jeder Spielemesse 100+ Anleitungen neuer Spiele gelesen und darüber in einer GeekList geschrieben. Das gibt dann vielleicht 50 Likes und 30 GeekGold, und das war's dann. Das macht man vielleicht zwei bis drei Jahre in ständig besser Qualität (mit ständig steigendem Aufwand) -- und dann stellt man fest, dass es fast alle Perlen, die man früher mit viel Mühe als damals komplett unbekannte Exotenspiele ausgegraben hat, inzwischen auch es Second Edition mit guter Grafik bei einem größeren Verlag gibt, oft sogar lokalisiert auf deutsch -- während man selbst seine First Edition vom taiwanesischen Originalverlag in besserer Prototypenqualität zuhause hat, die man auf Ebay bestenfalls nur noch als Bundle mit drei anderen ähnlich nischigen Spielen wird und dabei über 8,23 € glücklich sein muss.

    Spätestens wenn man bei allen kritischeren Bemerkungen zu bekannteren Sachen von den Fanboys des jeweiligen Autors oder Verlages dumm-dreist angegangen wird und schneller in Rechtfertigungsposition gedrückt wird, als einem lieb ist, dann lässt man es dann irgendwann sein. Also das Schreiben darüber. Die Anleitungen liest man natürlich noch, dann denkt man sich seinen Teil, macht für sich seine Kauf- oder Nicht-Kauf-Entscheidung, erzählt vielleicht noch Mitspielern aus dem Spieletreff darüber, aber man geht mit seiner Meinung nur noch sehr dosiert in die Internet-Öffentlichkeit. Manche Youtuber, die es übertrieben haben mit der Selbstausbeutung, sind auch irgendwann komplett ausgebrannt.

    Back on topic: Das ist vielleicht auch so ein bisschen die Lage von Cron bei der Sache. Die dumm-dreisten Angriffe unter der Gürtellinie haben sie jetzt auch mit ihrer Kreuzfahrt erlebt. Die Masse der Kritik in den (a)sozialen Medien ist halt leider nicht sachlich, sondern eher von Typ Hexenjagd und Hetze. Das ist ein guter Zeitpunkt, um mal einen Schritt zurück zu treten und grundsätzlicher nachzudenken. Um die Brettspiel-Youtuberei komplett professionell zu betreiben, ist's zu unsicher und dafür auch zu viel Arbeit bei zu wenig Ertrag. Man kann leider nicht sein Hobby zum Beruf machen und denken, dass der Spaß an der Sache komplett erhalten bleibt, wenn man allein schon zum Erhalt des eigenen Status immer wieder irgendwelchen klick-generierenden Content mit möglichst wenig Aufwand produzieren muss. Sachen, von denen man selbst weiß, dass es öde Massenware ist, auf die man selbst eigentlich keine Lust hat.

    Ich sehe es dabei als besonders problematisch an, dass die Hunter & Cron GmbH Messeveranstalter, Reviewer und Verlag in einem sein will. In diesen Rollen muss (!) man sich gegenseitig auf die Füße treten dürfen, sonst kann man sie nicht ausfüllen. Wenn da stattdessen eine andauernde Selbstzensur angesagt ist, weil man z.B. den Verlag, dessen Spiele man rezensiert, auf der eigenen Messe als zahlenden Aussteller braucht, dann ist das der beste Weg, um den Spaß am eigenen Hobby dauerhaft zu killen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass Cron da in diesem Sinne für sich selbst die Reißleine gezogen hat. Wenn dem so wäre, dann möchte ich ihm zu dieser Entscheidung gratulieren.

    Man muss arg viel Zeit investieren, um als erster an die hochwertigen Neuigkeiten zu kommen, weil durch die starke Vernetzung der Leute untereinander und das Internet insgesamt viele Leute ähnlich schnell gut informiert sind. Man muss also VIELE Foren lesen und das SEHR oft.

    Nein. Wenn ich mir "hochwertige Information" wünsche, dann heißt das ausdrücklich nicht, irgendwas als Erster zu berichten. Das denken vielleicht viele Content-Erzeuger, aber ich halte das für falsch. Diesen Wettrennen von dutzenden Youtubern um Geschwindigkeit bei im Prinzip leicht zu recherchierenden Sachen kann doch niemand gewinnen, der dabei noch Qualität liefern will. Das gibt doch nur einen Wettbewerb im Gerüchtestreuen und Spekulieren. Geschwindigkeit war vielleicht früher mal wichtig, als es noch wenige Youtuber gab. Aber wenn alle auf dem gleichen Dampfer unterwegs sind, was soll man da noch gewinnen?

    "Hochwertige Information" ist meiner Meinung nach eher, etwas zu bieten, das andere Youtuber gar nicht bieten können oder wollen. Zum Beispiel bewusst über ältere Spiele berichten, die zwar nicht unbedingt bei der Youtube-Suche Klicks generieren, die man dabei aber kompetent besprechen kann, weil man sie schon oft gespielt hat. Oder mal eine Sonderfolge mit Strategiediskussion zu Great Western Trail, Gaia Projekt, Brass Birmingham oder irgendeinem anderen Expertenspiel. Oder mal etwas zur Verarbeitung von historischen Themen in aktuellen Brettspielen. Themen, bei denen mal vielleicht auch mal anecken kann, weil es kein klares Richtig oder Falsch gibt. Vielleicht mal eine Folge über aktuelle Design-Versuche, Worker Placement mit Deck Building zu kombinieren.

    Alles, was einordnet und vergleicht, wäre gut. Alles, das nur der fabrizieren kann, der sich wirklich gut in der Spielewelt auskennt. (Und wo man umgekehrt auch schnell sich blamieren kann, wenn man Unsinn erzählt.) Eben nicht nur dieses überall gleiche "mit möglichst wenig Aufwand möglichst viele Klicks generieren, dabei immer schön auf der sicheren Seite bleiben und sich nirgends festlegen wollen". Nicht nur ungeschnitten Spieleschachteln in die Kamera halten und dazu irgendwas blubbern, was jeder mit zwei Klicks auf BGG auch selbst herauskriegen kann.

    Wenn bei 5 Minuten Youtuber die Netto-Information im Prinzip nur darin besteht, dass der berühmte Spieleautor XYZ ein neues Spiel ABC beim renommierten Verlag DEF herausbringt, dann interessiert mich überhaupt nicht, welcher Youtuber das zwei Tage früher als ein anderer berichtet. Das kriege ich früher oder später sowieso mit. Interessieren würde mich eher, wenn ein unbekannter Autor bei irgendeinem exotischen Verlag aus Weitfortistan ein tolles Spiel herausgebracht hat, das man sich als Fan eines bestimmten Spielegenres mal anschauen sollte. Da geht's nicht um Geschwindigkeit, sondern darum, so einen Hinweis überhaupt zu kriegen.

    [...]

    Wer meine Zeit und Aufmerksamkeit will, der sollte in diesen übersättigten Zeiten schon mehr bieten können.

    Du bist herzlich eingeladen, Gegenentwürfe zu posten. Ich glaube, alle Content Creators würden sich freuen.

    Ich bin nicht ravn, aber ich würde mir in dem völlig übersättigten Youtuber-Bereich aktiv von mir aus nur Kanäle anschauen, die in gewisser Regelmäßigkeit hochwertige Informationen liefern, die man nicht so leicht anderweitig bekommen kann. Detailinfos, Vergleiche zwischen ähnlich gelagerten Spielen, Strategiediskussionen, anderer hochwertiger Content. Ansonsten bleibt das bei mir alles stecken auf dem Niveau von "ich klick's an, wenn mir empfohlen wird" oder "ich suche gezielt Infos zum Spiel XYZ und habe das Video gefunden". Hochwertige Infos findet man oft eher bei Podcasts oder in Foren, weniger auf Youtube. Youtube ist belanglose Massenware. Wenn's gut ist, dann ist's wenigstens unterhaltsam. Schlechte Youtuber sind nicht mal das.

    Aber mir ist natürlich völlig klar: was ich mir da wünsche, kostet als Video einen Haufen Arbeit. Also macht's niemand, oder zumindest nicht lange. Sobald man, um davon leben zu können, das Verhältnis zwischen Klickzahlen und Aufwand optimieren muss, geht die Qualität eigentlich schon fast zwangsweise vor die Hunde. Irgendwelche unnützen Top-10-Videos mit dummen Gelaber bringen die Klicks. Das ist das grundlegende Problem von allen nicht-englischsprachigen Youtube-Kanälen in irgendwelchen Nischen-Hobbys. Entweder es wird irgendwann komplett eingestellt, weil der Macher sich früher oder später fragt: "warum mache ich das eigentlich?!" (-> Martin Klein) oder es entwickelt sich in Richtung Bedeutungslosigkeit, weil der Macher gefühlt für Geld alles macht und dabei seine Unabhängigkeit parallel zur Glaubwürdigkeit verliert (-> H&C).

    Bei H&C ist das insbesondere mit der Unabhängigkeit problematisch, weil sie gleichzeitig Verlag, Reviewer und Messeveranstalter sein wollen. Diese drei Rollen sind normalerweise aus gutem Grunde getrennt.