Beiträge von ravn im Thema „„Bessere Spiele für bessere Spieler“: Ein Plädoyer von Synes Ernst für Spielekritik mit Niveau“

    Hat eine solche, ich nennen sie mal "intellektuelle Spielkritik", die dann sozusagen den gehobenen aber noch nicht zu sehr abgehobenen Richard David Precht Ansatz im Umfeld von Notruf Hafenkante Unterhaltung darstellt, überhaupt eine Relevanz, um das Kulturgut Spiel nach vorne zu bringen? Oder wäre eine solche Spielkritik nur dazu angetan, dass sich die elitären Denker gegenseitig auf die Schulter klopfen, während die relevante Kosumentenmenge, die den Markt bestimmt, sich weiterhin den Boardgamedigger reinzieht und damit bestens zufrieden ist?

    Synest Ernst hat hohe Anforderungen an eine Spielkritik aufgestellt und dabei wird es sicher noch etliche andere Anforderungen an so eine Spielkritik geben, an die er bisher nicht gedacht oder in seinem Artikel nicht angesprochen hat. Die Messlatte liegt also enorm hoch. Jetzt bleibt die Frage, warum sich jemand diese Mühe machen sollte, eine solche Spielkritik zu verfassen?


    Für den kulturellen Beitrag? Als Beweis, wie - an allen Anforderungen gemessen - perfekt eine Spielkritik sein kann, die dann sozusagen als Referenz-Spielkritik dienen könnte, an denen sich jede weitere Spielkritik messen kann? Aus wissenschaftlicher Sicht durchaus interessant, aber ich befürchte, dass so eine Leistung nur von den Wenigsten wertgeschätzt und nur von ein paar Mehr überhaupt wahrgenommen wird.


    Somit könnte dieser Beitrag oder Beweis die eigentliche Mühe gar nicht wert sein, wenn man zwei Hauptmotivationen betrachtet, warum jemand etwas veröffentlicht: Um selbst etwas zu schaffen, was gesagt werden will. Und/oder um von Anderen gehört und beachtet zu werden, was einen selbst überdauert.


    Die Anforderungen an eine Spielkritik stehen demgegenüber im Widerspruch, weil damit formale Elemente dem Autor aufgedrückt werden, die dem eigentlichen Werk im Wege stehen und es einschnüren und damit der Qualität und Schönheit und Einzigartigkeit berauben. Das Werk, so wie ich es sehe, aber sollte für sich stehen und sich überhaupt nichts unterordnen oder genügen wollen.


    Für mich zu Ende gedacht, eben soweit ich denken möchte im Rahmen dieses Forums, kann das Plädoyer von Synes Ernst sogar dazu führen, dass Spielkritiken unveröffentlicht bleiben und damit die Chance verspielt wird, dass eine wirklich grossartige Spielkritik nie ausgesprochen oder gehört wird, weil der selbstreflekierende Autor meint, den Anforderungen nicht gänzlich zu genügen. Das fände ich arg schade. Den Plappermäuler da draussen ist das alles sowieso egal, den deren Spielkritiken wird es weiterhin geben. Aber auch das sind Werke, denen Niemand ihr Recht absprechen sollte, ihr ganz eigenes Publikum zu finden, nur weil man selbst eventuell andere Vorlieben-Ansprüche-Anforderungen stellt.

    Synest Ernst formuliert in seinem Artikel eine Wunschliste, wie seiner Meinung nach bessere Spielkritiken aussehen könnten und beklagt, dass es bisher kaum Abhandlungen und Analysen zu Spielkritiken gibt. Soweit seine Sichtweise.


    Ich behaupte, dass ich als Leser kaum erkennen kann, ob eine Spielkritik fundiert ist oder schlicht zu einem falschen Ergebnis kommen muss, weil falsch gespielt oder in einer für das Spiel unpassenden Situation entstanden. Das kann ich nur erkennen, wenn ich das Spiel selbst kenne. Ob dann aber der Kritiker wirklich falsch gespielt hat oder sich nur missverständlich ausgedrückt hat in seiner Kritik, das weiss ich immer noch nicht, selbst wenn ich das Spiel kenne. Deshalb läuft für mich persönlich alles darauf hinaus, dass ich den Kritiker als Kritiker schätzen gelernt habe und aus der Vergangenheit eine Erwartungshaltung für seine aktuellen Kritiken ableite, dass diese mindestens ebenso fundiert sind.


    Da wir uns aber bei Spielekritiken hauptsächlich im Hobbybereich bewegen, finde ich es schwierig, Wünsche an Spielekritiker zu formulieren. Ich freue mich stattdessen eher, wenn jemand über ein Spiel berichtet, das mich interessiert oder das durch die Kritik für mich interessant wurde. Da hier aber jemand seine Freizeit geopfert hat, um neben den eigenen Beweggründen als Nebeneffekt mir zu helfen, erfreut mich ich eher das, was ich für mich an interessanten Inhalten in der Spielekritik vorfinde und beklange nicht das, was in der Spielkritik eventuell fehlt.