Beiträge von Huutini im Thema „Nutzung von Geschlechtern in Spielregeln“

    Es ist für mich widersprüchlich, wenn einerseits zugegeben wird, dass es in der deutschen Sprache oft eine Korrelatino zwischen den beiden gibt, aber dann trotzdem darauf bestanden wird, dass sie nichts miteinander zu tun haben.

    Deswegen sage ich ja extra, dass eine Korrelation hergestellt(!) wird!

    Ich bin kein Freund von Beispielen, weil diese immer hinken, aber in diesem Falle kann ich es mal versuchen.
    In sehr großen Teilen der westlichen Welt wird heute eine Korrelation zwischen Symbolen der muslimischen Welt (im weitesten Sinne) und Terrorismus hergestellt. Ich will hier gar nicht diskutieren, ob und wer und in welchem Maße, aber es ist nunmal so, dass "Turbane" (ausgerechnet!), lange Bärte, dunkle Haut etc. sehr häufig mit Terroristen korreliert werden.

    Das heißt aber nicht, dass die beiden etwas miteinander zu tun haben. Vornehmlich unsere Medien verstärken das Bild, dass Terroristen ein bestimmtes äußeres Erscheinungsbild haben. Und das rufen wir ab. Hollwood macht das seit 30 Jahren ...
    Und so wie ein Turban nix mit Terrorismus zu tun hat, hat der Genus nix mit dem Sexus zu tun und TROTZDEM rufen wir da eine Korrelation ab.
    Und ja, so wie wir Terroristen "branden", formen wir mit der Wahl des Genus auch ein Bild des Sexus. Weswegen ich ja der Debatte an sich offen gegenüberstehe.
    Nur miteinander zu tun haben die beiden trotzdem nichts ...

    Ich bin zwar grundsätzlich deiner Meinung, aber an dem Artikel habe ich letztes Jahr an anderer Stelle schon Kritik geübt, daher möchte das auch hier tun, wenn auch nicht so ausführlich.
    Dein Zitat bricht nämlich an einer schönen Stelle ab - vor der Begründung.
    Ich möchte aus der Begründung zitieren:

    Zitat

    Dass etwas mit der "Genus ist nicht Sexus"-These nicht stimmen kann, sieht man schon daran, dass das Genus in bestimmten Fällen das einzige Mittel ist, das natürliche Geschlecht zu bezeichnen. Substantivierte Adjektive werden allein durch das Genus auf Männer oder Frauen bezogen: die Kranke gegenüber der Kranke. Viel wichtiger ist aber, dass in der Linguistik längst der Nachweis erbracht wurde, dass das Genus direkte Auswirkungen auf die Vorstellung von Sexus hat, und zwar konkret auf die Wahrnehmung. Grundlegend dafür ist die Erkenntnis, dass Personenbezeichnungen wie Terrorist, Spion, Physiker, Lehrer, Erzieher, Florist oder Kosmetiker ein sogenanntes soziales Geschlecht aufweisen, das unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann. Es leitet sich aus dem realen Geschlechteranteil ab und aus Stereotypen, die man der jeweiligen Personengruppe zuschreibt. Bei diesen Beispielen nimmt der männliche Anteil vom Terroristen bis zum Kosmetiker in diesem Sinne beispielsweise ab.

    Hier argumentieren die beiden zwar nicht schlecht, und nicht mal grundsätzlich verkehrt, aber eben fälschlich und unpräzise.

    Denn: Genus HAT nichts mit dem Sexus zu tun. All die vermeintlichen Gegenbeispiele der beiden erklären lediglich, dass in unserer heutigen Gesellschaft, die nun wirklich durch viel, VIEL mehr als nur die Sprache geprägt wird (Traditionen, Medien, Erziehung, Gesetze, Normen) von den Menschen ein Bezug vom Genus zum Sexus hergestellt wird!

    Die Behauptung ist nicht falsch - ja, unsere kulturelle Prägung beeinflusst unsere Wahrnehmung des Sexus bestimmte Objekte. Und ja, wir ziehen angesichts dieser Prägung durchaus eine Korrelation zwischen Genus und Sexus.

    Aber das bedeutet nicht, dass der Genus etwas mit dem Sexus zu tun hat. Die beiden SIND voneinander unabhängig. Egal, ob wir dazwischen nun eine Verbindung ziehen oder nicht.


    Dass die Begründung der beiden hinkt, merkt man schon daran, dass so gut wie alle ihre Beispiele extrem moderne Begriffe sind: "Grundlegend dafür ist die Erkenntnis, dass Personenbezeichnungen wie Terrorist, Spion, Physiker, Lehrer, Erzieher, Florist oder Kosmetiker ein sogenanntes soziales Geschlecht aufweisen, das unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann." Kaum einer dieser Berufe ist älter als hundert Jahre - "Genus" und "Sexus" allerdings sind deutlich älter. Die Behauptung, der Genus beeinflusse den wahrgenommenen Sexus, zu begründen, indem man die soziale Sexusprägung einer Handvoll moderner Berufe ins Feld führt, ist einfach extrem kurz gedacht und beweist nur, dass unsere Wahrnehmung von Genus und Sexus ein modernes Phänomen ist - und dadurch vermutlich durch andere Aspekte konstituiert wird als allein die Sprache.


    Wie gesagt: Ich will nicht mal unbedingt die Schlussfolgerung der beiden kritisieren, aber ihr ganzer Text strotzt m.E. vor falschen Argumentationsketten und Ableitungen.

    Eine Spielregel ist nichts anderes als eine Bedienungsanleitung eines Spiels. Es sollte darin absolut nicht darum gehen literarische Ergüsse zu formulieren sondern wie von mir schon erwähnt Sachverhalte korrekt und verständlich darzulegen. Es bringt nichts schöne Sätze in einer Anleitung zu haben wenn dadurch der Transport von Information erschwert wird.

    In der Regel wird sie aber genau dadurch erleichtert. Weshalb Spielregeln immer auch unterhaltsam gestaltet sind. Zum Glück sind die Zeiten der auf ein gefaltetes Blatt Papier gedruckten Textwüsten-Spiegelpunktlisten der 70er und 80er vorbei.

    Die Verlage haben nämlich erkannt, dass bei Anleitungen eine Gruppe von Freunden in ihrer Freizeit zusammensitzt um Spaß zu haben und sich unterhalten zu lassen. Und das fängt mit den Regeln an.

    Und TROTZDEM wird, trotz aller Flavortexte, Bilder, Beispiele und witziger Ideen, das Regelstudium immer noch als notwendiges, langweiliges Übel betrachtet.


    Regeln müssen also unterhaltsam sein, voller literarischer Ergüsse und schöner Sätze. Denn ja, am Ende sind sie Bedienungsanleitungen. Aber je weniger sie sich wie eine lesen, desto besser ...


    Auch ich suche beim Erklären von Regeln immer den unterhaltsamen Effekt, die Geschichte oder Anekdote.

    2) Du setzt voraus, dass Sprache komplizierter sein muss, wenn sie genderneutral wird. Daran glaube ich nicht. Sie wird vielleicht anfangs ungewohnt sein, aber das ist nicht dasselbe wie kompliziert.

    Das ist der einzige Punkt, in dem ich dir nicht zustimme, ansonsten fand ich deinen Beitrag klasse. :)
    Ich weiß auch nicht, was kommt oder nicht kommt, wenn wir anfangen, gezielt an unserer Sprache und Grammatik herumzudoktorn (frei nach dem Motto: Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen), habe jedoch die Erfahrung gemacht, dass Sprache sich so verhält, wie die meisten organisch wachsenden Dinge: Sie geht den Weg des geringsten Widerstands und Kraftaufwands.
    Primäre Aufgabe von Sprache ist es. Informationen zu vermitteln, und das möglichst ökonomisch, also sparsam an Zeit und Aufwand.

    Es gibt einen Grund dafür, weshalb alle gezielt erfundenen Sprachen und Sprachmuster (von Esperanto über die Geheimsprachen, die wir als Kinder erfinden) sich nicht durchsetzen: In der Regel sind sie nicht ökonomisch.

    Das heißt aber nicht, dass man Sprache nicht beeinflussen kann - Werbung, Politik und Medien zeigen mit ihren immer neuen Euphemismen und Neologismen und Anglizismen, dass das durchaus möglich ist, und man durch eine doofe Werbekampagne innerhalb von 30 Jahren ein grammatikalisch falsches Wort wie "unkaputtbar" fest und nachhaltig in die deutsche Sprach-DNA einbauen kann (ein Wort, das früher wegen seiner Unmöglichkeit einen so enormen Werbeeffekt erzielt hat, und heute kaum noch jemandem auffällt, weil es Alltagssprache geworden ist).
    Es IST also möglich, Sprache zu impfen oder gelenkt zu ändern.


    Ich bleibe aber dabei, dass ich davon ausgehe, dass nur Änderungen übernommen werden, die sich in die Ökonomie einer Sprache einfügen. Genderneutralität empfinde(!) ich in ihrer aktuellen Form meist als unökonomisch - was vermutlich einer der Gründe für den heftigen Gegenwind ist. Ich bin noch nicht überzeugt davon, dass hier eine dauerhafte Änderung der Sprache umsetzbar ist.
    Aber ich lasse mich sehr, sehr gerne eines Besseren belehren. :)

    Ich KANN etwas ändern, wenn ich meinem Kind sage, dass es nicht Feuerwehrmänner heisst, sondern Feuerwehrleute.

    Der Plural hierzu und ähnlichen Fällen war schon immer "-leute", auch ganz ohne Gendersprache (Kaufleute, Seeleute, Zimmerleute, etc.).

    Umso besser! Muss man nix Neues erfinden, sondern nur exklusiv etwas benutzen, das es schon immer gab und die andere, viel zu oft genutzte Form nur noch ignorieren.

    Eigentlich perfekt!

    Eine Anleitung muss einen Sachverhalt korrekt transportieren und nicht für das Wohlbefinden von Menschen sorgen.

    Aber auch eine Anleitung mit rein weiblichen Bezeichnungen transportiert den Sachverhalt korrekt. Grade Blackout Hongkong ist eine wirklich gute Anleitung, die den Sachverhalt prima transportiert. Also dürftest du dich nicht dran stören. Dennoch bereitet es dir offensichtlich Unwohlsein.

    Es scheint daher, als liege da doch noch eine weitere Ebene irgendwo verborgen, die dich stört.