Beiträge von MetalPirate im Thema „[Spiele-Jahrgang 2017] Valletta von Hans im Glück“

    "Aus Prinzip" muss gar nichts passieren (hat @ravn auch meines Wissens gar nicht gefordert), aber Endbedingungen sind nun mal ein zentraler Bestandteil eines Spieldesigns. Verschiedene Endbedingungen korrespondieren in mindestens 80% der Fälle schließlich mit entsprechenden verschiedenen Spielstrategien, die darauf zielen, das Spiel auf eben diese Art zu beenden. (Die restliche Prozente sind eher Absicherungen, dass ein Spiel nicht irgendwie komplett aus dem Rahmen läuft, z.B. auch dann nicht endlos dauert, wenn Anfänger sehr suboptimal spielen.)


    Wenn ein Spiel sich bei unterschiedlichen Spielerzahlen in Sachen Endbedingung völlig unterschiedlich verhält, dann kann man da durchaus mal in einem Forum nachfragen, wie die Erfahrungen der anderen Leser damit sind. Finde ich völlig normal. Wäre unschön, wenn dadurch die strategische Vielfalt eingeschränkt würde und bestimmte Spielweisen, die im Mehrspielerspiel funktionieren, zu zweit nicht mehr spielbar wären. Niemand erwartet, dass ein 2er-Spiel sich exakt so wie ein 4er-Spiel spielt, aber gut und interessant spielbar sollte es schon noch sein. Dazu braucht es nun mal in den meisten Fällen irgendwelche Anpassungen.

    Wenn von "offizieller" Seite solche abstrusen Ideen zur Bestimmung des Startspielers kommen wie die oben geschilderte Variante des "einmal reihum eine zunehmende Summe Gold zahlen oder nicht", Ideen, die für jeden mit ein bisschen Verständnis von Spieltheorie (Wikipedia-Link als Einstieg) ein ziemlicher Humbug sind, dann sollte man nicht über Vielspieler herziehen, die stattdessen bewährte Verfahren wie englische Auktion mit Geboten in Siegpunkten nutzen, um asymmetrische Startpositionen zu balancieren. Bei Marktkenntnis der Teilnehmer, d.h. Fähigkeit zum korrekten Einschätzen des Wertes des versteigerten Gutes, ist die Auktion auch eine theoretisch gut begründete komplett allgemeingültige Lösung solcher Probleme. (Leider heißt die Bedingung "Marktkenntnis der Teilnehmer" aber auch automatisch, dass es nur für Kenner eines Spiels funktioniert wie gedacht.)


    Ja, gerade in Forum findet man auch viele blödsinnige Vorschläge von Hausregeln, aber die Vielspieler sind nicht alle so dämlich, wie Autoren und Verleger anscheinend manchmal denken. Wenn Vielspieler Sachen hausregeln wollen oder Dysbalancen sehen, dann ist das oftmals auch gut begründet.

    Spieler 1: "Nö, keine Lust zu zahlen, wenn immer alles Geld weg ist und ich dadurch nicht sicher Startspieler werde."
    Spieler 2: "Hmm... Ich dann auch nicht."


    Spieler 3: "Wenn ich jetzt auch passe, ist Spieler 4 vor die Wahl gestellt, entweder auch zu passen und damit Letzter zu sein oder er zahlt gerade mal ein Gold, um Startspieler zu werden. Da er nicht völlig bescheuert ist, würde er das Gold zahlen. Dann bin ich Letzter, das wäre blöd. Also muss ich jetzt zahlen. Dann bin ich für ein Gold Startspieler (wenn #4 passt) mit einer Außenseiterchance, Letzter mit immerhin zwei Gold zu sein, falls es Spieler 4 volle zwei Gold wert ist, Erster statt Zweiter zu sein, was aber ziemlich unwahrscheinlich ist."


    Wenn 2 durchrechnet, was Spieler 3 oben denkt, dann weiß er, dass er selbst bieten muss, sobald Spieler 1 passt, um nicht bei "passen-passen-bieten-passen" der Gelackmeierte zu sein bei einer Lösung, die für Spieler 3 und 4 gut ist, aber dann auf seine Kosten geht.


    Das ist Spieltheorie.

    Huch?! Was soll das denn sein? Ist das eine Übung in Spieltheorie?


    "Wenn ich ein Gold mehr biete, dann hat der Spieler nach mir die Wahl, ob er mit X1 Gold an Position Y1 der Reihenfolge sein will oder mit X2 Gold an Position Y2, davon wird er logischerweise Variante 1 wählen, dann bin ich mit X3 Gold an Postion Y3. Passe ich, kommt dieses oder jenes raus [...]" Das kann man von hinten (4. Spieler beim Bieten) nach vorne (1. Spieler) durchexerzieren und bekommt optimale Entscheidungen in Abhängigkeit vom Wert der Positionen in der Spielerreihenfolge.


    Unter "Versteigerung" stelle ich mir jedenfalls etwas anderes vor eine Serie von bis zu vier Ja/Nein-Entscheidungen. Eine Versteigerung ist ein freies Verfahren mit Bieteranonymität als wesentlichem und definierendem Merkmal (-> die Position beim Bieten darf keine wesentliche Rolle spielen) und keine Folge von binären Entscheidungen mit insgesamt 15 bekannten und durchrechenbaren Möglichkeiten (im 4er-Spiel: 2^4 abzüglich der verboten "alle vier bieten"-Möglichkeit), von denen ich ein paar schon als "offensichtlicher Unsinn" rausstrichen kann, weil sie objektiv schlecht sind, sobald Startspieler-Sein etwas wert ist.


    Versteigerung heißt freie Gebote reihum, bei solchen Balancing-Versteigerungen für Kenner eines Spieles üblicherweise in Form von Siegpunkten als einzusetzende Währung.




    Back on topic: Mein Vertrauen in die Güte des Spiels wächst durch solchen komischen nachgeschobenen Varianten definitiv nicht.

    Ich glaube, dass HiG einfach seine frühere Sonderstellung verloren hat, ähnlich wie z.B. auch die Alea Big Box Reihe. Früher waren das Highlights des Spielejahres, auf die man sich lange vorab gefreut hat. Jetzt ist es bloß eine von vielen hundert Neuveröffentlichungen jährlich.


    Also eigentlich weniger "übersättigt" in Bezug auf das, was man tatsächlich gekauft und/oder gespielt hat, sondern vielleicht eher "abgestumpft" in Bezug auf Neuheiten, die allesamt in einer riesigen Veröffentlichungsflut unter zu gehen drohen.