Am SpieleWahnsinn-Sonntag kamen in meinen Runden nur vier Spiele, dafür aber fast durchweg richtig gute Vertreter ihrer Art auf den Tisch. Zwei Pflichtkäufe für mich, die allerdings noch im Handmuster-Stadium waren und deshalb die Vorfreude auf die Veröffentlichung entfacht haben. Ein gelungenes Eurogame in reduzierter Optik und eine etwas seichte Eurogame-Amitrash-Mischung, die wohl erst mit den Erweiterungen ihr volles Potential zeigen wird. Diese Spiele ergaben einen entspannten Abschluss des dreitätgigen Spieleevents im Kulturzentrum Herne.
Und diese drei Tage reichten bei weitem nicht aus, um wirklich alles anspielen zu können, was interessant gewesen wäre. Die kostenfreie Spieleausleihe habe ich zudem komplett ausgelassen und auch dieses Jahr habe ich mir keine Zeit genommen, die Dauerausstellung der LWL-Museums für Archäologie zu besuchen oder an Turnieren teilzunehmen. Schade eigentlich.
Das zeigt mir aber nur zu gut, wie viele Neuheiten auf minimaler Fläche präsentiert werden können. Der SpieleWahnsinn war erneut ein Besuch wert. Der Termin für 2020 zudem schon fest vergemerkt - am 15. bis 17. Mai geht es im kommenden Jahr weiter und dazwischen ist ja noch die SPIEL und diverse Spieletreffs, um den Spielspass-Hunger zu stillen. Hoffentlich dann mindest so entspannt, wie in Herne erlebt.
Airship City : Wir sind am Ausbau einer Stadt beteiligt, die per Luftschiffe in den Wolken fliegt. Aber eigentlich streben wir nur nach Ruhm und Reichtum in Form von Siegpunkten. Die gibt es für erfüllte Rohstoff-Lieferaufträge, wenn wir in den Bau von besonderen Gebäuden investieren, was wiederum Rohstoffe kostet oder eben, wenn wir der Stadt Luftschiffe schenken. Wer ahnt es? Der Bau dieser Luftschiffe verbraucht ebenso Rohstoffe und die gilt es deshalb anzusammeln. Das wird unsere Hauptaufgabe sein.
Auf den spielerischen Kern reduziert ein Worker-Placement-Spiel, bei der wir uns mit unseren anfangs zwei Luftschiffs-Plättchen über das 4x4 Stadtraster bewegen. Immer nur einen Schritt weit, wobei wir unsere eigenen Luftschiffe überspringen können. Weit kommen wir also nicht. Deshalb können wir mit dem Verbrauch einer Zahnrad-Ressource wie beim verrückten Labyrinth den Spielplan verändern. Wenn wir schon nicht so einfach zu den Orten kommen können, kommen die uns eben verschoben entgegen.
Auf dem Zielfeld angekommen, sammeln wir die aufgedruckte Ressourcen-Anzahl ein und wenn dort schon Mitspieler stehen, bekommen die ebenfalls eine Ressource von der Bank geschenkt. Mit diesem Kniff ist jeder Mitspieler interessiert, das Spielgeschehen zu verfolgen, weil man ja keine Bonusressourcen verpassen möchte. Zwar schmiedet man Pläne, bis man wieder am Zug kommt, aber durch das Verschieben der Stadt-Plättchen und dem einen gemeinsamen Auftragsvorrat können diese lieben Mitspieler mal ganz schnell die eigenen Planungen durchkreuzen. Wirklich aggressive Züge gibt es aber nicht. Man kann sich höchstens benachteiligt fühlen, wenn man kaum bis nie Bonusressourcen abbekommt, weil lieber anderer Stadtfelder aufgesucht werden, bevor man Mitspieler mitprofitieren lässt.
Die Stadtfelder kann man per Ressourceneinsatz auch umdrehen und damit lukrativer machen, wer diesen Einsatz geleistet hat. Zeitgleich vergrössert sich dadurch die eigene Lagerkapazität, denn einige der grösseren Aufträge verlangen mal eben 11 Holz oder so und die sprengen die anfängliche Lagergrösse von nur 10 pro Rohstoffsorte und Geld. Ebenso können wir einen dritten oder gar vierten Worker in Luftschiff-Form kaufen und damit unsere Aktionen erhöhen. Wer da als Mitspieler nicht hinterherkommt, könnte auf langer Sicht abgehängt werden.
Ach ja, nicht erfüllte Aufträge altern nach einer Epoche, die alle fünf Runden endet und setzen einen ein wenig unter Druck, nicht zu viele davon zu sammeln. Da ein Auftrag annehmen aber auch eine Aktion ist und man anfangs nur zwei Aktionen pro Runde hat, nimmt man eh nur Aufträge, die in Erfüllungsreichweite liegen. Dann gibt es noch drei Sorten von zu bauenden Luftschiffen, die man gegen Siegpunkte direkt der Stadt spenden kann, was einem erlaubt, Rohstoffe beim Bau dieser Luftschiffart einzusparen und bessere Luftschiffe zu bauen, die noch mehr Siegpunkte versprechen. Wer da die Mehrheit an Spenden geleistet hat, spart zudem noch mehr.
Ein gefälliges Eurogame. Jeder optimiert ein wenig für sich. Hofft, dass einem die Mitspieler zu zuvor kommen und versucht, irgendwie einen Siegpunktvorteil zu erspielen. Die 20 Runden können dabei etwas lang werden, wenn wirklich alle Mitspieler bei jeder Aktion durchtüfteln, was alles möglich ist und was eventuell besser. Durch den Verschiebemechanismus können Stadtteile erreicht werden, die vorab unmöglich schienen. Das ist ein wenig unübersichtlich, weil ungewohnt, kann Bedenkzeit brauchen und zu Zugrücknahmen führen, wenn die Runde das erlaubt. Deshalb trägt das Spiel für mich umso mehr, wenn es relativ flott gespielt wird. Es passiert hier zwar wenig neues, das aber in guter Form, wenn man den minimalistisch-übersichtlichen Grafikstil in seinen klar definierten Farbtönen mag.
Crystal Palace : Werde ich die Tage, wie angekündigt, noch in einem eigenen Forenthread ausführlicher beleuchten. Ihr könnt aber gerne schon mal vorlegen. Es war für mich mein Eventhighlight im Expertenbereich und ein absoluter Pflichtkauf für den Herbst 2019.
Watergate : Nixon gegen die Enthüllungen der Washington Post. Ein reines Zweispiel mit direkter Konfrontation. Eine Art Tauziehen um die Initiative und das Momentum und Quellen sowie die Verbindungen zwischen Nixon und den Quellen.
Jede Runde wird um drei Beweisplätten gerungen. Zusätzlich will man noch die Initiative für die Folgerunde auf seine Seite ziehen und ebenso das Momentum gewinnen. Dazu spielt man abwechselnd eine Handkarte aus seinem persönlichen Kartenvorrat aus. Hier kommt ein wenig Twilight Struggle durch. Denn als Ereignis gespielt, wird die Karte aus dem Spiel entfernt und nutzt man hingegen nur deren Punktewert, wandert die auf den Ablagestapel und kann im Spielverlauf erneut auf die Hand wandern. Also jetzt den fetten Braten ausspielen oder doch lieber mit seinen Möglichkeiten haushalten? Da der Mitspieler direkt reagieren kann, entsteht so ein überraschendes Hin- und Her, bei dem man mit passenden Karten auch direkt kontern kann.
Wer die Initiative gewinnt, bekommt für die Folgerunde eine Karte mehr und darf anfangen. Das kann die eine entscheidende Karte sein, um Beweise oder den Momentum-Marker auf seine Seite zu ziehen. Denn gewinnt Nixon fünf Momentum-Marker, dann hat er direkt gewonnen. Das will die Washington Post verhindern. Diese versucht wiederum eine Quelle per Kartenaktion aufzudecken, bevor Nixon diese Quelle mundtot macht. Und dann will auch noch eine durchgehende Beweiskette zwischen dieser Quelle und Nixen geschlossen werden, ohne dass Nixon diese Beweise vernichtet.
Wer sich ein wenig mit dem Thema auskennt, spielt diese Geschehnisse des Wategame-Skandals am Spieltisch wirklich nach. Also am besten vorab noch mal diverse Kinofilme zum Thema schauen, damit man mit den Personen und Ereignissen auch etwas anfangen kann. Ansonsten wird aus dem thematischen Spiel ein eher abstraktes Gerangel um zwei Holzmarker und ausliegende Beweisplättchen, die es auf seine Seite zu ziehen gilt, um diese platzieren zu dürfen. Das Spiel lebt enorm vom Thema, die Mechanismen sind aber auch so ausreichend interessant, dass man mit dem Spiel das Thema kennenlernen kann. Für mich das 2-Spieler-Highlight des SpieleWahnsinns. Soll zur BerlinCon in wenigen Wochen veröffentlicht werden - komplett auf deutsch.
Champions of Midgard : Ein Hybride aus Eurogame und Amitrash erwartet uns hier. Wir sind Nordmänner und verteidigen unser Dorf gegen wiederkehrende Trolle und ziehen gegen Monster in den Kampf, um Siegpunkt zu erspielen. Nach nur acht Runden ist der Trubel vorbei und da man anfangs nur drei Nordmänner zum Einsatz hat, vergehen diese Runden recht schnell.
Eventuell zu schnell? Weil jeder Nordmann kann nur eine Aktion auf dem Spielplan machen. Typisches Worker-Placement eben. Für die Überseekämpfe brauchen wir Nahrung. Zudem brauchen wir Krieger. Und der Kampf selbst ist auch eine Aktion. Alles kann man also in einer Runde nicht machen und so wechseln sich Vorbereitungsrunden und Kampfrunden zunächst ab, bis man ausreichend viele Kämpfer versammelt und eventuell sogar ein eigenes Schiff gebaut hat.
Wer den angreifenden Troll nicht verkloppt, der wird mit Schandmarkern bestraft und wer gegen den Troll antritt, kann diese Schande wieder loswerden. Da diese in Summe immer mehr Minuspunkte bringen, muss man ab und zu mal den Troll als Gegner den andere Monstern vorziehen. Auch wenn dieser weniger Siegpunkte einbringt. Manchesmal entsteht aber auch ein Gerangel, wer den Troll diese Runde bekämpfen darf, denn Schandemarker will man nicht zu viele ansammeln.
Im Kampf wird gewürfelt. Mit allen Würfeln, die man in den Kampf mitnehmen will. Speere ,Schwerter und Äxte töten Monster und Schilde schützen vor eigenen Schaden und damit vernichtete Kriegerwürfel. Verluste kann man meist nicht vermeiden und Leerseiten auf den Würfeln meist auch nicht. Direkt im ersten Wurf gleich vierfach eine Leerseite. Hier schlägt voll und ganz das Glück zu. Amitrash lässt grüssen mit voller Breitseite. Das muss man mögen. Oder sich eine Erweiterung kaufen, die ich nicht kenne, aber das Glück durch Eurogame-Mechanismen ersetzen soll oder so.
Ich habe hingegen nur das Grundspiel gespielt und das fühlte sich locker fluffig und auch ein wenig seicht an. Eben das, was ein Eurogame-Optimierer mal eben vor dem Frühstück im Vorbeigehen verspeist. Es wirkt gross und kann durchaus Spass machen, aber am Ende blieb bei mir das Gefühl, doch irgendwie recht wenig im Spielverlauf gemacht zu haben. Nahrung und Kämpfer sammeln. Trinkhörner auch, um einen Wurf wiederholen zu dürfen als letzte Rettung. Eventuell Sonderkarten gekauft, die im Spiel einmalige Vorteile bringen oder die Gefahren der Überfahrt zu den Monstern auf den entfernten Inseln erspicken lassen vorab oder eben teuer einen vierten Nordmann gekauft, um dann doch mehr in einer Runde machen zu können.
Zwischendurch wird gekämpft und da sollte man jeden Wurf schon johlend begleiten wollen, um seinen Spass aus dem Spiel zu ziehen. Wer kampflastige Workerplacement-Spiele mag und eher die einfachere Kost sucht, wird hier fündig. Bei mir sitzt es zwischen den Stühlen, war nicht schlecht, aber dann auch schnell wieder vergessen die Partie. Wird aber sicher seine Fans finden.