So, heute Abend (23.12.) kam #BrazilImperial nach einer längeren Regelerklärung auf den Tisch. Nachdem dann aber ein Mitspieler kurz vor Beginn aufgrund des morgigen Tages paßte, bauten wir den Plan schnell für eine Partie zu zweit auf und legten los.
Spieldauer der Erstpartie: 140 min (Auf der Schachtel ist das Spiel mit 100 min angegeben bei bis zu vier Personen.)
Grundidee: Es werden drei Epochen Brasiliens, unterteilt in Epoche der Entdeckungen (I), der Seefahrt (II) und der Eisenbahn (III) gespielt und wer am Ende die meisten Siegpunkte hat darf sich zum Kaiser bzw. zur Kaiserin von Brasilien krönen.
Das Spiel kommt mit einem Insert, welches aus meiner Sicht nicht ganz passend ist.
Die sechseckige Öffnung rechts unten ist für die Gebäudeplättchen zu klein ausgefallen, und was in den runden Ablagen aufbewahrt werden soll erschließt sich mir erstmal nicht. Die zweite Reihe hingegen kann man für die Plättchen hernehmen.
Unabhängig davon sind jedoch mehr als ausreichend Plastiksäckchen beigelegt, so daß man auf dieses Insert getrost verzichten kann.
Die Spielanleitung empfinde ich als gelungen. Aufgrund der Komplexität wiederholen sich zwar einige Aspekte innerhalb der Anleitung, doch störte mich das nicht. Es war vielmehr so, daß bestimmte Punkte, welche weiter vorn erwähnt wurden dann später ihre Erklärung und Vertiefung erfuhren.
Richtig gut ist die Seite mit dem Spielaufbau (Vorbereitung und Überblick). Die Liste der Spielelemente umfaßt zwar die Buchstaben A bis T, doch diese kommen sowohl im Erklärtext als auch in der tabellarischen Übersicht vor, welche zudem bei jedem Spielelement die Seitenanzahl angibt, auf der es die genaue Regelerklärung gibt. So geht das Nachschlagen ganz schnell. Einfach den Marker in der Übersicht suchen und dem Querverweis folgen.
Der Spielplan selber wird aus verschiedenen Landschaftselementen zusammengepuzzelt. In der Anleitung gibt es hierzu verschiedene Vorschläge mit einem Hinweis zum Konfliktpotenzial. Über die Accounts des Originalverlags soll es anscheinend auch noch weitere Pläne geben.
Das war der Endstand in der Zweier-Partie. Es gibt auch Pläne mit Wasserplättchen, die dann Flüße oder Küstengebiete darstellen sollen.
Ferner bekommt man am Anfang von jeder Epoche zwei Auftragskarten auf die Hand und entscheidet sich pro Epoche für eine, welche man dann geheim hält. Somit kann man von vornherein eine gewisse Taktik einschlagen.
Zudem hat jeder sein persönliches Tableau mit einer individuellen Persönlichkeit.
Auf dem Tableau sind nochmals übersichtlich die unterschiedlichen Gebäude dargestellt, sowie die verschiedenen Aktionsmöglichkeiten mit der einfachen wie auch der verbesserten Aktion. Desweiteren stehen dort am Anfang die militärischen Einheiten und die herzustellenden Produkte.
Der Spielablauf liest sich erstmal einfach. Wer dran ist führt erst genau eine Aktion aus und führt dann eine freie Bewegung mit einer seiner Einheiten auf ein angrenzendes Feld auf dem Spielplan aus.
Vom Grundsatz her muß ich erstmal sehen, daß ich Gebäude zur Produktion von Ressourcen errichte, den Spielplan mit den Feldern erkunde (anfangs gibt es ein paar Nebelfelder), meine Aktionsfelder verbessere und Einheiten auf den Spielplan bringe. Ferner kann ich mich breiter aufstellen, indem ich in Gemälde investiere
und dann sollte ich natürlich meine Auftragskarten nicht außer acht lassen. Denn wenn der Erste seinen Auftrag der jeweiligen Epoche erfüllt hat (und dies auch anzeigt) wechseln alle Spieler in die nächste Epoche. Grundsätzlich darf jeder, der einen Auftrag abschließt einen Palast von seinem Tableau auf den Spielplan setzen, was sowohl an Bedingungen geknüpft als auch mit weiteren Vorteilen verbunden ist.
Sobald die erste Auftragskarte der Epoche III vollständig erfüllt und offen ausgelegt wurde, wird das Spielende eingeläutet, unabhängig davon, ob man in den Epochen zuvor erfolgreich war.
Ein weiteres zentrales Element ist der Kampf. Wenn ich mit einer Einheit auf ein Feld mit einem gegnerischen Gebäude, einer gegnerischen Einheit oder einer gegnerischen Stadt ziehe, kommt es zum Kampf. Es werden die Stärkepunkte der jeweiligen Einheit(en), Gebäude, Zusatzeffekte vom Tableau, von Gemälden und von maximal drei verdeckt ausgespielten Karten gegengerechnet und dann der Sieg oder die Niederlage abgehandelt. Bei so einem Kampf kann ich durchaus meinem Gegner Siegpunkte und ggf. die Ressourcen eines Gebäudes wegschnappen. Soviel sei aber schon mal verraten: Heute gewann nicht der Kämpferischste, wobei ich mir gut vorstellen kann, daß das auch mal anders ausgehen könnte.
Am Ende werden dann die Punkte für Gebäude, Auftragskarten, Gemälde, diverse Tableauwertungen, Plättchen und Geldkarten zusammengezählt.
Wie hat es sich gespielt bzw. was ist mein Ersteindruck:
Aufgrund der vielen unterschiedlichen Sachen, die man machen kann bzw. teilweise auch muß, war bei uns der Grübelfaktor schon recht hoch. Wenn man mal ein paar Partien hinter sich hat wird sich das aber vermutlich legen, da gewisse Abläufe dann einfach sitzen. Mir selber hat es richtig gut gefallen, auch wenn gewisse Zwänge bestehen
- Wenn ich keine Einheiten auf den Plan bringe werde ich gnadenlos überrannt und kann keine Städte bauen.
- Wenn ich keine Gebäude baue kann ich nichts produzieren.
- Wenn ich meine Aktionsfelder nicht verbessere hinke ich hinterher.
- Wenn ich die Gemälde außer acht lasse schenke ich Siegpunkte und Boni her.
und ich gewisse Anleihen aus anderen Spielen entdecke, wie z.B.
#WettlaufNachElDorado (Spielplanpuzzelei)
#AufdenSpurenvonMarco (unterschiedliche Charaktere)
#ZugUmZug (Aussuchen der Startaufträge)
#Piratenbucht (Kämpfe, welche ich mittels anfangs verdeckter Karten aufpimpen kann; zum Glück allerdings hier ohne Würfel!)
#GreatWesternTrail (ein Spielertableau, welches ich immer stärker machen muß)
#Catan - Variante (Plättchen im Nebel, welche entdeckt werden wollen)
#PortRoyal (doppelseitige Verwendung der Geldkarten)
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Es blieb bei mir immer abzuwägen, wann setze ich auf militärische Abschreckung, wann hole ich mir ein Gemälde, wann baue ich wieder etwas, wann produziere ich usw. Wo lohnt es sich das Spiel zu verzögern und wann mache ich es schnell? Das hat bei mir einen großen Reiz ausgemacht.
Beim Spielmaterial ist mir weiterhin positiv aufgefallen, daß auf den Karten vieles doppelt aufgedruckt war. Einerseits in Symbolsprache als auch in Textform. So sind beide Spielertypen gleichermaßen gut bedient. Allerdings sind die Karten recht dünn, so daß ich sie wahrscheinlich sleeven werde, auch wenn man sie kaum in der Hand hat.
Wie schaut es mit anderen Problemzonen aus?
- Bezeichnung der Epochen: Epoche I (Entdeckungen) ist ja noch schön thematisch umgesetzt. Aber es kam weder das Thema "Seefahrt" (Epoche II) noch das Thema "Eisenbahn" (Epoche III) durch. In der letzten Epoche kann man Kirchen und Akademien bauen. Von Seefahrt und Eisenbahn keine Spur. Da sind die Bezeichnungen für mich sehr unpassend gewählt, jedoch fällt das während des Spielens glücklicherweise gar nicht so sehr auf.
- Urbarmachung des Landes: Ja, ich rode Urwald, um Holz herzustellen und ackere Grasland für Plantagen um. Das kann unter Umständen für den ein oder anderen ein Problem darstellen. Allerdings geht es um die Geschichte Brasiliens, und da ist das nun mal (leider!?) passiert.
- kämpferische, militärische Auseinandersetzungen: Ist ein Mittel zum Zweck um mehr Würze reinzubringen. Ansonsten würde man auf einem Plan nebeneinanderher jeweils an seinem Reich bauen und die Interaktion wäre bei fast Null. So muß ich mich einer permanenten Bedrohungslage ausgesetzt fühlen (oder diese verbreiten, um meinen Gegner im Aufbau von uneinholbaren Produktionsketten zu stoppen.) und darauf reagieren.
- indigene Völker: Sie tauchen eigentlich nur (so wie die anderen Persönlichkeiten) auf den Gemälden und Charakterkarten auf. Das Leid durch den Kolonialismus wird nicht behandelt, auch nicht die Gebietsvertreibungen etc. Muß es zwingend mit in dieses Spiel hinein? Vielleicht ja, vielleicht nein. Wo zieht man die Grenze zwischen einem Spiel, das mich unterhalten soll und einem Spiel, das mich lehren soll? Diese Frage ist sehr persönlich, und so sollte sie auch jeder für sich selbst beantworten, ohne daß man das zur Diskussion freigeben muß.
- Definition von Bildung: Wird nur mit den Einrichtungen "Kirche" und "Akademie" verknüpft (Es gibt eine Ressource mit der Bezeichnung "Bildung".). Dabei ist das doch viel mehr: Sozialkompetenz, Umweltbewußtsein, die Fähigkeit zum eigenverantwortlichen Leben, Überlebensfähigkeit in den unterschiedlichsten Lebenslagen, ... Hier legt mir das Spiel die Meßlatte an "Bildung" eindeutig zu niedrig an.
vorläufiges Fazit:
Das Spiel kann einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen. Vom Spielgefühl her ist es bei mir nach der Erstpartie eindeutig ziemlich weit oben. Allerdings kann ich es auch verstehen, wenn jemand aufgrund der genannten Probleme für sich entscheidet, die Finger davon zu lassen. Zu sehr können die moralischen und/ethischen Probleme in den Vordergrund treten, welche bei anderen diskutierten Spielen für mich eher abstrakterer Natur waren. Aber hier habe ich nun mal Abbildungen von Ureinwohnern Südamerikas auf den Karten abgedruckt oder muß meine Gebäude und später ggf. Städte im Dschungel bauen, wenn ich vorankommen will. Das kann innerlich schmerzen und das gilt es genauso zu respektieren.