Ich frage mich mittlerweile, bin ich zu a) anspruchsvoll, b) verwöhnt oder c) kritisch, dass ich bei vielen aktuellen (Verlags-)Spielen bei dem Gebotenen nur noch den Kopfschütteln kann? Oder hat man vielleicht im Laufe der Zeit und aufgrund des großen Angebots an Spielen (Verlags- plus Kickstarterangebote) insgesamt und der hohen Anzahl an persönlichen Top-Titeln in der eigenen Sammlung eine differenzierte Sicht auf Spiele und deren Mechaniken? Oder habe ich eine falsche, verzerrte Sicht auf Verlage, die man in der Vergangenheit als Garanten für sich subjektiv, passende Spiele angesehen hat? Das ich ein HdR in dieser Form (stellvertretend für einige der letzten FFG-Veröffentlichungen, aber auch anderer Verlage) für mich persönlich nicht als ausreichend gutes Spiel sehen kann, hat nach meiner derzeitigen Sicht, tatsächlich auch schlicht ganz persönliche Gründe, die in den obengenannten Fragen teilweise begründet liegen ...
- Je mehr Spiele ich kennen, umso schwerer wird es, etwas noch subjektiv besseres zu finden.
- Je mehr Titel ich in der Sammlung zuhause habe, umso kritischer bin ich bei Neuzugängen.
- Je mehr Titel ich zum gleichen Thema / Genre habe, je vergleichbarer / ersetzbarer wird ein neues Spiel.
- Je mehr ich mich mit ausgesuchten Kickstarterprojekten beschäftigte, umso eher fallen "normale" Verlagsspiele bei mir durch.
Aber auch andere Faktoren haben dieses Phänomen befeuert (hier z.B. FFG stellvertretend) ...
FFG hat in der Vergangenheit meine Spieleprägung stark mit beeinflusst, wodurch nicht nur eine hohe Erwartungshaltung als auch ein (zum Teil) verklärter Blick in die Vergangenheit bei mir entstanden ist. Im Gegensatz zu dem Verlag als Lieferant von Massenartikeln habe ich mich verändert, sozusagen "weiterentwickelt". Mir reicht offenbar auf Grund von Alternativen und Reizüberflutung, das von FFG für die breite Masse gedachte Sortiment größtenteils nicht mehr aus. Ansprüche sind mit Angebot nicht mehr deckungsgleich. Man ist quasi den Produkten entwachsen. Zudem wünscht man sich (als Teil der Erwartungshaltung) wieder solch neue Impulse von FFG, wie man sie in der "guten, alten" / "golden" Zeit erfahren hat, die aber eben damals aus einem ganzen anderen, subjektiven Blickpunkt, gesehen wurden. Diese Erfahrung zur veränderten Wahrnehmung mache ich sehr oft mit Brettspielneulingen, die nach einer Partie eines gewöhnlichen Workerplacement-Spiels oder eines einfachen Dungeoncrawler quasi völlig aus dem Häuschen sind, aber vor allem eben weil Ihnen Erfahrungen und Vergleichsmöglichkeiten fehlen. Wer nur die Spitze des Eisberges kennt, kann seine wahre Größe nicht beurteilen ...
Bei mir persönlich treffen also speziell bei FFG derzeit zwei gegensätzliche Entwicklungen aufeinander, die zu meinem vernichtenden Gesamturteil verschmelzen: Die eigene geänderte, differenzierte Wahrnehmung und das veränderte Konzept, hin zu entschlackten, vereinfachten (teilweise App-gesteuerten) Titeln bei FFG. Beides lässt sich nur schwerlich in Einklang bringen ... eine Entwicklung, die ich allerdings nicht exklusiv bei FFG empfinde, auch andere Verlage gehen mitunter zur Zeit weg von Komplexität und dem Fokus auf Viel-/Expertenspieler, hin zu Einsteigerfreundlichkeit und Massengeschmack. Für ein Unternehmen völlig logischer Schritt, welches am wachsendem Markt der Brettspieler insgesamt erfolgreich sein will. So sehr sich das "Kulturgut" Brettspiel als Ganzes im Aufschwung befindet, so sehr entsteht in der wachsenden Anzahl an neuen Spielen ein größerer Anteil an Titeln, für die eher brettspielunerfahrene Masse. Spiele die eben nicht alle eingefleischten Brettspielfans der ersten Stunde zufrieden stellen. Man ist teilweise einfach der aktuellen Hauptzielgruppe entwachsen und darf sich dann auch nicht wundern, wenn viele Spiele für einen ganz persönlich doch nicht mehr passen ...