Dynasties

DYNASTIES DRESDEN


Die Anreise:
Der Bund der Ehe als zweckgebundene Verbindung. Es fällt auf, dass in unserer konsumkapitalistischen Gesellschaft die Hochzeit zu den romantisch am meisten überhöhten und blumenstilisierten Ereignissen zählt. Dabei gilt ein möglicher Konsens des nüchternen Austauschs von Interessen und Steuervergünstigungen als moralisch verpönt. Hochzeit wird als Grandiosität inszeniert, in der nur die Liebe zählt. Es war einmal das Rosenmärchen von Prinz Bachelor und Prinzessin Bacholorette. Europäische Adelshäuser verkaufen bis heute dem Boulevard ihre Eheschließungen als Traumhochzeiten, vermutlich weil der Geld- und Interessenhandel hier so offenbar wird. Dynasties ist nach Das Vermächtnis ein zweites Brettspiel der jüngeren Vergangenheit, das die Ehe thematisch auf die Schippe nimmt. Die Schippe bietet sich dem Brettspielliebhaber als Ware an.

Das Stadion:
Die appellative Subline „Heirate & Herrsche“ auf der Spieleschachtel macht keinen Hehl aus der Wirklichkeit. „Herrsche“ passt gut zum Mehrheitenspiel im Europa der Fürstenhäuser. Und das Handkartenmanagement als Einsatz von diplomatischem Handel zu betrachten mit der man seine Söhne und Töchter aus Holz aus China an die Mitspieler verschachert, geht thematisch auch ok. Lediglich der ein wenig herbei bemühte Titel Dynasties, der für den internationalen Markt gemacht scheint, wirkt beliebig. Connections oder Politics hätten genauso gut gepasst. Mir persönlich hätte Wedding Present sehr gut gefallen.

Die Heimfans:
Area Controller, Kartenmanager, Zweckbeziehungsberater.

Der Gästeblock:
Romantiker, Liebende, Blumenliebhaber.

Die Startaufstellung:
Ressourcen ohne Namen. Sie heißen: schwarze Waren, weiße Waren, hellblaue Waren, rosa Waren, goldgelbe Waren. Das entspricht zwar der kalten Nüchternheit des Warentauschs, versprüht aber in einem Brettspiel wenig Charme. Lasst uns alle daher gemeinsam aus den nackten Warenquadern romantische Blumen zaubern: z.B. schwarze Rosen, weiße Rosen, Dahlien, Tulpen oder Flieder (rosa), Vergissmeinnicht (hellblau), Sonnenblumen, Goldruten, Nachtkerzen (goldgelb). Mit Blumen lässt sich auch der Spieltisch verliebter schmücken für mehr feminines Flair. Der Weg zum Spielzimmer wird mit roten Rosenblättern aus dem Korb des blonden Jungfräuleins Rapunzel auf dem Cover bestreut.

Das Spielfeld:
Europa. Seit Kardinal & König von Micha Schacht in hunderttausend Spielen gesehen, teilt sich das Europa-Spielbrett die Vorherrschaft unter den Spielbrett-Motiven gemeinsam mit dem Nordamerika-Spielbrett. Wie im richtigen politischen Leben.

Die erste Hälfte:
Der Geist von Prinzessin Diana eröffnet: Karte ausspielen, Aktion machen. Kern des Spiels ist dabei die Eheschließung der Holzfiguren: Treffen in einer Stadt Männlein und Weiblein aufeinander, so werden sie miteinander verkuppelt. Der eine Ehepartner würfelt die drei Riesen-Mitgiftwürfel und macht daraus zwei Angebote, der Andere sucht sich eines davon aus. Das nennt man gemeinsame Interessenwirtschaft. Das Spannungsverhältnis innerhalb der Belohnungsteilung beim Verheiraten "Der eine teilt, der andere wählt aus" ist der Kernmechanismus des Spiels. Wunderbarerweise hat er etwas erfrischend Kindliches. Die Haba-Riesenwürfel machen Riesenspaß.

Die zweite Hälfte:
Drei Runden mit diversen Mehrheitenwertungen. Seit Kardinal & König von Micha Schacht in hunderttausend Spielen gesehen macht es zum hunderttausendsten Mal Riesenspaß.

Torschütze des Spiels:
Prince Charming von Adam & The Ants.

Déjà-Vu des Spiels:
Mit sechzehn sagte ich still: ich will, will groß sein, will siegen, will froh sein, nie lügen.
Mit sechzehn sagte ich still: ich will, will alles oder nichts.

Drama des Abends:
Wähle eines der beiden attraktiven Handelsangebote:
Angebot 1: "Ich will Dich haben. Willst Du mich heiraten?"
Angebot 2: "Ich will noch mehr haben. Warum kriegt der andere immer mehr als ich?"

Haken des Spiels:
Die Mitgiftwürfel fallen wie sie wollen. Liebesspiel!

Erkenntnis des Spiels:
Ein kunterbunter Mix aus vielem, was die Eurowelt so kennt: Ressourcen, Personenkarten, Kartenaktionen, Mehrheiten, allerhand Wertungsobstsalat. Und all die vielen, alten, aufgebackenen Ideen ab in die Wundertüte, durchgeschüttelt und auf den Spieltisch gekippt. Dynasties ist Euro-Kirmes aus dem Boardgame Copyshop ohne Überflug und Genie, aber dafür mit großem Vergnügen. Dynasties ist das ideale Hochzeitsgeschenk. Eine Petition für eine Namensänderung in Wedding Present ist bereits in Umlauf.


Liebe Deines Lebens: