Beiträge von Imagine im Thema „They Live : Assault on Cable 54 - Das Spiel zum Film“

    Hier mal ein Ersteindruck zu THEY LIVE: ASSAULT ON CABLE 54:


    Im Fahrwasser der anderen aktuellen Carpenter-Spieleadaptionen und sicherlich der eigenartigste Titel aus der Reihe, erschien dieser Kickstarter vor mehreren Wochen, ohne dass seitdem irgendwo eine Rezension dazu veröffentlich wurde. Wie bei mir landete das Ding offenbar überall erstmal auf dem Pile of Shame, nicht zuletzt wegen der chaotischen Ansammlung dünner, mit Stanzresten versehener Karten und der relativ dicken Anleitung. Als es dann gestern spontan doch auf den Tisch kam - wenn auch nur zu zweit im Koop-Modus - stand erstmal eine Stunde Sortieren, Aufbauen und Regeln lernen auf dem Programm. Also worum geht's hier eigentlich?


    Wer den Film nicht kennt (Schande!): Außerirdische herrschen heimlich über die Erde (zumindest über Los Angeles) und versetzen die Menschen über ein TV-Radiosignal in eine Art Trance, um sie gefügig zu halten, als ein Obdachloser eine Art Sonnenbrille findet, mit der er die wahren Gesichter der als Menschen getarnten Aliens erkennen und die für Normalos unsichtbaren Befehle auf den Werbetafeln ("CONSUME", "OBEY" etc) sehen kann. Im Spiel bewegen 4-6 Spieler ihre Filmcharaktere durch LA, erfüllen Aufgaben aus ihrem jeweiligen Story-Deck (Würfelproben, die meist ihre Stats erhöhen), sammeln Ressourcen und Karten (mit Waffen, Gegenständen oder Verbündeten drauf) oder bekämpfen Aliens bzw. ihre Helfer (letztere kann man oft auch versuchen, für den Widerstand zu rekrutieren) bzw. weichen ihnen aus, denn je nach Aktionen und illegaler Ausrüstung zieht man deren Aufmerksamkeit auf sich. Je länger das Spiel andauert, desto wichtiger ist es auch, Ausrüstung und Verbündete für die finale Konfrontation zu sammeln, welche aus drei Karten mit Aufgaben besteht, welche die Spieler am Schluss bewältigen müssen.


    Soweit so solide, aber der eigentliche Clou des Spiels sind die mitgelieferten Brillen, deren Einsatz man sich über eine besondere Ressource ("Hoffman Lenses") erkaufen kann. Fast alle Ausrüstungskarten sind nämlich oben rechts mit Plaketten versehen, die für das nackte Auge identisch aussehen, aber durch die Brille betrachtet teilweise als durch die Aliens sabotiert erkennbar sind - was sie für die finale Konfrontation für die Menschen nutzlos macht. Schlimmer noch: Es gibt höchstwahrscheinlich Verräter unter den Spielern, die mit diesen Karten die finale Konfrontation erschweren können! So kommt es im Laufe des Spiels immer wieder vor, dass Spieler sich gegenseitig angreifen, denn nur so kann man - wieder mit der Brille - das wahre Gesicht eines Charakters erkennen. Der Koopmodus funktioniert dabei weitgehend gleich, mit dem Unterschied, dass man z.B. zu zweit je zwei Charaktere (plus zwei Ersatzcharaktere für den Todesfall) steuert, aber selbst nicht weiß, wer davon Mensch und wer Alien ist.


    Wenn sich das Ganze irgendwie interessant anhört, dann liegt das daran, dass es das tatsächlich auch ist. Die Paranoia zieht sich durch das gesamte Spiel, und das Gimmick mit den Brillen ist klasse umgesetzt und kommt spärlich, aber sehr effektiv zum Einsatz - zum Beispiel auch während des Spiels in der Event-Phase, wenn man die ausliegenden Werbetafeln daraufhin überprüft, ob sie von einem ausgestrahlten TV-Signal getriggert werden, was unschön für die Spieler sein kann und Gegner aktivieren kann. Für Spieler, die es immersiv mögen, sind die individuellen Story-Decks ebenfalls ein Fest, weil sie tolle kleine Geschichten erzählen - wie z.B. die meines glücklosen angetrunkenen Mordermittlers, der von ein paar Jugendlichen ein Beweistück angeboten bekommt, das sie angeblich aus einem Polizeiauto entwendet haben... nur um prompt von den Scheißkerlen seine Dienstwaffe geklaut zu kriegen.


    Doch das Spiel hat natürlich auch seine Schattenseiten, die man nicht unter den Teppich kehren darf. Das fängt beim Öffnen der Schachtel an: Die Materialqualität ist wechselhaft, das erste Setup und Sortieren ist ziemlich zeitaufwändig, zum Schutz der Karten-Plaketten liegen - extrem enge! - Sleeves bei und die Anleitung... naja, Kickstarter eben. Und das Spiel dauert lang, besonders wenn jeder seine Storykarten vorliest - die natürlich auf englisch sind, also sollte mindestens ein Mitspieler recht gute Sprachkenntnisse haben. Obwohl die Regeln nicht schwer sind (und zum Teil stark an Eldrich Horror angelehnt), braucht es eine Weile, bis man weiß, was man tut, wobei die Unsicherheit ein Stück weit zum Spielkonzept gehört, da die Spieler selbst entscheiden müssen, wann sie in die finale Konfrontation gehen, ohne zu wissen, welche Aufgaben sie erwarten und ob alle ihre Ausrüstung "koscher" ist. Obendrein ist der Solo-/Koopmodus zwar ganz okay, aber das Spiel zündet sicherlich erst in der Vollbesetzung (durch den/die Verräter) richtig durch, was dann dafür sorgt, dass an dem Abend kein weiteres Spiel auf den Tisch kommt!


    Was ist denn jetzt mein Fazit? Allen Hürden zum Trotz bin ich mir ziemlich sicher, dass hier ein extrem geiles Spiel darauf lauert, unter den richtigen Voraussetzungen maximalen Spaß machen zu dürfen und dabei einem Winter der Toten zu zeigen, was ne Harke ist. Man merkt eigentlich dauernd, dass hier Enthusiasten am Werk waren (im Positiven wie im Negativen), und dieser Enthusiasmus macht extrem Bock. Jetzt brauche ich nur noch 3-4 Mitspieler und nen Tag Zeit, um das Ding von der Leine zu lassen. Oder um es mit Filmheld Nada zu sagen: "I have come here to chew bubble gum and kick ass - and I'm all out of bubble gum."