In Summe ein gutes Spiel mit Ecken und Kanten fernab redaktionellem Feinstschliff.
Würde ich ähnlich sehen -- wenn man "mit Ecken und Kanten" in seiner positiven Bedeutung versteht, d.h. als Abweichung zum rundgelutschen Einheitsbrei, den man auch oft von den etablierten Verlagen vorgesetzt bekommt. Der größte Pluspunkt ist sicher das schöne Worker Placement mit den "Sichtlinien" für Nebenaktionen als Antrieb. Das Einsetzen der beiden Worker bringt sehr interessante, verzwickte Entscheidungen, und interaktiv ist's auch noch, weil man unbedingt berücksichtigen sollte, wohin die anderen ein Interesse haben hinzugehen. Auch sonst sind ein paar gute Detail-Ideen drin, z.B. dass man Landkauf-Plättchen je nach Runde auf eine bepunktete Leiste legt, früh = viele Punkte, spät = wenige, wobei man die Marker durch Aktionen noch hochschubsen kann. Das unverbrauchte Thema sehe ich als weiteren Pluspunkt. Klar: es ist wie bei vielen Euros auch ein Stück weit aufgesetzt (und insbesondere beim Worker Placement Anteil kommt's überhaupt nicht durch), aber ich habe lieber ein Spiel mit Wildhüter-Thema als das 100. Mittelalter-Aufbau-Spiel. Alles in allem bin ich mit meinem Kauf bisher sehr zufrieden. Ein schönes Spiel von einem Autor, den man im Auge behalten sollte. Aber...
Ob es wirklich ausbalanciert ist in seinen Strategieansätzen, kann ich in keinster Weise sagen.
Tja. Das ist auch meine große Frage. Damit hast du mich jetzt doch etwas aus der Reserve gelockt. Mein Bauchgefühl ist nämlich: eher nein.
Wer meint, dass man gar nichts zum Thema Strategie sagen sollte, bevor man nicht 10 Mal gespielt hat, der klicke bitte bloß nicht auf den Spoiler...
Wer's doch tut: das sind unscharfe erste Überlegungen, bitte nicht überbewerten. Ich hätte überhaupt nichts dagegen, mich geirrt zu haben, ganz im Gegenteil.
Mein erstes Spiel habe ich mit der einfachen Strategie "hole ein Tier, bringe es im Laufe des Spiel auf 6 Population (Maximum) und klatsche jeden verfügbaren Happyness-Marker, den du irgendwie kriegen kannst, dorthin" haushoch gewonnen. Die Gesamtpunktzahl GP ist eine gewichtete Summe des Typs
GP = a*A + b*B + c*C + d*D + Renaturierungspunkte + Rest-Ressourcen + Endwertungsbedingungen + Landkäufe - Strafpunkte durch Threat-Marker
Dabei steht A bis D für die Population der vier Tierarten (0-6) und a bis d für die Anzahl der dortigen gelegten Happyness-Marker (1 aufgedruckter plus die im Laufe des hingelegten Marker). Die restlichen Summanden sind allerlei Kleinkram, der mit gezieltem Engagement in irgendeiner Richtung hoch gebracht werden muss. Das gibt eine ansteigende Punkteausschüttung, schön zu sehen z.B. bei Aufforstung/Bewässerung, aber das sollte für mein Bauchgefühl eher exponentiell steigen, um ein Gleichgewicht zu erzeugen. Ein kaum mehr als linearer Anstieg reicht da nicht. Die Produktterme scheinen mir deshalb interessanter, weil man da durch Drehen an beiden Faktoren mehr Siegpunkt-Ertrag generieren kann, dann steigt die Punkteausschüttung nämlich quadratisch an (bis sie linear wird bei ausmaximiertem Populationswert 6).
Der mathematisch begabte Spieler sieht dann gleich: maximiere die Gesamtpunktzahl bei begrenzter Anzahl von Aktionen, indem du einen beliebigen der ersten vier Summanden (d.h. die Tier-Produkte) herauspickst und für sich maximierst, bei relativem Ignorieren des gesamten Restes (-> schlechtes Design!). Das wiederum heißt dann: während der sechs Runden einmal ein Tier holen und dann fünfmal dessen Population erhöhen und schon ist jeder irgendwann während des Spiel erhaltene Happyness-Marker dort 6 Siegpunkte wert. 6 Siegpunkt ist viel in dem Spiel. Andere Entwicklungswege (von Aufforstung bis Landkäufe) geben maximal am Ende 6 SP für eine Aktion, teilweise weniger auch dann noch weniger.
Für meinen Geschmack steht dem etwas wenig entgegen wie Endwertungsbedingungen der Sorte "Siegpunkt für bestimmte Tierkombinationen", die einen in eine weniger fokussierte, gemischte Strategie-Richtung drücken. Auch dass man überhaupt nicht aufforsten/bewässern muss, um dennoch beliebig viele Tiere zu haben, gefällt mir nicht. Auch hier hätte man Abhängigkeiten zwischen den strategischen Wegen einbauen können, wenn nicht müssen. Vermutlich funktioniert das Spiel sogar wieder, wenn jeder gleichmaßen auf alle Happyness-Marker geht, die er kriegen kann. Dann gewinnt wieder der Spieler, der den Rest am besten optimiert, das könnte dann wieder spannend sein. Aber ich weiß nicht... Wenn man Happyness-Marker holen muss, sobald sie verfügbar sind, dann wäre das Spiel arg eindimensional.
Das alles sei hier mit allerhöchster Vorsicht gesagt. Eigentlich sollte man ein Spiel häufiger gespielt haben, bevor man in einem Forum über Strategie redet. Erst recht, bevor man so wie ich hier die theoretische Möglichkeit einer dominanten Strategie andeutet. Ich mache es trotzdem mal in der Hoffnung, dass mir keiner dafür den Kopf abreißt. Ich gehe nun mal recht analytisch an Spiele ran und fahre damit meist nicht so schlecht. Wenn jemand eine bessere Strategie als das Maximieren der Punktzahl über eine beliebig gewählte Tierart kennt, dann raus damit, dann sage ich "dankeschön" und freue mich darüber...