Beiträge von Oliver im Thema „Autoren und der Umgang mit Kritik“

    Ich sehe das ähnlich wie Manuel vom Brettspielelabor. Ich finde es gut, wenn der Verfasser von Kritiken eine Trennung zwischen neutraler Beschreibung des Spiels und persönlicher Meinung vollzieht. Ich finde es überheblich und anmaßend, wenn die Meinung zum Fakt stilisiert wird - und man merkt das sofort. Es ist ein wenig wie in der Musik. Dort kann ich auch Stücken, die ich mir nie anhören oder die ich nie erwerben würde, eine Virtuosität oder eine interessante, künstlerische Idee abgewinnen. Für mich gutes Beispiel: Lady Gaga spielt Pokerface alleine am Klavier (Video) - vielleicht versteht ihr, was ich meine.


    Bei Spielen sehe ich das genauso. Ich bin auch kein übermäßiger Scythe-Fan, meine Meinung ähnelt der von @MetalPirate - recht kalkulierbar und zwar in einer Art, die gar keine Variationen mehr zulässt. Als ich das Spiel noch nicht so gut kannte, war es besser. Dennoch finde ich das Artwork von Jakub Rozalski atemberaubend. Das fast schon frivole Spiel mit den Zuständen einer Parallelwelt in einer Zeit, in der sich unsere Geschichte langsam den Weltkriegen zuneigte, finde ich inspirierend. Auch die Mechaniken, die angewendet werden und durch die Spiel-Bestandteile unterstützt werden, sind toll. So kann ich also auch an einem Spiel, das mir persönlich nicht zusagt, positive Aspekte finden und beurteilen. Es ist dann auch okay für mich, wenn jemand nach 1-2 Partien eine Rezension schreibt. Wenn ich mich mit dem Autor identifiziere, ist es mir Signal genug, dass ein Spiel nach kurzer Zeit bei ihm nicht mehr auf den Tisch kommt.


    Ich respektiere Spiele-Autoren und bewundere ihre Schaffenskraft. Ich weiß aber auch, dass bei den mittleren bis großen Verlagen zur Sicherstellung eines kommerziellen Erfolges eine Menge Weichspüler in so einen Karton kommt, der nicht nur der Feder des Autors entstammt - zum Guten wie zum Schlechten. Ich habe allerdings den Eindruck, dass auch die Brettspiel-Branche am Beginn einer totalen Kommerzialisierung steht, wie sie in der Musik bereits stattfindet. Darum finde ich diese Industrie auch (noch) so charmant: Hier werden manche Dinge noch hemdsärmlig und mit Herzblut gemacht. Man hat es noch nicht geschafft, erfolgreiche Spiele am Fließband zu produzieren (obwohl Asmodee vielleicht auf dem Weg dahin ist). Ich schätze, der Brettspiel-Boom, der gerade läuft, wird das ändern. Darum bin ich so froh über die Unknowns, BGG und die ganzen Kritiker und Blogger, die auch Randgebiete betrachten, so daß man auch die Schätze und Geheimtipps mitbekommt.


    Soweit: Kritiken sind wichtig und dürfen durchaus auch Spiele verreißen. Autoren müssen mit Kritiken umgehen können. Der Leser selber entscheidet, ob er die Meinung des Kritikers annimmt oder nicht. Wert entsteht immer im Kopf des Betrachters.