So, ich hatte ja noch ein Fazit versprochen. Dann werde ich mich mal daran versuchen, grundsätzlich spoilerfrei, nur ein paar persönliche Begebenheiten aus der Story hab ich als Spoiler gekennzeichnet.
Passend zum Thema gibt es hier Licht und Schatten
LICHT:
- Geschichte, Geschichte, Geschichte! Man erlebt einfach sehr viel auf der Reise, im kleinen wie im großen. Klar, die Story schwächelt auch mal, und fällt gegen Ende etwas ab - den Anfang und Mitte fand ich am stärksten. Aber man hat viel zu entscheiden und tatsächlich auch das Gefühl, die Welt von Avalon mit zu gestalten.
Man begegnet bekannten Namen und Gegenständen (wie ich meinen Mann angeguckt habe, als ich plötzlich den GRAL in Händen hielt *lach*), die die Charaktere in der Hauptstory begleiten und diese mit formen. Aber auch abseits des Hauptweges gibt es viele Kleinigkeiten, die im Gedächtnis bleiben - wie diese mächtige, alte Wesenheit, die wir befreit haben, und die uns dann dermaßen Angst reingebrökelt hat, als wir um Belohnung für die Befreiung gebeten haben (und uns dabei mit einer immensen Menge Magie beschenkt hat); oder der Angehörige des Einstvolks, dem wir seinen Ring zurück gebracht haben, anstatt ihn selbst einzusacken... Die Hüter in ihren Türmen, Orrin auf seiner Insel in der Wyrdnis und die vielen kleinen Erlebnisse in Tuathan, bei denen viele besondere dabei waren... Einiges wird mir sicher in Erinnerung bleiben
Ohne Frage ist die Geschichte der große Pluspunkt dieses Spiels. Die Art und Weise, wie sie dargebracht wird, in Form des dicken Buchs, bringt eine gewisse Fummeligkeit mit sich (s. Schatten), aber ich hätte bei diesem Ausmaß an Orten und Entscheidungen auch keine bessere Lösung parat.
- Erkundung: gehört ein bisschen zur Geschichte dazu, möchte ich aber nochmal extra hervorheben - die Freiheit in der Erkundung und die kleinen Abenteuer, die man dabei erleben kann, tragen für mich gerade anfangs das Spiel. Bei jedem neuen Ort habe ich mich drauf gefreut, was es hier wohl zu gucken gibt, und die Texte der Orte sind auch toll geschrieben.
- Optik und Qualität: besonders die Ortskarten sind wunderschön und detailliert illustriert, da konnte ich mich echt drin verlieren. Auch Gegenstände und Begegnungen sind schick anzusehen, mit kleinen Details und kurzen, aber stimmungsvollen Fluff-Texten. Die Playerboards sind toll gemacht, ebenso die MInis, und auch alles andere lässt keine Wünsche übrig.
- Zugänglichkeit: durch Anleitung und Tutorial wird man gut herangeführt und hat schnell die grundlegenden Mechaniken verstanden. Klar, die sind ja auch nicht sonderlich tiefgehend, das finden wir bei den Kontras wieder Aber ich fand alles recht verständlich, und die beiden großen Stolpersteine, die ich hatte, hätte ich durch einen Blick in die Errata klären können, wenn ich dran gedacht, in sie reinzugucken...
- Kampfsystem: war mal was anderes. Im ersten Moment fand ich diese Karten-Anlege-Mechanik echt schräg, aber im Laufe des Spiels hatte man dann durchaus ein Auge für gute Kombos, und neu gewonnene Fertigkeiten geben einem hier nochmal andere Möglichkeiten - Karten tauschen, mehr Karten ziehen, Symbolkombinationen belohnen...
- Helden leveln: simpel, aber effektiv. Erfahrungspunkte entweder gegen bessere Karten tauschen, hier kommt dann noch etwas Deckbau ins Spiel, oder Attribute/Fertigkeiten dafür kaufen. Dabei kann man schon darauf achten, Fertigkeiten passend zu den Charakteren zu wählen (Wurm ist hier sicher das beste Beispiel) und so entsprechend passend ausbauen. Ailei war bei uns die Diplomatie-Lady, Wurm war die Kampf-Maschine, und auf dieser Spur sind wir geblieben. Das hat echt sehr viel Spaß gemacht.
SCHATTEN:
- Spannungsbogen: der Geschichte geht gegen Ende etwas die Luft aus, das hätte mich aber gar nicht so sehr gestört, bei mir war es eher die Tatsache, dass ich die letzten Tage in Avalon recht unspannend fand. Die Orte kannte ich alle schon, und jeden nochmal neu zu erkunden, ob sich irgendwas geändert hat und es vielleicht in einer Ecke noch etwas neues gibt - nee, da hatte ich dann nicht mehr den Nerv zu. Also bin ich durch alles durchgerauscht, außer ich hatte was zu tun. Da fehlte dann dieser Erkundungseffekt, den ich am Anfang bis zur Mitte des Spiels am großartigsten fand.
- Abwechslung und Spannung in Begegnungen: gehört ein bisschen in den Bereich Spannungsbogen - so schwer, wie am Anfang viele Begegnungen sind (wir sind durchaus öfter geflohen), so simpel wird das am Ende, auch wenn der Schwierigkeitsgrad in den Begegnungen anzieht. Vielleicht ist simpel auch der falsche Ausdruck - es fehlt einfach Abwechslung. Man hat alle mal gesehen und erlebt, man weiß immer: kämpfen oder quatschen. Mir gibt es zu wenig - frisches. Ich hätte mir, gerade gegen Ende, wenn die Charaktere hochgelevelt sind, vielleicht noch andere Begegnungen gewünscht - eher so Story-Begegnungen, kleine Geschichte, dann Entscheidung A oder B oder sowas. Dinge, die am Rande des Weges erleben kann. Echte Gegner hatten wir eh keine mehr im Deck.
- Fummelig: das dauernde Blättern im Buch und der stetige Abgleich mit dem Statusbogen kann einem schon auf die Nerven gehen. Aber: mir ist klar, dass man natürlich irgendwie geführt werden muss, daher machen die Status totalen Sinn. War nur manchmal anstrengend. Auf- und Abbau des Spiels wäre mir auch echt zu viel geworden - hätte ich das Spiel nicht aufgebaut lassen können (immerhin 5 Wochen), weiß ich nicht, ob ich durchgekommen wäre. Eine Sache hatte mich mehrfach geärgert - ich sollte bestimmte Begegnungen ziehen und es war nicht angegeben, welche Stufe diese hatten. Das führte dann zu wildem Suchen im aktuellen Deck, um dann festzustellen, dass die Stufe noch in der Spielschachtel war
- Mechanik: jo, da brauch ich ja nicht mehr viel zu sagen. Spielmechanisch hat Tainted Grail wenig zu bieten, muss es für mich aber auch nicht. Das passt schon so, wie es ist. Dadurch wird es zugänglicher und ich konnte meinen Mann mit an den Tisch setzen. Passt schon. Aber wer sich eine ausgeklügelte Spielmechanik wünscht, der ist hier fehl am Platz.
Ein extra Wort zum Grinding, weil das ja immer wieder in den Kritiken auftaucht: war für uns kein Thema - wohlgemerkt, im vereinfachten Storymodus. Ab und zu mussten wir uns mal zwingend um Nahrung kümmern, das war die einzige Ressource, die wir aktiv besorgen mussten, alles andere kam über Begegnungen und Erkundungen schon irgendwie zur Genüge rein. Und auch da kann man sich mit Fertigkeiten gut behelfen. Für mich kam dieser Vorwurf null zum Tragen.
Würde ich es wieder tun?
Aber auf jeden Fall. Ich habe auch sowohl Lust, diese Kampagne mit Arev und Beor nochmal zu spielen, und andere Entscheidungen zu treffen, als auch Folgekampagnen zu spielen. Ich bereue keinen Cent, maximal dass ich diese sinnlosen Monster dazu gekauft hatte, die hatte ich ja aber vorher schon wieder verkauft. Ansonsten bereue ich nur, dass ich im Late Pledge nur das Grundspiel gekauft habe
Tainted Grail - Der Niedergang Avalons hat mich/uns 50 Stunden lang sehr gut unterhalten und dadurch ja wohl sehr viel richtig gemacht