Beiträge von Archibald Tuttle im Thema „Brazil: Imperial (MeepleBR, Ex-Hans im Glück)“

    Ich habs heute wie angekündigt spielen können, vorab: Die thematische Umsetzung ist unter postkolonialistischem Blickwinkel sehr fragwürdig, aber das war in der Regel schon zu erwarten, wird oben im Thread bereits angedeutet und gehört hier auch nicht wirklich hin. Aber wenn ich das ausblende: Optisch und vom Material her sieht das Spiel sehr gut aus. Spielerisch gesehen ist eine glückslastigere, ansonsten recht enge Adaption von Scythe mit weniger Regeln, aber ansonsten durchaus großen Ähnlichkeiten im Spielablauf. Kämpfen will hier wie dort gut überlegt sein, im Vordergrund steht Ressourcensammeln, Punktesalat und das Errichten eines Imperiums via Städtebau. Dadurch verliert es auch ein wenig den 4X-Charakter, aber das ist wohl Geschmackssache. Was mich spielerisch gestört hat, ist neben dem mehr oder weniger schon fast geskripteten Auswahl der Upgrades der unrunde Spielablauf: Das Spiel plätschert recht lange vor sich hin, aber am Ende wird es dann regelrecht hektisch und man kämpft plötzlich um die letzten Ressourcen und Punktemöglichkeiten. Die Anpassung an die Spielerzahl scheint mir durch das modulare Spielbrett sehr gut gelungen zu sein. So, dann zum Schluss aber der berühmte Stiftung-Warentest-Stern "führt zur Abwertung": Der Glücksfaktor der Missionskarten ist enorm hoch. Erhält man ähnliche Missionskarten, dann hat man einen erheblichen Vorteil gegenüber den Mitspielern, ein wenig wie bei Zug um Zug, wenn man zuviele ähnliche Ziele auf die Hand bekommt. Ich bin da nicht immer konsistent, bei Yedo finde ich es reizvoll, dass man Glück mit den Missionen haben kann, aber im direkten Vergleich ist Yedo zwar ähnlich interaktiv, aber nicht halb so glückslastig wie das hier.


    Also, unabhängig von allen anderen Gedanken bin ich jetzt auch insgesamt nicht allzu überzeugt von dem Titel. Spielerisch wäre es bei Hans im Glück gut aufgehoben gewesen, da ich mir von dort noch eine gründliche Regelrevision, eine Überarbeitung des Glücksfaktors und ein paar originellere Ideen zwischendurch versprochen hätte.

    Die Löschung ist nachvollziehbar, sorry. Dann versuche ich es mal ohne Begründung: Ich werde mir, obwohl mechanisch und vom behandelten Land her mein Interesse sehr groß wäre, das Spiel nicht holen. Tipp: Einfach mal in die Anleitung reinlesen. Wenn man damit kein Problem hat, dann hat man wohl auch mit dem fertigen Spiel keine.

    über den Weg zur Schmiede aber jetzt doch sehr überrascht.

    Das war schon eine ganz Weile bekannt ... :/ Wobei ich grade auch nicht mehr weiß, woher ich das wusste, dass es dort kommt. :)

    Ich bin ja nur harmloser Spieler ohne Einblick hinter die Kulissen und ohne Facebook. Mich überrascht nur, dass ein bei HIG so prominent abgelehntes Spiel dann den Weg zum second-rate-publishing nimmt.

    Der oben bereits zitierte Thread auf BGG ist ja nochmal neu entflammt und hat auch ein sehr angegrifffenes Statement des Designers zur möglichen Darstellung von Kolonialismus und Sklaverei. Ich bin gespannt, wie das Spiel wird und ob es inhaltlich problematisch wird oder nicht, über den Weg zur Schmiede aber jetzt doch sehr überrascht.

    Ich habe hierzu nochmal einen Kommentar von der HiG-Redaktion

    Zitat

    Nicht nur Langzeit Motivation war ein Problem für uns, aber auch das repetitive. Außerdem war das Spiel sehr hart, kleine Fehler wurden extrem bestraft. Zu guter Letzt, hatten wir auch noch Bedenken was die Umsetzung des Themas anbelangt, auch dort waren wir noch nicht zufrieden.

    Jetzt muss ich doch mal fragen: wie finden denn die Brasilianer das, dass HiG zu Gründen einer Absage an ein Spiel mehr oder weniger öffentlich Stellung nehmen? Ich könnte mir vorstellen, dass so etwas einiges an Unbill erzeugt, wenn das öffentlich gemacht wird. Bin nur überrascht, dass das hier so offen diskutiert wird. Für die Warnung bin ich inhaltlich natürlich dankbar.

    Spiele von Hans im Glück sind halt extrem gut getestet und dabei gestreamlined. Das gefällt mir meistens sehr gut, in seltenen Fällen führt das aber auch dazu, dass manchmal die Kanten so abgeschliffen sind, dass nicht mehr allzuviel Interessantes übriggeblieben ist (zuletzt habe ich Race to the New Found Land so empfunden und sehe ähnliches bei Die Staufer, Helios und Dynasties, die ja allesamt jetzt nicht sooo erfolgreich waren). Ich kann mir gut vorstellen, dass diesem minutiösen Austesten dann auch mal interessante Aspekte eines Spiels zum Opfer fallen. Natürlich ist mir das am Ende hundertmal lieber als die ungetesteten Katastrophen, die NKSM so auf den Markt geworfen hat, aber trotzdem findet man "Exoten" dann wohl wirklich eher nicht bei HiG.

    What's your Game hat bereits letztes Jahr gesagt, dass Brasil (von den Autoren von Nippon, Madeira und Panamax sowie La Stanza) frühestens 2022 kommen wird. Problem ist der völlig aus dem Ufer gelaufene Kickstarter zu Madeira, bevor der nicht geliefert wurde, können die kein weiteres Projekt starten. Weiteres Problem waren in den letzten Jahren problematische Besitzerverhältnisse von What's your game, wo ich nicht weiß, ob die sich mittlerweile endgültig geklärt haben, die aber die Notwendigkeit auf Kickstarter zu wechseln begründet haben. In der Timeline von WYG sollten als nächstes Zhanguo und Nippon als CE bei Kickstarter starten, außerdem waren noch zwei neue Spiele namens "Imperial Century" (zuerst 2018 angekündigt, von den Designern von Café, laut Aussage der Designer aktuell noch in der Entwicklung) und "Chicago 1920" für 2021 angekündigt. Brasil selbst wurde ebenfalls irgendwo noch als "in development" bezeichnet, obwohl es ja bereits seit 2016 angekündigt wird.