Beiträge von Sir Bobo im Thema „04.03.-10.03.2019“

    Ich berichte jetzt auch mal in dieser Runde über etwas ungewöhnlichere Spiele auf meinem Tisch, um entsprechende Erfahrungen zu teilen (die "Üblichen Verdächtigen" lasse ich an dieser Stelle weg, da kann ich wenig Mehrnutzen stiften):


    #Raiatea


    Das Action Selection Eurospiel "Raiatea" von Quined Games (2018) bekommt gerade auf BGG mit einer Bewertung von 6.6 recht wenig Liebe, weshalb ich die erste Partie lange hinausgezögert habe, doch der Anschein eines verkorksten Langweilers hat sich nicht bewahrheitet...


    Als polynesische Schamanen der Arioi versuchen bis zu 5 Spieler, durch das Vorbereiten von Ritualen und Erfüllen von Aufgaben der Götterstatuen im klassischen Euro-Style durchaus knapp bemessene Siegpunkte zu ergattern. Das Spiel verwendet hierzu einen durchaus zeitgemäßen Action Selection-Mechanismus, bei dem ein Spieler aus 6 Orten eine Aktion wählen kann, die dann alle Spieler ausführen dürfen, wobei der auswählende Spieler einen zusätzlichen Vorteil erhält. Man kann Perlen (Geld) sammeln, Priester für Mana ausbilden, den Markt besuchen, Tätowierungen kaufen und Ritualkarten ziehen, Masken tauschen oder im Wald Karten einsammeln. Als besonderer Kniff kann eine Aktion jedem Spieler einen Bonus geben, wenn man zu diesem Zeitpunkt passende Helfer hat und das Schicksal (bzw. ein d4 Würfel) eine Zahl würfelt, die den vorhandenen Karten entspricht.


    Neben den normalen Aktionsrunden gibt es dann insgesamt dreimal eine Ritualrunde mit festem Ablauf. Hierbei werfen alle Spieler eigene Ritualkarten in einen Sack und bieten dann verdeckt Mana, das kollektiv ebenso in den Sack kommt. Danach werden die Rituale den Manakosten nach sortiert und die billigsten Rituale zuerst mit dem vorhandenen Mana durchgeführt. Dies ist ein cleverer Mechanismus, denn die mächtigen Rituale sind teuer und man weiß nie, was die anderen Spieler hineinwerfen. Andererseits bestimmt die Höhe der Manaspende nicht nur die Reihenfolge bei Ritualen mit gleichen Kosten, sondern bestimmt die Reihenfolge bei dem Erfüllen der Statuenziele, welches jeweils danach stattfindet, und gibt auch einen kleinen Bonus für die größten Spender.


    Es gibt folgende Kernelemente, die eine interessante Mischung ergeben:

    • Mit dem Sammeln von Warenkarten erhält man Vorteile auf dem Markt oder Tätowierungen bzw. bezahlt Siegpunkttoken der Statuenziele;
    • Helferkarten haben nicht nur den dauerhaften Vorteil, eine Aktion mit etwas Glück lukrativer zu machen, sondern bieten jeweils einen mächtigne Einmalvorteil, z.B. den Markt zu manipulieren, ein Statuenziel zweimal hintereinander auszuwählen oder sogar ein Ritual mitten im Spiel durchzuführen und den Bonus zu erhalten;
    • Absolut wichtig ist das Sammeln von Masken, die zunächst nur einen Einmal-Effekt auslösen (z.B. erhalte drei Perlen), aber bei zwei identischen Masken einen Extrabonus für das Spielende geben (z.B. alle Perlentaucher-Helfer geben einen Extrapunkt);
    • Man will die Tätowierungsleiste hochklettern, die nicht nur am Ende Siegpunkte gibt, sondern es ab der ersten Stufe erlaubt, mächtigere Ritualkarten auszusuchen bzw. später drei statt zwei Karten in der Ritualrunde in den Sack zu werfen;
    • Während die gesammelten Helfer und Masken für alle sichtbar sind, versteckt man die Perlen, Mana und Warenkarten hinter einem Sichtschirm;

    Meine erste 3-Spieler-Partie hat mir sehr gut gefallen, da die Interaktion dank der Aktionsauswahl und der Ritualrunde angenehm hoch, aber nicht allzu ärgerlich ist (für "In Your Face" Strategen gibt es noch als Mini-Erweiterung optionale Tane-Rituale, bei denen man sich gegenseitig Karten und Ressourcen stehlen kann). Die Laufzeit mit etwas über zwei Stunden inkl. Erklärung war völlig in Ordnung - bei drei Spielern hat man gerade mal 6 Aktionsrunden und 3 Ritualrunden, dann ist das Spiel auch schon vorbei.


    Als Minuspunkt sollte allerdings erwähnt werden, dass die sprachneutrale Ikonografie gerade auf den Ritualkarten in der ersten Partie einen ständigen Blick in die Anleitung erforderte. Auch das Zusammenspiel der Aktionen mit Helferkarten und Sonderbonus erfordert eine gewisse Disziplin und Struktur im Spielablauf. Man muss auch immer etwas genauer bei den Kartenelementen hinsehen, da die Größe und Farbwahl teilweise suboptimal erscheint.


    Im Ergebnis wird man daher zunächst eine kleine Einsteigerhürde überwinden und hat hier sicherlich aufgrund der bekannten Elemente keine Revolution des Eurogames, aber die Mischung zeitgemäßer Mechaniken und angenehme Spieldauer kombiniert mit kleinen Engine Building Elementen, einem spannenden Auktionsmechanismus und optisch guter Aufmachung lieferten mir eine überaus positive Spielerfahrung als Ersteindruck, weshalb ich dem Spiel auch auf BGG auch zunächst 8/10 Punkten gegönnt habe.



    #TournamentatCamelot


    Danach gab es als Schlusspunkt des Abends endlich einmal in einer Fünfer-Runde das Kartenstichspiel "Tournament at Camelot" von WizKids (2017). Hierbei gibt es zunächst einfach für jeden Spieler 12 Karten aus einem Deck mit 4 Farben und jeweils Werten von 1-15, wobei eine gespielte Farbe bedient werden muss. Wer den niedrigsten Wert der angesagten Farbe gespielt hat, muss alle Karten nehmen und verliert dadurch von seinen 400 Lebenspunkten jeweils 5 Punkte pro erhaltener Karte. Soweit, so gähn, doch nun kommen die spannenden Elemente:

    • Manche Karten haben Blutflecken und verursachen damit beim Verlierer doppelten Schaden (10 Punkte);
    • Es gibt eine fünfte "Sorte", die Alchemistenkarten, die man spielen muss, wenn man die angesagte Farbe nicht hat;
    • Hat man auch keine Alchemistenkarte, ist man für den laufenden Stich völlig draußen (die gelegte Karte verursacht auch keinen Schaden), muss für diese Schande aber kleine 5 Schadenspunkte nehmen;
    • Es gibt mit Merlin und dem Zauberlehrling Jokerkarten, die jede Farbe und Zahl sein können und ordentliche Schadenspunkte in den Stich bringen;
    • Wenn jedoch zwei gleiche Zahlen im Stich liegen (z.B. Schwert-12 und Alchemist-12 oder ein Merlin wird auch als Schwert-12 angesagt), werden diese Karten für die Identifikation des Verlierers umgedeht (doch Schaden wird auch durch diese Karten verursacht);
    • Jeder Spieler hat einen Charakter, der eine Sonderfähigkeit mit ins Spiel bringt (z.B. Arthur erhöht den Wert von eigenen Schwerter-Karten) und besitzt darüber hinaus einen Unterstützer mit einer weiteren Eigenschaft, die aber z.B. erst ab einer gewissen Schadenshöhe ins Spiel kommt;
    • Nach jeder Runde dürfen die Spieler mit den niedrigsten Lebenspunkten als netten Catch-up Mechanismus sog. Godsend-Karten ziehen, die nochmals Spielregeln ändern und beispielsweise es erlauben, etwa einmalig Schaden zu reduzieren oder einem Mitspieler ein Handicap zu versehen (z.B. muss das Opfer dann die nächste Runde mit offenen Kartespielen);

    Die Karten sind in einem sehr schönen Mittelalterstil designt und liegen aufgrund der Übergröße auch gut in der Hand. Aufgrund des historisch angehauchten Schrifttypus sind die Texte allerdings nicht ideal lesbar und erfordern gerade für die Sondereffekte ausreichende Englischkenntnisse. Negativ ist mir noch am ehesten das knappe Regelwerk aufgefallen, welches einfach nicht intuitiv geschrieben wurde und man nur schwer ad hoc darin Einzelinformationen findet, auch wenn am Ende alle Basics verfügbar sind. Ein FAQ zu den Rollen und bestimmten Godsend-Karten wäre toll gewesen.


    Insgesamt bin ich aber mit der ersten Partie über zwei Tournierrunden sehr zufrieden gewesen. Trotz größerer Spieleranzahl hatte man selten das Gefühl des völligen Zufalls und konnte eigentlich mit den eigenen Karten durchaus taktieren, z.B. kleine Stiche nehmen und sich bei großen Minuspunkten etwa durch das geschickte Ausnutzen der eigenen Fähigkeiten aus der Affäre ziehen. Gerade bei Stichspielen erscheint es mir ein Qualitätsmerkmal, wenn man trotz der nie ganz verschwindenden Abhängkeit vom Kartenglück doch noch immer wieder das Gefühl einer möglichen Kontrolle hat. Wenn dann auch noch zuletzt selbst der Verlierer des Tourniers begeistert mitteilt, dass er bei der nächsten Runde wieder dabei ist, sagt dies eigentlich alles und wird von mir ebenso mit 8/10 auf BGG bewertet.