Beiträge von Ernst Juergen Ridder im Thema „Spielen eine zweite Chance geben“

    Da es sehr viel mehr Spiele gibt, als ich je spielen könnte, muss ein Spiel mich zunächst schon mal von seinem Thema her interessieren. Da ich nur mich, meine Frau und eine feste Spielegruppe habe, nicht zu Spieletreffs und auch nicht mehr nach Essen gehe, können Spiele, die ich nicht selbst entdeckt habe, allenfalls durch dieses Forum an mich herangetragen werden. In jedem Fall muss ich ein Spiel vor dem ersten Spielversuch kaufen.

    Ich erwarte von Autor und Verlag ganz einfach, dass sie bei mir den Impuls auslösen, ein Spiel haben zu wollen, ohne dass ich es testen kann. Dann muss ein Spiel so sein, dass es mich, der ja immerhin schon gekauft hat, dann in der ersten Partie schon so mitnimmt, dass ich es wieder spielen will. Wenn aus meiner Sicht Autor und Verlag es nicht schaffen, ein Spiel so zu machen, dass sein Potential in der ersten Partie wenigstens erahnbar ist, haben sie, auch aus meiner Sicht, schlechte Arbeit gemacht.

    Dabei spiele ich eine Erstpartie nie auf Sieg, sondern immer so, dass ich möglichst viel zu sehen bekommen kann, probiere also dieses und jenes, schaue vor allem auf Relevanz des Themas für das Spiel. Dabei kommen für mich Spiele von Autoren, die regelmäßig aus meiner Sicht abstrakte Mechanik-Orgien ohne wirklichen thematischen Sinn fabrizieren, schon im Ansatz nicht mehr in Betracht.


    Das hat mit Achtung oder Respekt gegenüber Autor und Verlag nicht die Bohne zu tun. Herzblut auf allen Seiten hin oder her, auch Spiele sind Produkte wirtschaftlichen Handelns und haben als solche aus meiner Sicht ganz einfach ihr Geld wert zu sein. Das sind sie aber nicht, wenn ich sie spätestens nach einer Partie nicht mehr spielen will. Und natürlich darf ich auch sagen, dass und warum mir ein Spiel schon wegen seines Themas, wegen seiner Regel oder wegen einer völlig unbefriedigenden Erstpartie nicht gefällt.

    Wie gesagt, wenn Autor und Verlag mir keine mich befriedigende Erstpartie liefern, haben sie für mich schlecht gearbeitet.

    Wenn ich ein Spiel selbst gekauft habe, gebe ich ihm immer eine 2. Chance.

    Durchaus nachvollziehbares Argument. Man kann Spiele ja aber auch wieder verkaufen. Das habe ich auch schon mit ungespielten Spielen -also solchen mit gar keiner Chance- gemacht, allein weil ich die Regeln abschreckend fand beim Lesen.

    Das ist für mich wie bei Büchern. Ich erwarte einfach, dass ein Buch mich spätestens bis Seite 50 gepackt hat. Wenn nicht, war es das, außer ich sehe noch Potential, dann quäle ich mich maximal bis Seite 100 (zweite Chance); hat es dann nicht gefunkt, ist aber endgültig Schluss.

    Grundsätzlich gebe ich Spielen, die mich bei der ersten Partie so gar nicht gepackt haben, keine zweite Chance. Zeit ist ein kostbares Gut, welches gefloppte Spiel rechtfertigt den Aufwand?


    Wie immer sind Grundsätze genau das, deshalb keine Regel ohne Ausnahme. Es kommt also doch schon mal vor, wenn ich ein Spiel eigentlich wirklich mögen möchte.


    So jüngst bei Black Angel. Die erste Solo-Partie hat mir gar nicht gefallen, weil man gegen einen Bot spielt, der die Punkte wie vom Karnevalswagen die Kamellen nachgeworfen bekommt. Also noch ein Versuch, der aber trotz Verbesserung bei mir noch schlimmer war. Man hat einfach das Gefühl, auf verlorenem Posten zu stehen. Eine dritte Chance als Solospiel bekommt Black Angel jetzt aber nicht; es ändert sich ja nichts. Als Fußgänger im Karnevalszug kann ich einfach nicht so viele Bonbons werfen, wie die Leute auf den Wagen.

    Trotzdem: Ich habe es dann mit meiner Frau zu zweit gespielt. Da der lebende Mensch seine Punkte ja machen muss, wie ich, war das schon besser. Wir sind am Ende mit einem Punkt Unterschied herausgekommen.

    Ich fürchte allerdings, das war es jetzt trotzdem für Black Angel. Das Spiel ist so unthematisch wie nur was und hat dann auch noch Mechaniken, die sind schon sehr eigen, wenn man das vom behaupteten Thema aus betrachtet.