City Council: Grundspiel und kooperative Disaster-Deck-Erweiterung

  • City Council gibt es schon seit der SPIEL 2013. Damals am Messestand probegespielt und in gewisser Weise hat mich das Spielprinzip so fasziniert, dass ich es mir dann doch noch gekauft habe - einen Tag später. Wir bauen gemeinsam eine Stadt auf, haben allerdings unterschiedliche Interessen. Für was wir persönlich Siegpunkte bekommen, das wird durch zufällige Gefälligskeitskarten gesteuert. Da wird der Bau eines Krankenhauses verlangt, die Kriminalität soll eine gewisse Höhe haben oder das Stadtbudget einen gewissen Wert nicht unterschreiten. Diese Gefälligkeiten sind geheime Handkarten. Um die erfüllen zu können, übernehmen wir bestimmte Posten im Stadtrat, die einem Vorteile in der Spielreihenfolge, Aktivierung von Gebäuden, bei Gleichständen und mehr bieten. Es werden potentielle Bauvorhaben aufgedeckt und abgestimmt, welche davon gebaut werden sollen und welche man in der wachsenden Stadt mit den verfügbaren Ressourcen Geld, Arbeiter und Angestellte nutzen kann. Das erinnert ein wenig am Sim City mit dem zynischen Unterton, dass wir eigentlich nur die Marionetten sind, die Gefälligkeiten von Interessensgruppen erfüllen.


    In der Theorie und nach dem Ersteindruck auf der SPIEL 2013 entsteht dabei ein höchst interaktives Gerangel und Geschachere um Interessen. In der Praxis wollten in meinen bisher drei Spielpartien in unterschiedlichen Runden kein wirklicher Spielfluss aufkommen. Einmal weil die Regeln arg schwammig geschrieben sind und ungeklärte Fragen im Ablauf und in Details schlicht offenlassen. Ebenso weil einzelne Spielelemente nicht funktionieren wollen. So entscheidet der Spieler in der Rolle des Vorsitzenden des Wahlkomitees, wer welche Posten bekommen soll. Da können Versprechen gemacht werden, nur sind diese so wage, dass man die Posten dann doch irgendwie zufällig verteilt. Dann wird über den Bau von Gebäuden abgestimmt, wobei es auch wieder kaum Möglichkeiten gibt, seine Mitspieler davon zu überzeugen, für das von einem selbst favorisierte Gebäude zu stimmen. Klappt meist nur, wenn man einen Abstimmungspakt schliesst oder zufällig gemeinsame Interessen hat. Dazu kommen zufällig verteilte Gefälligkeitskarten, die entweder einfach passen können oder ebenso auch unmöglich zu erfüllen sind. Dazu kommt dann abschliessend noch, dass die Symbolik auf den Gebäuden nicht eindeutig ist und mal munter Detail-Icons verwendet wurden und dann mal wieder nicht.


    Kurz gesagt, das Spiel hat interessante Ansätze, es fehlt aber an der grundlegenden redaktionellen Bearbeitung - angefangen von einem verständlichen Regelwerk bis hin zu einem runden Spielablauf.


    Hoffnung hatte ich deshalb, dass die lange angekündigte kooperative Erweiterung das Spiel doch noch retten kann. Weil damit hätte der Autor die zweite Chance gehabt, sein Spiel spielbarer zu machen. Die kooperative Erweiterung mit dem bezeichnenden Namen "The Disaster Deck" kam gestern bei mir an - bestellt aus den USA direkt per Kickstarter-Upgrade-Option. Auf einer doppelseitigen A4-Anleitung werden die Änderungen zum Grundspiel beschrieben. Es ändert sich wenig: Die Gefälligkeitskarten liegen offen aus und gelten nur die aktuelle Runde lang. Die Rollen im Stadtrat rotieren rundenweise zwischen den Spielern per Rollenkarten. Wobei es zwar einen Spieler gibt, der die Aktion der Rolle ausführt, aber da wir vollständig kooperativ spielen, sind dann doch alle Spieler beteiligt. Warum der Präsidalkomitee-Spieler Gleichstände entscheiden soll, wenn doch eh alle Mitspieler an einem Strang ziehen, ist mir schleierhaft. Aber irgendwas muss der ja zu tun bekommen und sei es noch so unsinnig. Zudem kommt als neues Spielelement jede zweite Runde eine Katastrophe ins Spiel, die unsere gemeinsame Stadt in ihrer Entwicklung zurückwirft. Schaffen wir es zeitig auf 26 gemeinsame Punkte oder das komplette Gefälligkeitskartendeck durchzuspielen, haben wir gemeinsam gewonnen.


    Argh! Die Gefälligkeitskarten werden damit noch zufälliger. Hatte man im Grundspiel noch mehrere Runden Zeit, auf das Ziel der Karte hinzuarbeiten, muss es jetzt am Ende der Runde passen oder eben nicht. Langfristige Strategien sind damit nicht möglich. Stattdessen versucht man, Kartenvorgaben soweit zu erfüllen, wie es eben geht. Da alle Informationen für alle Spieler offenliegen, macht es auch keinen spielerischen Unterschied, ob ich jetzt alleine oder in Vollbesetzung mit fünf Spielern spiele. Die Zielvorgabe bleibt gleich, in grösserer Runde kann man nur mehr diskutieren und beratschlagen, ob und wie man die Zielvorgaben der Gefälligkeitskarten erfüllen wird können. Warum man auch in der kooperativen Version für ein selbst vorgeschlagenes Gebäude nicht abstimmen kann, macht keinen Sinn, da wir ja nicht mehr andere Spieler von unseren ganz eigenen Geheimzielen überzeugen wollen und Abstimmungspakte schliessen, sondern alle gemeinsam spielen mit dem selben Ziel.


    Nötige Regelklarstellungen gibt es auch nicht. Die Grundregeln bleiben so wie sie sind, schwammig bis teils unverständlich. Die lange angekündigte neue Regelversion ist bisher nicht veröffentlicht worden. Einzige Hoffnung setze ich auf die deutschsprachige Regelübersetzung von Ferdinand Köther (Download seit letzter Woche auf BGG), der laut Infobox der Regel "Änderungen und Korrekturen" gemacht haben soll. Allerdings hat die Regel weiterhin nur die 20 Seiten des Originals, die Errata bezieht sich nur auf die Schachtelrückseite und der allgemeine Aufbau und Ablauf scheint gleichgeblieben zu sein. Hoffentlich wird damit City Council endlich spielbarer - muss ich mir noch im Detail durchlesen.


    Mein Fazit: Wenn City Council mit deutscher Anleitung und dem kopperativen Spielmodus nicht erheblich zugelegt hat in Sachen Verständlichkeit und Spielspass, dann werde ich das Spiel endgültig abschreiben, aufgeben und am besten vergraben. Das muss allerdings eine kommende Partie in der Praxis zeigen. Die letzte Bewährungsprobe sozusagen. Auf der SPIEL 15 wird City Council übrigens mit den zwei kleinen Erweiterungen "Government Agent Expansion" und "The Disaster Deck" als Deluxe Version verkauft. Ich kann vor dem Kauf nur zu einer ausführlichen Probepartie raten, bevor Ihr da ebenso Geld versenkt. Oder kennt Ihr aktuell jemanden, der City Council wirklich gut findet?


    Cu / Ralf

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  • Gute Analyse, der ich mich nur anschließen kann, obwohl ich keine großen Hoffnungen mehr durch Erweiterungen hege... City Council hat viel versprechende Mechaniken, die leider durch ein komplett unbalanciertes Deck von "Gefälligkeitskarten", die teilweise sehr leicht zu erfüllen sind und trotzdem gleich viel (oder teils mehr) als schwer zu erfüllende Karten aufweisen.


    Leider wird die sog. "hidden agenda" viel zu leicht durchschaut und so bestehen häufig keine Notwendigkeiten, z.B. Gebäude im Konsens wieder abreißen zu lassen, weil jeder im Grunde weiß, warum der Vorschlagende das machen möchte...


    Hier haben wahrscheinlich wirklich einfach mal 100 zusätzliche Testrunden mit entsprechendem Feedback gefehlt, die Vieles runder hätte machen können. Das Regelheft ist hier noch das keinste Übel.


    Schade...

  • So, ich habe mir mal die offizielle deutsche Regelübersetzung durchgelesen. Obwohl die dem selben Aufbau wie die Originalanleitung folgt, finde ich die doch um einiges verständlicher. Ob es daran liegt, dass ich mich intensiver mit dem Spiel beschäftigt habe vorab oder ich eben alle Nuancen in meiner Muttersprache mitbekommen habe, kann ich nicht wirklich trennen.


    Zwei Fehler der Originalanleitung wurden allerdings übernommen:


    1. Wenn die Aktion des Schulgebäudes im Produktionsschritt (3.3) ausgeführt wird (siehe Seite 15 links oben), wird dabei nicht erwähnt, dass da zwingend ein weiterer Arbeiter eingesetzt werden musste, der als so genannter Spezialarbeiter zurück in den Wohnbereich für Arbeitskräfte gesetzt wird. Das hat mich verwirrt, auch weil vorher noch extra ein langer Absatz den Spezialarbeitern gewidmet wurde.


    2. Auf Seite 18 sind einige Gefälligskeitskarten genauer beschrieben. Die Karte "White Collar Employment" wird dort fälschlicherweise als "White Collar Unemployment" und in der Übersetzung als "Weißkragen-Arbeitslosigkeit" bezeichnet. Dabei ist genau das Gegenteil gemeint, nämlich die Vollbeschäftigung von Büroangestellten. Über den Begriff "Weißkragen-Angestellte" kann man sowieso streiten. Zwar ist der anschaunlich in der direkten Übersetzung, weil die Pöppel weiß sind, aber im Deutschen nicht wirklich geläufig, eher noch Büroangestellte. Wir sagen ja auch nicht Blaumann-Arbeiter in der Alltagssprache, sondern höchstens, der Blaiumann malocht oder so.


    Unklar war für mich, ob ich doppelte Gefälligkeitskarten auf einmal spielen kann und damit doppelte Punkte kassiere. Der Autor meint "Ja" in Antwort auf eine BGG-Regelfrage. Ok, nehme ich so hin, aber zu den eh schon vorhandenen Zufallsfaktoren, ob und wie gut Gefälligkeitskarten passen, finde ich das nochmals heftig. Diese Gefälligkeitskarten sind für mich dann auch der eigentliche Knackpunkt des Spiels. Weil am Ende gewinnt nicht der bessere Spieler, sondern derjenige, der die besser passenden Gefälligkeitskarten auf die Hand bekommt, was dann das komplette Spielsystem aushebelt und unerheblich werden lässt. Das hätte man besser lösen müssen. Kennt wer eine optimierte Variante?


    Zumindest ist mir dank der deutschen Anleitung der Spielablauf klar geworden.


    Cu / Ralf

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