Beiträge von Ernst Juergen Ridder im Thema „07.10.-13.10.2019“

    Und wieder ist eine Woche rum.


    Spielerisch betrachtet eher sonderbar gelaufen:


    Zirkadianer: Erstes Licht (solo,Grundspiel ohne Verbündete, Stufe leicht):

    Meine Erstpartie. Das habe ich gewonnen, heißt aber nichts, war ja Stufe "leicht". Ansprechend, mal sehen, was da noch so kommt.


    Viticulture/Tuscany EssEd mit allen Modulen:


    Einmal solo mit den normalen Besuchern. Erstes Spiel nach rund einem Jahr. Da muss man erstmal wieder reinkommen. Darüber habe ich schon berichtet. Nur unentschieden.


    Dann eine Partie zu viert mit den Rheingauern. Man kann sich denken, dass das Spiel durch die Rheingauer nicht gerade beschleunigt wird, weil deren Fokus auf dem Thema Weinbau liegt und nicht auf Verschaffung von vielen schnellen Punkten. Deshalb eignen sich die Rheingauer für das Solospiel aus meiner Sicht auch eher nicht, weil man ja nur sieben Spieljahre Zeit hat und der Automa älter ist als die Rheingauer. Ich empfand die 4er-Partie als unglaublich zäh. Wir haben für 4 oder 5 Spieljahre sage und schreibe 3 Stunden gebraucht und dann bei einem Punktestand von unter 15 wegen Erreichens des Zeitlimits abgebrochen. Im Nachhinein bei Licht betrachtet liegt das nicht an den Rheingauern. Meine Mitspieler tun sich mit diesem Spiel in dieser Ausbaustufe sehr schwer, keine Ahnung, woran das liegt. Es war aber bei unserer letzten Partie vor rund einem Jahr auch schon so. Der Übergang vom Grundspiel, das immer recht gut lief, zu Tuscany mit dem großen Spielplan macht mehr Schwierigkeiten als zu erwarten wäre.


    Nun ja, kommenden Samstag fahren wir als Spiel- und Wandergruppe für eine Woche nach Juist. Auf Wunsch der Gruppe nehme ich Viti/Tuscany mit, weil es den anderen -mir ja sowieso- als Spiel gut gefällt und sie es in der Zeit, die wir zum ausgiebigen Spielen haben werden, lernen wollen.


    Runestones(zu zweit, Grundspiel ohne Queenie):


    Ja was war das denn? Wir haben das Spiel bei einem Stand von 44:38 abgebrochen, weil meine Frau ihre Position als aussichtslos ansah und sie nur noch sehr lustlos weitergespielt hätte. In der Zeit, die wir dann über das Spiel und die wechselseitigen Strategien und Möglichkeiten diskutiert haben, hätten wir auch das Spiel regulär beenden können.

    Meine Frau hat mir zu erklären versucht, warum es doch klar ist, dass ich gewinnen werde und sie keine Chance zur Entwicklung mehr hat. Hätte ich so weitergespielt, wie sie meinte, dass ich spielen sollte, hätte ich aber verloren. Das gab Stoff für Diskussionen.

    Wie sind wir in diese Situation gekommen?

    Man kann im Spiel Runensteine erwerben, die einem Spielvorteile bringen. Dazu muss man Artefakte eintauschen, die man auch erst erwerben muss. Man kann maximal 4 Runensteine haben, im 2er-Spiel gibt es acht verschiedene davon, jeden nur einmal. Man hat auf seinem Tableau zwei Reihen, die man mit fünf (verschiedenen) Artefakten füllen kann. Einen Runenstein kann man für 2-5 Artefakte eintauschen und bekommt dafür 3-15 Punkte. Meine Frau hatte sich darauf fokussiert, die ihr wichtig erscheinenden 4 Runensteine möglichst früh zu bekommen, natürlich vor mir, und hat deshalb beim Erwerb von Runensteinen für jeweils nur 2 Artefakte jeweils nur 3 Punkte bekommen. Ich habe das nur einmal so gemacht, zwei weitere Runensteine für jeweils 5 Artefakte zu je 15 Punkten erworben. Sie hat weiter fleißig Artefakte gesammelt, eine Reihe war voll, in der anderen fehlten nur noch zwei; angesichts ihrer Ressourcen sichere 30 Punkte am Spielende. Im Zeitpunkt des Abbruchs hatte sie konkrete Aussicht auf mindestens 71 Punkte insgesamt. Das Spiel endet mit der Runde, in der ein Spieler 65 Punkte erreicht. Da meine Frau keine "großen" Punkte mehr erzielen konnte, hätte sie sich mühsam auf die 65 durch Kleinklein schleppen müssen. Demgegenüber konnte ich ja noch einen Runenstein erwerben. Ich hatte in einer Reihe 2 Artefakte, benötigte, um dafür 15 Punkte zu bekommen, noch weitere 3, wofür ich die Ressourcen hatte. Eines der dafür zu erwerbenden Artefakte hätte mir noch 3 Bonuspunkte eingebracht. Ich hätte dann also in einem Spielzug 18 Punkte bekommen und wäre bei 62 gewesen, hätte aber sonst nichts gehabt. Nur drei weitere Punkte hätte ich schnell bekommen können, weil ich einen Runenstein hatte, der einen zusätzlichen Punkt bringt, wenn man beim Ausspielen einer Karte Punkte bekommt. Ich wäre fast im Nullkommanichts auf 65 Punkten gewesen, nur um damit das Spiel als Verlierer zu beenden. Also hätte ich versuchen zu müssen, durch Verzögern mehr Artefakte zu erwerben, um deutlich über 65 kommen zu können. In der Zeit hätte meine Frau natürlich auch weitere Punkte bekommen können. Aus meiner Sicht also ein noch durchaus offenes Rennen.

    Das will weiter erkundet werden.

    Wie Du meinst...ich habe bei sowas immer eine Turniersituation vor Augen, wo ein einvernehmlicher Spielabbruch nunmal keine Option ist.

    So etwas habe ich nie vor Augen, ich spiele nicht bei Turnieren. Klar, den dann nötigen Drang zum Siegen habe ich schlicht nicht. Ich würde, spielte ich auf Turnieren, in solcher Situation lieber aufgeben und ausscheiden, als durch einen Königsmacher zu gewinnen.

    Hat der Dritte gar keine Wahl, ist das Ergebnis eben unentschieden.

    Das wäre eine Hausregel, um ein Problem auszugleichen, das durch das Spiel verursacht wird.

    Das mag man so sehen. Letztlich ist es aus meiner Sicht aber so, dass es die Spieler sind, die sich durch ihr Spielen in diese Situation hinein manövriert haben. Wenn man dem Spiel/dem Designer jetzt vorwerfen will, dafür keine Lösung zu haben, fordert man aus meiner Sicht einfach mehr, als geboten. Aus meiner Sicht ist der einzige Design-Fehler, wenn man denn einen solchen sehen will, den Spielern in der Regel nicht zu sagen, was der Anstand gebietet. Ein jeder sollte darauf auch von alleine kommen können, ohne dass man ihm das sagen muss.

    Und das ist dann immer noch kein Problem des Spiels, sondern der Spieler?

    Klar kann man unterschiedlich mit solchen Situationen umgehen (als Spieler), aber sowas überhaupt zuzulassen, das liegt doch eindeutig am Spiel.

    Dass es technisch möglich ist, liegt am Spiel, klar. Aber: Ich halte es, wie schon gesagt, nicht für die Aufgabe des Spieldesigns, menschlichen Schwächen entgegenzuwirken. Es ist im Gegenteil eine Herausforderung für die beteiligten Persönlichkeiten, eben nicht der kleingeistigen Versuchung zu erliegen, sondern einen anständigen Weg zu finden.

    Hat der Dritte gar keine Wahl, ist das Ergebnis eben unentschieden. Hat der Dritte die Wahl, auch anders denn als Königsmacher zu spielen, liegt es ausschließlich an seiner Persönlichkeit, was geschieht; das Spiel ist da ganz unschuldig. Die Gruppe vielleicht einfach nur falsch zusammengesetzt.


    Und nochmals: Wer nicht aus eigener Kraft gewinnen kann, gewinnt halt nicht. Ich sehe da schlicht null Problem, auch nicht für den, der nicht gewinnt, weil ein "Königsmacher" halt einen anderen inthronisieren wollte; er hat es halt nicht geschafft, aus eigener Kraft zu gewinnen. Der, der durch einen "Königsmacher" gewinnt, sollte sich mal fragen, warum ihm die innere Größe fehlte, dem ernsthaften Konkurrenten ein ehrlicheres Unentschieden angeboten zu haben. Man sollte nicht immer alles, was bei einem Spiel passiert, auf das Design schieben; es sind die Menschen, die das Material "bedienen".

    Das echte Königsmacher-Problem ist, wenn der Dritte das überhaupt nicht vermeiden kann:

    Das war doch der Ansatz für das Beispiel. Wie komplex auch immer, wenn es wirklich so ist, dass es einzig und allein von der Entscheidung eines Spielers abhängt, wer gewinnt, und dieser Spieler überhaupt nicht vermeiden kann, das durch seinen Spielzug zu entscheiden, dann hat nicht das Spiel ein Problem, sondern die Spieler haben es, wenn sie sich nicht in der Lage sehen, das Spiel für unentschieden zu erklären.

    Das Beispiel von Peter war stark vereinfacht und dazu passt auch Deine Antwort. In der Realität sind solche Situationen meistens komplexer und es ist dann eher selten den Spielern anzulasten, dass sie am Ende in einer solchen Situation gelandet sind, wo ein dritter das Spiel für sie entscheidet.

    s.o.


    Edit:

    Und wenn es so ist, dass ein Spieler die Wahl hat, entweder so zu spielen, dass einer von zwei anderen Spielern gewinnt, oder stattdessen einen "neutralen" Spielzug zu machen und sich so aus der Entscheidung herauszuhalten, und er wählt dann, einen Spieler "gewinnen zu lassen", liegt das Problem auch nicht beim Spiel, sondern bei den Spielern.


    Ich bleibe überzeugt, dass es kein Spiel gibt, das in sich ein Königsmacher-Problem hat. Das Problem haben immer nur die Spieler in ihrer Psyche.

    Das würde ich allerdings nicht als Königsmacher-Problem des Spiels oder der Beteiligten betrachten. Wenn zwei derart spielen, dass es von einem solchen letzten Zug eines anderen abhängt, wer von ihnen gewinnt, braucht sich auf seinen Sieg ohnehin nichts einzubilden, oder unter seiner "Niederlage" zu leiden. Dann ist dieser letzte Zug letztlich ein Zufallselement. Gruppenverträglich könnte man sich ja auch dazu durchringen, das Spiel zwischen den beiden als unentschieden zu werten, wenn es denn wirklich so ist, dass dieser letzte Zug eines anderen abschließend entscheidet und dieser andere gar nicht anders kann, als diesem oder jenem zum Sieg zu "verhelfen".

    Wer sich in solch einem Fall wirklich als Sieger betrachten wollte, ist arm dran.

    denn da gibt es bspw. keinen "weinenden" Dritten, wenn jemand sich als Königsmacher betätigt.

    Auch so ein Punkt ("Königsmacher"), über den man diskutieren könnte.


    Ich denke, kein Spiel hat ein Königsmacher-Problem, es sind die Spieler, die es haben.


    Meine Spielphilosophie dazu:

    Wer gewinnen will, soll das bitte aus eigener Kraft tun. Wer dazu die Hilfe anderer braucht, oder gegen deren vereinten Widerstand nicht gewinnen kann, hat den Sieg auch nicht verdient.

    Es kann doch auch ganz lustig sein. Ich erinnere mich an eine Partie eines Spiels zu dritt. Ein anderer und ich lagen dicht auf kurz vor dem Spielziel. Der dritte hatte keine Chance mehr. Dieser Dritte hat dann erklärt, er wolle dem anderen helfen zu gewinnen. Er wollte nicht, dass ich gewinne, weil ich meiner Spielegruppe ohnehin "zu oft" gewinne. Gewonnen habe ich trotzdem. Der Dritte war kein Hinderungsgrund; er ist im Spiel (nicht im Leben) viel zu eigensüchtig, um selbstlos zugunsten eines anderen spielen zu können.

    Wenn ein Spiel ein Königsmacher-Handeln ermöglicht, ist es an den Spielern, damit gruppenverträglich umzugehen. Das Spiel selbst ist ganz schuldlos daran, wie man mit ihm umgeht. Ich halte es auch nicht für eine Aufgabe des Spieldesigns, das Ausleben menschlicher Schwächen zu verhindern.

    Dem Gesagten zu #ArchitektenDesWestfrankenreichs kann ich mich nur anschließen. Nettes Spiel, das leider sehr schnell ausgespielt ist. Wurde bei mir durch #ChampionsOfMidgard ersetzt :)

    Wie das? Ist Champions of Midgard hier im Forum nicht auch so gut wie totgeredet? Soll das nicht brokener Mist sein, als Grundspiel unspielbar??? ;)


    Mal im Ernst: Ich kann das nachvollziehen. Für mich ohne jeden Zweifel macht Champions of Midgard auch als Grundspiel sehr viel Spaß. Aktuell habe ich bei BGG beide Spiele mit 7.5/10 bewertet, würde aber dennoch, wäre zwischen beiden Spielen zu wählen, lieber Champions of Midgard spielen wollen, weil es mehr Spannung aufbaut.

    Immerhin haben von den 8.300 Stimmen rund 8000 nicht gemerkt, dass sie es mit einem "schlechten" Spiel zu tun haben. Auch ich habe mich zu 7.5/10 "verstiegen".

    hier ist doch primär erst mal die Frage, ob ein Teil dieser 8.000 STimmen nicht, wie heutzutage üblich, weit vor Veröffentlichung des Spiels verteilt worden sind. Wir wissen also nicht wieviele das Spiel wirklich gespielt haben.

    Damit kann man sich immer "trösten", wenn einem die Zahlen nicht gefallen. Warum nicht einfach mal bis zum konkreten Beweis des Gegenteils wenigstens für möglich halten, dass die Zahlen echt sind? Sie können falsch sein, sie können richtig sein; ich neige jedenfalls nicht dazu, alle und jeden unter Generalverdacht zu stellen, mich täuschen zu wollen.

    Auch weil die Mitspieler da (laut Deinen Erzählungen) eben die Planer sind und mit Deiner Spielweise nichts anfangen können. Der Bauch-/Themaspieler hat es da auch vielleicht ein wenig leichter und kann "toleranter" sein.

    Das ist alles eine irgendwie urige/lustige Kombination. Die anderen können, wenn, mit meiner Spielweise wenig anfangen, weil sie nicht offenkundig zielorientiert ist, manchmal auch sinnlos erscheinen mag. Das liegt aber weniger daran, dass die anderen Planer sind und ich Bauchspieler, sondern eher daran, dass sie keine wirklich guten Planer sind, deshalb durchschauen sie manchmal weder das Spiel selbst, noch den Sinn meines Tuns. Ich gewinne ja nicht deshalb jedes zweite Spiel in der Spielrunde, weil ich völlig zweckfrei spiele; auch wenn ich nicht unmittelbar spielsiegorientiert spiele, bin ich ja nicht planlos, gehe aber gerne das Risiko ein, mit meinem Weg am Ende keinen Erfolg zu haben, weil mir der von mir gewählte Weg wichtiger ist, als ein Spielsieg.

    Nur dann muss die Gruppe zusammenpassen und alle am Tisch müssen an der gleichen Spielweise Spaß haben. Ähnlich wie eine Bauchspielergruppe und ein AP-Spieler nicht den vollen Spaß haben werden, so wäre das auch hier bei den beiden am gleichen Tisch wahrscheinlich.

    Warum das? Solches Schubladendenken ist mir fremd. Ich lebe seit Jahrzehnten innerfamiliär in einer Art großen Koalition. Nicht nur auf dem Gebiet des Spielens, auch z.B. politisch. Beim Spielen harmonieren der Bauchspieler (ich) und die Optimiererin (meine Frau) hervorragend; mit meiner Frau kann ich auch weitaus erfolgreicher als mit meiner Spielegruppe kooperativ spielen. Meine Frau interessiert Thema nahezu null, sie sieht die Mechaniken und was sich daraus machen lässt. Ich sehe das ganz anders. Sobald man im Spiel etwas berechnen kann, d.h. eher muss, sinkt bei mir der Spaßfaktor sehr schnell gegen null. Das heißt ja nicht, dass ich das nicht herausfordernd mitspielen könnte, ich kann es ja, ich mag es nur nicht und gehe deshalb in jedem Spiel gerne auch mal "neben der Spur". Letzteres nicht etwa, um herauszufinden, ob man auch so gewinnen kann, sondern einfach, um zu sehen, was denn passiert, wenn man "das" macht.


    Thematisch richtiges Spielen und erfolgreiches Spielen (Siegpunkte) fallen im Idealfall doch zusammen. Auch wenn du "entschleunigt" und "ohne Siegpunkthatz" spielst, muss es dich doch stören, wenn du bei Architekten des Westfrankenreichs gegen Mitte des Spiels dich erstmal freust, auf einen Schlag 10+ böse Verbrecher gefangen und für den gleichen Betrag an Geld eingeliefert zu haben, nur um dann festzustellen, dass du mit dem ganzen Geld überhaupt nichts mehr anfangen kannst, weil du schon alle notwendigen Gehilfen eingestellt hast und als gottesfürchtiger Kathedralenbauer nicht mehr auf den Schwarzmarkt gehen darfst.

    "Technisch" betrachtet, hast du schon Recht. Trotzdem sehe ich das nicht so. In Architekten des Westfrankenreiches (AdW) habe ich auch schon mal verhaftet, einfach weil es ein nettes Erlebnis ist. Dabei habe ich mich nicht gefragt, ob mich das Tempo kostet, dem Sieg näher bringt, usw.; es hat schlicht Spaß gemacht, das zu tun. Wenn das Spiel schon Architekten... heißt, dann gehört für jene Zeit der Kathedralenbau zu den ehrenvollsten Aufgaben, die ein Baumeister haben konnte; also wird klar an der Kathedrale gebaut. Die Erkenntnis, ob dieses oder jenes mehr oder weniger zielführend ist, stellt sich, wenn man über dem Spaß nicht das wache Beobachten vergisst, ganz von selber ein, dazu muss man nicht rechnen. Ich versuche aber nicht herauszufinden, ob es eine gewinnbringende Strategie gibt, so etwas langweilt mich. Mir macht AdW Spaß so wie es ist.


    Vielleicht verdeutlichen ein paar Beispiele, was ich im Kern meine:


    Concordia Antike/Antike II: Das Ergebnis eines Kampfes kann ich "ausrechnen", bevor ich ihn anfange. Geht's noch langweiliger?


    Tapestry: Der "Kampf" ist sehr schlicht, er ist trotzdem spannend, weil ich ihn nicht "ausrechnen" kann. Hat der Verteidiger nun eine Fallenkarte, oder hat er nicht? Ähnliches gilt für die Kämpfe bei Scythe. In beiden Fällen kann beim Kampf der Schuss nach hinten losgehen; das macht Spaß.


    Jenseits von Theben: Man kann so wunderbar planen/rechnen, könnte man meinen, weil Zeitaufwand und Anzahl der "ziehbaren" Chips verknüpft sind. So kann ich daran arbeiten, 10 Chips auf der Suche nach Funden blind aus dem Sack ziehen zu dürfen. Ich kann das auch lassen, komme als Hobbyarchäologe vorbei und ziehe halt nur zwei Chips. Und? Man beeinflusst Wahrscheinlichkeiten, mehr nicht. Der Hobbyarchäologe kann Glück haben und findet zwei gute Fundstücke, während der langfristig und sorgfältig arbeitende Profi nur Schutt findet. Jedem Optimierer muss es da eiskalt den Rücken runter laufen, ich sage: das macht Spaß.


    Fire&Axe/Wikinger-Die vergessenen Eroberer/Viking Fury: Ich begebe mich mit meinem Schiff und gerade mal ausreichender Ladung an Mann und Material auf große Fahrt, um eine der großen Städte zu erobern. Unterwegs passiert, was nicht passieren darf, ein Sturm kommt auf, Mann über Bord. Lange Reise, viel Zeitaufwand, aber nicht mehr genug Kämpfer an Bord, die Eroberung kann man vergessen; hoffentlich reicht der Restbestand wenigstens für einen Plan B. So muss das sein. Wenn ich ausrechnen kann, oder gar muss, ob mein Spielzug mir etwas bringt, droht mir Langeweile.


    Das ließe sich beliebig fortsetzen. Es ist einfach eine Frage der eigenen Spielphilosophie.


    Von meinen Mitspielern hat sich noch keiner beklagt, dass ich ihm den Spaß nehme. Allenfalls meine Frau fragt mal, warum machst Du denn das, verstehe ich nicht, nützt doch nichts. Ich sage darauf nur, dass ich eben anders spiele. Selbst gegen sie gewinne ich trotzdem immer noch jedes dritte Spiel, mir reicht das vollkommen. Meine Frau ist ja nicht mal mit gewinnen zufrieden. Für sie ist immer die Frage, habe ich (also sie) alles richtig gemacht, hätte ich noch mehr Punkte rausholen können. So findet jeder seinen Spielspaß auf seine ganz andere Weise.

    Ich halte es da ganz mit Reiner Knizia: Wenn man ein Spiel spielt, dann ist es das Ziel zu gewinnen, aber es ist das Ziel, das wichtig ist, nicht das Gewinnen an sich.


    Soll heißen: ein Spiel funktioniert dadurch, dass jeder dieses Ziel verfolgt, also z.B. sich nicht hängen lässt,...

    Ich halte es da lieber mit meiner ganz persönlichen Philosophie.


    Als ich vor fast 8 Jahren in den Ruhestand gehen musste und nicht mehr länger arbeiten durfte, weil ich die Altersgrenze erreicht hatte und in meinem Beruf damals keine Verlängerung möglich war, wurde ich gefragt, was ich denn jetzt tun wolle. Ich habe darauf geantwortet, mir sei das mit Abstand Wichtigste, mich zu "entschleunigen", nicht mehr eine Schlagzahl halten müssen, sondern den eigenen Rhythmus zu finden.

    Ich persönlich habe nur das Glück, dass ich als analytisch denkender Mensch Zusammenhänge relativ schnell intuitiv verstehe und oft auch dann noch halbwegs gute Ergebnisse erziele, wenn ich ganz bewusst mal eher exotischere Sachen ausprobiere...

    Als solchen sehe ich mich auch. Ich habe damals vielleicht gerade deshalb für mich erkannt, dass die Erfolgsorientiertheit beim Spielen etwas Zwangshaftes hat und letztlich Notwendigkeiten des Arbeitslebens in mein mir so bedeutsames Hobby transportiert. Also habe ich mich auch da entschleunigt, suche die Freude beim Spielen mehr in der Beschäftigung mit dem Spiel, im Aufgehen in seinen Möglichkeiten, ohne den Zwang zum Gewinnenwollen zu verspüren. Die Beschäftigung mit dem thematischen Hintergrund eines Spieles, selbst wenn das Spiel sein Thema schlicht verleugnet, rückt viel mehr in den Blickpunkt, da kann man vieles erforschen, das den eigenen Horizont erweitert. Völlig themenfreie, siegpunktorientierte Mechanikorgien, sind nicht mehr mein Ding.


    Wie heißt es in dem Song Caledonia von Dougie MacLean doch so schön und treffend: Lost the friends that I needed losing, found others on the way.


    Ich mache mir keine Sorgen darum, meinen Mitspielern durch meinen fehlenden Antrieb zu gewinnen den Spielspaß zu verderben. Auch "entschleunigt" bin ich ihnen noch ein hinreichend ernstzunehmender Gegner. Ich spiele nicht gezielt auf Sieg, daraus folgt für meine Mitspieler aber nicht, dass sie ihren Sieg schon in der Tasche haben. Von meiner Frau mal abgesehen gewinne ich denen immer noch "zu oft".

    #AdW Letztlich ist es eine Frage der persönlichen Spielphilosophie.


    Im Sinne von MetalPirate bin ich vermutlich ein grottenschlechter Spieler, ganz sicher nicht ein in seinem Sinne "guter", weil ich ganz einfach keine Lust habe, zielorientiert auf Punkte und Sieg zu spielen. Diese Zeit der Erfolgsorientiertheit selbst beim Spielen liegt erfreulicherweise lange hinter mir.


    Mich berührt vorrangig weder "gutes" Design, noch Balancing. Ecken und Kanten und was sonst noch so störend sein kann, sind willkommen. Die Spiele von Shem Phillips, damit meine ich die Nordsee-Trilogie und AdW gefallen mir, außer den Schiffbauern, die mich nicht so ansprechen.


    Spielen ist für mich eine Form der Unterhaltung ohne Krampf. Mir macht es Spaß, wenn es thematisch ist und ich im Spiel machen kann, was ich gerne möchte, egal, ob das spielzielorientiert ist, oder nicht. Wenn andere gewinnen wollen, sollen sie doch. In meiner unmittelbaren Umgebung sind die Verhältnisse ohnehin klar. Gegen meine Frau, Optimierungsfreak ihres Zeichens, verliere ich so etwa 2/3 aller Partien im Schnitt. In meiner Spielegruppe gewinne ich rund 50 % der Partien, auch ohne es darauf anzulegen, die restlichen 50% teilen sich die anderen drei.


    Irgendwie scheine ich so alleine dabei auch gar nicht zu sein. Man schaue sich nur mal -egal, ob man jetzt etwas für oder gegen Schwarmintelligenz daraus ablesen will- bei BGG die Daten zu AdW an:


    Da sind rund 12.000 eingetragene Owner, rund 26.000 eingetragene Partien, rund 8.300 Bewertungen mit einem Durchschnitt von 7.9/10, davon rund 260 mit Noten unter 6 und alleine rund 550 mal Note 10. Immerhin haben von den 8.300 Stimmen rund 8000 nicht gemerkt, dass sie es mit einem "schlechten" Spiel zu tun haben. Auch ich habe mich zu 7.5/10 "verstiegen".


    Ich denke, ein Spiel ist nicht schlecht, weil man mit irgendwelchen mathematischen Überlegungen etwas gegen sein Design/Balancing sagen kann, sondern ein Spiel ist schlecht, wenn die, die es spielen, es schlecht finden, warum auch immer. Die große Zahl derer, die sich bei BGG immerhin die Mühe einer Bewertung machen, finden es anscheinend nicht schlecht.


    Trotzdem ist es gut, und ich lese das auch immer wieder gerne, wenn jemand wie MetalPirate seine Sicht der Dinge auch mal ausführlicher darlegt. Es gibt eben auch diese Sicht auf Spiele und manch einer, der ein Spiel "aus dem Bauch heraus" nicht gut findet, freut sich sicher über solche Beiträge, weil sie helfen zu verstehen. Auch bei mir gab es mal eine Zeit, da hätte ich dazu gesagt, ja klar, genau so ist es.