Beiträge von MetalPirate im Thema „Brass: Lancashire (Kohle): Regelfragen und Strategiebesprechung“

    In der Regel steht, dass man in der ersten Runde nur eine Aktion macht. Wenn ich nur eine Karte spiele hab ich doch am Ende der Kanalphase eine übrig?

    Lancashire: Pappplättchen kommt in den Kartenstapel, d.h. die Kanalphase endet, bevor der Kartenstapel leer ist.

    Birmingham: Bei X Spielern am Anfang X Karten direkt auf den Ablagestapel. Dann geht's auf mit kompletten Kartenstapel leer ziehen.


    Irgendwo in der Regel steht auch, wenn ich nix auf dem Plan habe kann ich mit der "Zwei-Karten-Aktion" irgendwo hinbauen.

    Da bringst du, glaube ich, zwei Sachen durcheinander. Wer nichts auf dem Plan hat, für den gelten keine Netzwerk-Restriktionen, d.h. derjenige kann (A) mit Industriekarten irgendwohin bauen bzw. (B) seine erste Verbindung mit einer beliebigen Karte irgendwo bauen (ggf. benötigte Ressourcen müssen natürlich trotzdem verfügbar sein). Das gilt für den Anfang des Spiels und, wenn man so schlecht gespielt hat, dass man keine einzige Level 2+ Industrie zum Phasenwechsel auf dem Brett ist, dann ggf. auch zum Anfang der Eisenbahnphase.


    Das andere ist das Bauen von Industrie "irgendwas und irgendwo nach Wahl". Das geht in Lancashire, indem man anstelle der beiden Aktionen pro Zug (die je eine Karte kosten) nur eine Aktion in seinem Zug macht und dafür zwei Karten zahlt. In Birmingham ist das durch den Erwerb der beiden Jokerkarten (einmal Ort, einmal Industrie) ersetzt und damit effektiv in zwei Aktionen geteilt: eine Aktion zum Joker erwerben, zweite Aktion zum Joker nutzen.

    #BrassLancashire und #BrassBirmingham

    kristallisiert sich für dich bereits ein Favorit heraus?

    Nein. Beide sind gleichermaßen reizvoll. Das einzige, was sich für mich bisher herauskristallisiert hat, ist die Erkenntnis, dass ich mich mit Birmingham deutlich schwerer tue als mit Lancashire. [...]

    Ich beantworte die Frage ein zweites Mal, jetzt nach jeweils mindestens einem halben Dutzend Partien in beiden Varianten (2er und 3er). Mein Favorit ist mit leichtem Vorsprung Birmingham.


    Die beiden Hauptvorteile von Birmingham sind, dass es drei unterschiedliche exportorientierte Industrien gibt statt nur einer und dass Industrien zwischen 0 und 2 Punkte für Verbindungen geben statt immer nur 1. Durch Letzteres wird das Platzieren der Verbindungen aufgewertet, und das gilt insbesondere für denjenigen, der auf manufacturing goods setzt, dann der kann anderen die punktemäßig wenig attraktiven Fabriken in "ihre" Städte setzen und die 2-Punkte-Industrien dorthin setzen, wo er selbst mit vielen Verbindungen schon vertreten ist. (Wenn ihr irgendwo hört, dass goods schwächer als cotton mills wären, dann denkt daran!)


    Das alles macht das Spiel strategisch und taktisch interessanter als das alte Brass (Lancashire). Das war eh schon "opaque", wie der Ami sagen würde. Züge sind auf verschlungenen Wegen gut oder schlecht, in einer Art und Weise, die man nicht immer sofort sieht oder merkt. Birmingham setzt da sogar noch eins drauf, und die Brauereien spielen diesbezüglich auch noch eine starke Rolle. Die Brauereien finde auch ich als sehr analytisch denkender Mensch mit gewisser Spielerfahrung immer noch sehr "opaque". Gemessen an der Investition bringen die ordentlich Siegpunkte, ordentlich Einkommen und mit zwei Verbindungspunkten belohnen sie außerdem noch die angrenzenden Verbindungen. Aber dazu müssen sie gedreht werden, und ob das klappt oder nicht, ist auch für mich noch ziemich undurchsichtig.


    Jeder kann jedes Bier trinken, bei fremden Brauereien allerdings nur mit Verbindung. Das ergibt so Fragen wie: wenn ich eine Brauerei baue ohne das Bier aktuell selbst zu brauchen, kann ich mich darauf verlassen, dass es ein anderer nimmt? Wenn ich das Bier selbst brauche, muss ich außerhalb der Reichweite anderer Spieler bauen, weil die es mir sonst für ihre Lieferungen wegtrinken? Erst Exportindustrien bauen oder erst die Brauerei(en)? Die Dynamik des Biermarktes ist nochmal komplexer als der für Kohle und sowieso komplexer als der für das "teleportierende" Eisen, wo Verbindungen keine Rolle spielen.


    Noch nicht so wirklich überzeugt bin ich allerdings von den potteries. Die Level I Pottery veraltet nicht und sie lohnt sich. Eher teuer, aber viele Siegpunkt und ordentlich Einkommen. Wenn im Eisenbahnzeitalter jeder seine Level I Pottery setzt, dann sind alle Bauplätze weg und eine Strategie, die auf Töpfereien setzt, geht nicht mehr auf. Es ist deshalb leicht möglich, dem Pottery-Spieler seine Strategie zu zerschießen, und wenn der seine Level V Pottery (20 Siegpunkte!) nicht auf den Plan bringt, dann war alles ein Fehlschlag. Mit etwas Glück habe ich einmal die Level V Pottery geschafft, aber auch dann gab's nur eine mittlere Punktzahl als Endergebnis. Für eine extrem fragile Strategie stimmt da Stand heute für mich einfach der mögliche Ertrag nicht.


    Sonst könnte man noch negativ erwähnen, dass die wilden Schwankungen bei den Erträgen zwischen den unterschiedlichen Stufen der einzelnen Industrie-Entwicklungslinien kaum mehr thematisch begründbar sind. Für die eine Stufe gibt es viel Ertrag, für die nächste quasi nix an Einkommen und dafür massig Siegpunkt, für die nächste dann mittleren Ertrag und zwei Punkte pro Verbindung. Ähem. Ist halt so. Warum auch immer. Darauf kann (und soll!) man optimieren, aber da wird's dann eindeutig mechanisch statt thematisch. Aber sowohl das als auch die Tatsache, dass ich bei den Töpfereien alles jenseits der Level I Pottery im Prinzip für weitgehend verzichtbar halte, kann meinen sehr positiven Gesamteindruck von Brass Birmingham nicht schmälern. Das ist ein sehr schönes Strategiespiel geworden, im Vergleich zum Original mit wohltuendem Streamlining hier und da und gleichzeitig sogar noch eine Stufe komplexer und undurchsichtiger. Gerade das Bier setzt beim eh schon schwer zu lesenden Mechanismus von Angebot und Nachfrage im Vergleich zu den Rohstoffen Kohle und Eisen nochmal einen drauf.


    tl;dr: wer bereit ist ein Spiel mehr als fünfmal zu spielen und vielschichtige, undurchsichtige Dynamiken entschlüsseln möchte, wird mit Birmingham bestens bedient.

    Braucht man beim bauen von Schienen von einem mit dem eigenen Netzwerk verbundenem Ort zu einem unverbundenem die Kohle am erstgenannten Ort oder ist das egal?

    Wenn du eine Schiene zwischen Ort A und Ort B platzieren willst, dann brauchst du Verfügbarkeit entweder bei A oder bei B (oder natürlich an beiden Orten).


    Praktisch relevant ist das z.B. wenn du am Anfang der Eisenbahnphase in Birmingham bereits vertreten bist und nirgends in Reichweite Kohle verfügbar ist. Dann darfst du die Verbindung zwischen Birmingham und Oxford (Händerort mit Anbindung zum externen Markt) bauen und dafür eine Kohle vom Markt kaufen. Weil erstens Erweiterung deines existierenden Netzwerks (durch Birmingham) und zweitens weil an einem Ende Kohle verfügbar ist (durch Oxford und den externen Markt).


    Und wenn wir schon bei Regelspitzfindigkeiten sind: für den Doppel-Schienenbau gilt Kohleverfügbarkeit für jeden Schritt für sich und Bierverfügbarkeit für die zweite platzierte Schiene. Die Reihenfolge kann relevant sein, wenn du die zweite Schiene in Erweiterung der ersten legen willst.

    kristallisiert sich für dich bereits ein Favorit heraus?

    Nein. Beide sind gleichermaßen reizvoll. Das einzige, was sich für mich bisher herauskristallisiert hat, ist die Erkenntnis, dass ich mich mit Birmingham deutlich schwerer tue als mit Lancashire. Größere Brass [alt] Erfahrung ist bei mir übrigens nicht vorhanden, also daran liegt's nicht. Für mich sind beide Versionen gleichermaßen neu.


    Ich hab gehört Birmingham sei "verzeihender".

    Kann ich so nicht bestätigen. Wenn, dann aus meiner Sicht eher andersrum.


    Birmingham zwingt einen durch weniger Startkapital (17 statt 30) früher in Kredite und das aktive Umdrehen von Industrieplättchen durch Verkauf (d.h. Baumwolle/Güter/Töpfereiwaren) braucht in aller Regel Bier, was komplexer ist als der Verkauf bei Lancashire mit den Häfen bzw. Marktanbindung, denn die Verfügbarkeit von Bier ist oft relativ schwer planbar. Insbesondere gegen Spielende kann man da keineswegs sicher sein, seine Industrien auch noch gedreht zu bekommen. Brauereibau hilft dabei auch nicht unbedingt, denn das Bier dürfen dann auch die Mitspieler wegsaufen, wenn eine Verbindung zur Brauerei existiert. Das verlangt dann so Tricksereien wie erst Verbindung bauen und dann im Zug danach Brauerei plus Lieferung direkt hintereinander, bevor ein Mitspieler dazwischen grätschen kann. Außerdem sind bei Birmingham die teilweise stark schwankenden Eigenschaften zwischen verschiedenen Leveln des gleichen Industrietyps auch nicht unbedingt anfängerfreundlich.


    Richtig ist allerdings, dass bei Birmingham im letzten Drittel das Einkommen so hoch wird, dass Anfänger erstmal im Geld ertrinken (weil sie nicht genug entwickelt haben und deshalb die richtig teuren Sachen gar nicht erst bauen können), und man merkt Birmingham auch an, dass es etwas mehr Streamlining abbekommen hat. Sowas wie "zum Liefern brauche ich die Verbindung zu einem Händler, der das entsprechende Gut kaufen will" ist z.B. deutlich einleuchtender als der Verkauf bei Lancashire. Feindliches Überbauen von Kohleminen und Eisenwerken ist auch kaum möglich, weil der Markt mehr Plätze hat und normalerweise nicht leer werden dürfte.

    Mal eine Frage an die Brass-Experten hier: Gilt dieses "nutze aus Gründen der Aktionseffizienz möglichst Industrien der Mitspieler, um in der gewählten Entwicklungsrichtung schneller voran zu kommen" eigentlich auch im 2er? In meinen bisherigen 2er-Spielen Brass (Lancashire und Birmingham) hatte ich schon den Eindruck, dass man tendenziell immer eigene Sachen nutzen sollte.


    Beim Mehrspielerspiel ist immer klar: ich breche mir keinen Zacken aus der Krone, wenn ich bei einer für mich guten Aktion einen anderen mitprofitieren lassen, weil es mir relativ zum Dritten (plus ggf. Vierten, Fünften, etc.) hilft. Wenn ich mir aussuchen kann, welchem Mitspieler ich helfe und welchem nicht, dann umso besser. Im 2er gilt das nicht. Insbesondere bei Brauereien (Brass Birmingham) scheint es mir im 2er nur in Ausnahmefällen sinnvoll zu sein, fremdes Bier zu trinken (nämlich nur wenn ich dem Gegner so eine geplante Lieferung zerschießen kann).