Beiträge von ravn im Thema „05.06.-11.06.2017“

    Kennt Ihr dieses eher seltene Spielgefühl, wenn es plötzlich "klick im Kopf" macht, Ihr vom Spielablauf völlig geflashed seid, es Euch einfach mitreisst und es nicht nur Spass macht, sondern zu einem besonderen Spielerlebnis wird, das Ihr direkt und immer wieder wiederholen wollt?


    Das war in den ersten Zügen meiner Erstpartie Marco Polo so, die einfach whow waren und dessen Euphorie weit über 40 Partien getragen hat. Das war bei Railroad Revolution so, das bei mir genau den schmalen Grad, ja den Nerv zwischen Herausforderung und geschmeidigen Ablauf traf und deshalb weiterhin eines meiner Lieblingsspiele ist. Das war bei Holmes & Watson in einem für mich denkwürdigen Szeario so, dessen Storytiefe mir staunend den Boden unter den Füssen weggerissen hat, weil es sich plötzlich wirklich so anfühlte, einer Verschwörung durch eigene Deduktionsleistung auf der Spur zu sein. Fast schon ein rollenspielartiges "being there"-Erlebnis, das ich so fast nie in Brettspielen erlebe und genau deshalb ein Spiel besonders macht.


    Fernab davon gibt es viele sehr gute Spiele und Spielerlebnisse - Terraforming Mars, Round House, Mech & Minions, Villen des Wahnsinns 2 und so weiter. Alles aus der Masse herausragende Spiele, aber damit ein Spiel für mich wirklich besonders wird, muss es dieses arg seltene Schlüsselerlebnis erzeugt haben.


    Wettlauf nach El Dorado hat es in meiner fünften Partie geschafft, dieses "Whow"-Gefühl auszulösen. Im Kern ein eher einfaches Deckbauspiel mit einem Wettrennen und frei kombinierbarer Strecke. In seinen gegebenen Werkzeuge bewusst reduziert auf eine überschaubare Kartenvielfalt, wenige Landschaftstypen und einem gradlinigen Spielablauf, der es mir erlaubt, mich voll und ganz aufs Spiel und nicht aufs Regelwerk zu konzentrieren. Sofern man eben die beiden Stolpersteine Blockaden und optionale Vulkanfelder im Regelwerk überwunden hat, bei denen Ravensburger es redaktionell besser kann als vorliegend gezeigt. Ein klares Ziel vor Augen, aber eben mit Blick auf die Strecke dann doch tückische Engstellen und Abkürzungen zeigt und die eine Deckoptimierung erfordern - zur rechten Zeit.


    In der Summe eigentlich recht unspektakulär, fast schon etwas langweilig, könnte man theoretisierend aus der Entfernung meinen. Zudem die Partien davor gezeigt haben, dass die zwar ihren Spannungsbogen hatten, der aber vorzeitig abriss, weil der Sieger scheinbar schon vorzeitig feststand, sich Spieler aufgegeben hatten, den Spielplan schlicht falsch gelesen oder sich Spielfehler (wie mir passiert, Einmalkarte nicht direkt abgeworfen) eingeschlichen hatten. Wettlauf nach El Dorado war für mich also schon auf dem besten Weg, ein "nur gutes" Spiel zu sein. Ein Spiel, mit guten spielmechanischen Ansätzen, aber in der gespielten Partie dann doch nur gut, aber eben nicht besonders.


    Diese fünfte Partie hat das aber alles geändert. Gespielt auf einer der vorgegebenen mittelkomplexen Karten und weiterhin ohne diese Vulkane. Ob die das Spielprinzip wirklich "verwässern" (O-Ton Mitspielerin) statt verbessern, muss sich noch zeigen. Wir haben ohne Vulkane gespielt, weil wir meinten, dass die ein zusätzliches Glückselement ins Spiel bringen würden, auf das Wettlauf nach El Dorado gut verzichten kann für uns als Vielspieler.


    Anfangs ging es noch recht harmlos los. Dann kam eine Engstelle, die eine 4er-Geldkarte erforderte oder eben einen kleinen Umweg oder eben einen noch grösseren Umweg. Dort drubbelte es sich. Einer drohte dem Anderen im Weg zu stehen, weshalb ein mehrfaches spiralförmiges Umkreisen folgte, um sich aus dieser Engstelle zu befreien, anstatt nur auf bessere Karten zu warten. Denn wer nur wartet und hofft, verliert wertvolle Zeit, die bei so einem Wettlauf über Sieg und Niederlage entscheiden kann. So entwickelte sich in Folge und schon davor ein spannendes Wettrennen, Kopf-an-Kopf, stets immer in Gefahr, blockiert zu werden und abzuwägen, ob alternative Wege jetzt doch sinnvoller, weil schneller wären.


    Das gipfelte dann in einen Zieleinlauf, der eigentlich keiner war, denn der Führenden fehlte eine dringend benötigte Wasserkarte auf der Hand, die irgendwo im angewachsenen Deck verschüttet waren. Ich konnte somit aufholen und unerwartet gleich ziehen, aber meine beiden einzig passenden Karten musste ich für diese Aufholjagd ausspielen. So stand ich dann auch vor dem Wasser. Ein dritter Mitspieler, der anfangs gleich drei 1er-Karten entsorgt hatte, dafür einen Umweg in Kauf nahm und eigentlich schon abgeschlagen schien, holte auf und gesellte sich schliesslich ebenso vor diesem Wassergraben - ein einziges Spielplanfeld dem Sieg entfernt.


    So standen wir zu dritt direkt vor dem Ziel und versperrten dem vierten Spieler so die Möglichkeit, an uns vorbei zu ziehen und zu gewinnen. Wir als die zwei Erstankömmlige mussten hingegen passen, unsere Kartenhand abwerfen, da keine Wasserkarte oder Joker auf die Hand bekommen. So gewann dann schliesslich der Nachzügler, unerwartet und superspannend zugleich. Ein perfekter Spannungsbogen, unerwartete Wendungen und interaktive Blockierungs-Begegnungen und einfach nur eine dieser tollen Spielpartien mit dem seltenen "Whow"-Faktor. Damit hat Wettlauf nach El Dorado sich von den "nur guten" Spielen deutlich abgesetzt und ich brenne auf Revanche-Partien.


    Cu / Ralf