Beiträge von PowerPlant im Thema „12.08.-18.08.2019“

    Ich habe aus Langeweile mal #IsleOfSkye auf dem Handy installiert und das Tutorial gespielt. Der Bietmechanismus scheint ganz witzig zu sein, vor allem weil "zu teuer" auch ins eigene Fleisch schneiden kann und man somit nicht nur für sich baut. Sollte das etwa ein Carcasonne mit mehr Anspruch sein?

    #Cerebria zu 2. Mit 4 Geistern – also jeweils zweihändig.

    HINTERGRUND

    Cerebria steht schon über ein halbes Jahr bei uns herum und wurde bisher nicht gespielt. Das lag zum Großteil daran, dass die deutsche Anleitung so lang auf sich warten ließ. Als sie dann endlich (digital) vorlag wurde schnell klar, dass die ganzen Begrifflichkeiten mit übersetzt wurden, was das Lernen nicht gerade vereinfachte. Genau wie bei #Anachrony ist das Spielmaterial möglichst sprachneutral, daher gibt es viele Icons zu lernen. Das Spiel lässt sich (sofern man die Erweiterung hat) von 1-6 Spielern spielen, also solo, 2er Coop, 1:1, 1:1:1, 2:1, 2:2, 2:2:1, 2:2:2. Wie ihr seht steckt allein schon hier sehr viel drin und es geht noch viel viel weiter!

    THEMA

    Um es kurz zu machen könnte man sagen: „Alles steht Kopf“ (von Disney/Pixar) als Brettspiel. Das wird dem Spiel aber nicht gerecht. Die Spieler spielen im Grundspiel die 2 Fraktionen (Ekstase und Gram) und Kämpfen um den größeren Einfluss in „Cerebria“, quasi dem Geist eines Menschen, dessen Selbstbild und Selbsterkenntnis sich erst noch bilden. Grob gesagt würde ich sagen um den Geist eines Kindes. Die Parteien können jeweils aus 4 Geistern wählen: Vergnügen, Empathie, Harmonie und Liebe auf der Seite der Ekstase und Angst, Hass, Bosheit und Elend auf der Seite von Gram. Diese je 4 „Spirits“ bringen thematisch noch je 2 Gefühle mit ins Spiel, z.B. Vertrautheit und Zuneigung. Diese Gefühle lassen sich (im vollen Spiel) dann nochmal aufwerten zu stärkeren Versionen verbessern lassen. (Disclaimer für Kenner: Diese Auswahl stammt noch aus dem KS-Video und ist im finalen Spiel anders zugeordnet, aber das ist hier ja nicht so wild 😉). Man muss dem Spiel tatsächlich zugestehen, dass es sehr sehr schöne Verbindungen zwischen den Gefühlen aufbaut. Das Regelheft schafft es sehr schön immer wieder auf die tieferen Bedeutungen von Gefühlen hinzuweisen. Selten habe ich ein Spiel gesehen, dass ein Thema so umfangreich einbindet.
    Allerdings hat das Spiel eine extreme Einstiegshürde, da es eben recht abstrakt ist. Wer sich mit sich selbst und dem Thema auseinandersetzt, findet schneller Zusammenhänge. Wer wenig selbst reflektiert denkt, für den ist es erstmal ein Kauderwelsch aus „Gefühlen“. Das abstrakte Spielbrett macht es nicht gerade einfacher: Wenn ich bei Viticulture einen Wein anpflanzen darf, ist es relativ logisch, dass ich dazu auf den Weinberg gehe. In Cerebria ist eben alles abstrakt bzw. exemplarisch, wodurch die thematische Stütze (Weinberg) hier wegfällt.

    MECHANIKEN
    Grundsätzlich ist Cerebria ein Area Control Spiel. Die Geister können die Welt abhängig von ihrer Position beeinflussen. Die Welt selbst ist aufgeteilt in 5 Reiche: Das Reizfeld, das Wunschland, das Gedankennetz, das Antriebstal und den Wertebaum. Innerhalb dieser 5 Reiche kämpfen die Geister einerseits um die Kontrolle der Reiche selbst, als auch die Kontrolle der jeweiligen Grenzen.

    All dies geschieht über den Einsatz von Gefühlen und deren relative Positionen. Diese haben unterschiedliche Stärken, können von der gegnerischen Seite getilgt werden und beeinflussen sich auch gegenseitig durch ihre Positionen. Als sei das nicht schon genug haben die Gefühle (Handkarten) auch noch Aktionen, die entweder aktiviert werden, sobald die Karte ausgespielt wird, oder gar dauerhafte Funktionen haben, die teilweise das ganze Spielfeld betreffen können. Hier finden wir eine weitere Einstiegshürde, da die Karten zwecks Sprachfreiheit mit Symbolik daherkommen, statt mit Text. Es wäre also schon hilfreich, den Text auf den Karten zu haben, besonders am Anfang. Fairer Weise muss man aber auch sagen, dass die Ikonografie von Mindclash Games mit zum Besten gehört, was die Spielewelt zu bieten hat. Einmal verstanden wofür welches Symbol steht bzw. wie sich der Grafiker ausdrucken möchte, schon kann man Karten wie Hieroglyphen lesen. Und darüber hinaus liegt für jede Seite eine doppelseitige Übersicht bereit, die sogar Flufftext bietet. D.h. dieses System funktioniert im Spiel sehr gut, allerdings ist eben die Einstiegshürde nicht zu unterschätzen.

    Die zu erreichenden Ziele sind einerseits geheim pro Fraktion und andererseits offen. Man kann also in einem Wertungszyklus 0, 1 oder 2 Punkte sammeln, was unterschiedliche Auswirkungen hat. Cerebria wird dabei jedoch nicht in Phasen gespielt. Die Spieler führen einfach immer weiter eigene Züge nach demselben Schema durch, bis das Spielende eingeleitet wird.

    Das Spielende selbst ist an die Wertungsmechanismen gebunden, die die Spieler auch noch selbst bewusst herbeiführen müssen – hier bietet sich also eine weitere taktische Ebene. Diese Wertungszyklen nennt das Spiel „Selbsterkenntnis“ und führen dazu, dass die Spieler je nach Abschneiden eigene Bausteine (größte Siegpunktquelle) zum Bau der Persönlichkeit beitragen können. Dazu sei jedoch angemerkt, dass das Spiel auch noch 3 unterschiedliche Modi hat, wie es beendet wird. Auch diese sollte man im Auge behalten.

    Die Geister selbst kann man entweder mit einem eigenen Deck spielen, oder gar vor der Partie Deckbau betreiben. Das Spiel liefert aber einerseits Anfänger-Decklisten, andererseits sogar thematische Decklisten für die einzelnen Geister.

    Und als sei das noch nicht genug, haben die Geister selbst noch 5 unterschiedliche Aktionen.

    DIE AKTIONEN

    Die Geister haben 3 Aktionen pro Runde und können diese auch noch um je 3 Upgradestufen verbessern. Die Kernaktionen sind Bewegen, Emotionen erzeugen, Emotionen tilgen, Befestigen und Verstärken.

    Die Bewegen-Aktion lässt sich unter anderem dahingehend upgraden, dass man z.B. 2 Felder statt einem ziehen darf, dass man sich ein Feld mit gegnerischen Figuren teilen darf (was den Area Control-Gedanken teilweise aufhebt) und dass die Aktion vergünstigt wird.

    So verhält es sich mit allen Fähigkeiten wobei auch hier der Teufel im Detail liegt.

    DIE ERWEITERUNG

    Das Grundspiel lässt sich nur mit maximal 4 Spielern spielen, also maximal je 2 Geistern pro Fraktion. Die Erweiterung „Forces of Balance“ bringt die neue Fraktion mit, die andere Ziele als Ekstase und Gram hat: Die Geister „Intuition“ und „Vernunft“ haben nicht das Ziel, die offen liegenden Ziele zu erfüllen, sondern punkten grob gesagt nur dann, wenn zwischen den anderen beiden Fraktionen Gleichstand besteht. Eine großartige und thematische Idee! Auch hier ist aber natürlich viel Vorwissen erforderlich.

    ANSPRUCH

    „Einfach“ waren Mindclash Games noch nie – das sagt ja schon der Name. #Cerebria allerdings ist mit Abstand deren schwierigstes Spiel! #Anachrony im Vergleich ist Kindergarten und selbst ein #Trickerion spielt sich dagegen mit Leichtigkeit runter. Im Kontext meiner Sammlung würde ich #Cerebria noch über #GaiaProject sehen und gar weit über einem #Teotihuacan. Das Spiel in der vollen Bandbreite spielen zu können erfordert nicht eine, sondern mehrere Kennenlernpartien. Laut BGG kommt in meiner Sammlung nur #ThroughTheAges an dieses Level heran, was ich allerdings noch nicht bestätigen kann.


    Ich würde jedem für die Erstpartie lieber empfehlen mit einem statt mit zwei Geistern zu spielen.


    FAZIT

    Cerebria ist eine Wucht! Das Material (mit Erweiterung bzw. der Kickstarter-Variante) ist über jeden Zweifel erhaben. Tolle Miniaturen, im KS sogar schon vorbemalt erhältlich, ein tolles Thema, schöne, kreative Zeichnungen, ein riesiges Spielbrett. Und dabei doch weniger Stuff als bei Anachrony.
    Der Unterschied zwischen Retail + Erweiterung und Kickstarter ist quasi nur die größere Box. In meiner Retailversion fehlen quasi nur 2cm Höhe, um die Boards aller Fraktionen hineinzulegen. Die habe ich bisher in der flacheren Erweiterungsbox platziert.

    Künstlerisch ist Cerebria ebenfalls genial! Auch wenn einem der Stil nicht zusagt ist die kreative Leistung dahinter herausragend. Man stelle sich nur einmal vor, wie man „Liebe“, „Freude“, „Missgunst“, „Disziplin“, etc. stilistisch personifiziert und darstellt. Was für ein Wesen wäre „Einsamkeit“? Und wie sieht dessen Steigerung „Isolation“ aus?
    Diese Aufmachung ist u.a. auch der Grund, warum das Spiel bei unseren weiblichen Mitspielerinnen so gut ankommt: Es ist „hübsch“. Mittelalter, Zombies und Raumschiffe gibt es in anderen Spielen genug. Hier wird ein eher spirituelles Thema angesprochen und auch entsprechend dargestellt.

    Cerebria ist anders. Es sieht anders aus als andere Spiele, es spielt sich anders, es funktioniert anders. Es hat einen ganz anderen Anspruch. So sticht Cerebria in nahezu allen Punkten aus meiner Sammlung heraus. Und darf genau deshalb sehr gerne bleiben.

    PS: Unsere Erstpartie ging übrigens 29:12 für meine Frau aus. Die gemeinsam erschaffene Persönlichkeit war dem Ergebnis nach eine Frohnatur 😉