Beiträge von Bierbart im Thema „It took us 3 hours to finish the first turn - of 7 turns: Wenn Eurogamer erstmals Wargames spielen ...“

    Da hast Du m.E. die Hauptschwierigkeiten schon sehr treffend beschrieben -- wobei ich als Einschränkung dazu allerdings denke, dass Dein dritter Punkt zwar für die genannten COIN und Co. ganz sicher zutrifft, aber diese spezielle Art von Asymmetrie ist schon eher die Ausnahme. Asymmetrien findet man szenariobezogen vorwiegend in Hinsicht auf Siegbedingungen, weniger auf die zur Verfügung stehenden Aktionsmöglichkeiten. Das mit dem Erlernen durch Beobachtung der Aktionen der Mitspieler funktioniert normalerweise schon ganz gut. :)


    Für mich liegt der Knackpunkt im Zugang Cosims in der Präsentation der Regeln (Dein Punkt 2 ergibt sich ja auch irgendwie aus Punkt 1, nicht wahr?). Das Regelheft von Hammor of the Scots bspw. beinhaltet NICHT EIN EINZIGES grafisch dargestelltes Beispiel für eine Spielaktion. Didaktisch finde ich das indiskutabel, da ich nicht der Ansicht bin, dass diese Art der Darstellung sich in irgendeiner Art zwangsläufig aus der Natur von Wargames ergibt. Selbstverständlich kann man solche Regeln auch anschaulich darstellen, nur sind dann eben mehr als nur 8 Seiten notwendig. Anhand eines Schaubildes kann man oft mit einem Blick erfassen, was eine halbe Spalte Text aussagt.


    Ohne es aus eigener Erfahrung beurteilen zu können, sehe ich aber evtl. noch eine andere Schwierigkeit für Spieler, die aus der Euro-Ecke kommen. Wargames sind mechanisch extrem weit von Euros entfernt, zumindest dann, wenn wir uns statt Twilight Struggle, COIN usw. den ganzen Hex-and-Counter.Kram ansehen, der vermutlich nach wie vor das Gros des Genres ausmacht. Arbeitereinsatz, Draften, Bieten, Handeln, Setcollection... das gibt's da üblicherweise nicht. Stattdessen musst Du Dich mit Sichtlinien, Initiative, Kontrollzonen, Bewegungsreichweiten, kombinierten Angriffen, Terraineffekten und noch tausend anderen Würfelmodifikatoren beschäftigen. Das ist spielmechanisch eine ganz andere Welt. :)

    @Lazax Angesichts der riesigen Zahl an Cosims habe ich selber auch nur wenig Erfahrung gesammelt, aber um die 20 Kandidaten kenne ich immerhin. Was einsteigerfreundliche "richtige" Wargames betrifft, möchte ich dem oben gesagten noch ein paar Anmerkungen hinzufügen.


    Allgemeiner Tip: Du solltest immer bedenken, dass bei Wargames der Kreis potenzieller Mitspieler spürbar kleiner ist, als bei unverfänglichen Fantasy-Themen. Wer Battlelore mitspielt, würde vllt nicht unbedingt Memoir '44 mitspielen, selbst wenn es im großen und ganzen das selbe Spiel ist. Ist besser, wenn man vorher sein Umfeld abtastet. ;) Ich würde darum auch, wenn schon, ein Spiel aussuchen, dessen Name in Spielerkreisen halbwegs bekannt ist. Für Paths of Glory oder Hannibal findet man sicher schneller Mitspieler, als für nahezu unbekannte Cosims wie beispielsweise von Avalanche Press (da habe ich eines von, nämlich Coral Sea -- interessiert von meinen üblichen Mitspielern keine Sau).


    Übrigens wäre da natürlich noch die Frage, was ein "echtes" Kriegsspiel ist, denn die Antwort ist oft nicht eindeutig. Da gibt's auf mechanischer Ebene viele Überschneidungen sowohl Richtung Ameritrash (Ringkrieg und Co.), als auch Richtung Euro (COIN-Serie).


    A propos COIN-Serie: Da möchte ich ein bisschen auf die Euphorie-Bremse treten. Die sind nämlich meiner Meinung nach keineswegs so einsteigerfreundlich, wie man aufgrund der relativ einfachen Regeln meinen sollte. Die Spiele sind, so wie alles von GMT, zum einen ziemlich "old school", was die Präsentation der Regeln betrifft. Das Regelheft ist bei denen didaktisch allgemein sehr armselig, oft sind die Regeln nur nach Lesen eines Tutorials halbwegs anschaulich, die Spielerhilfen grottig. Zum Erlernen ohne die Mithilfe eines Tutors ist das nicht ganz ohne.
    Zum anderen: Selbst dann, wenn man das Spiel von einem erfahrenen Spieler erklärt bekommt, ist es teilweise wirklich schwer, das Spiel als Ganzes zu erfassen. Selbst einfachste Dinge wie "Ich will meine Cubes von hier nach da drüben hin bewegen" sind für Anfänger nicht ganz einfach, weil dazu mehrere Mechanismen infrage kommen. Ich kann mich noch gut an an meine erste Partie von Cuba Libre erinnern: Ein halbwegs erfahrener Erklärbär, drei Neulinge, alle schon seit Jahren Spieler, und von uns hat keiner wirklich verstanden, wie man das Spiel spielt. Die COINs sind meiner Erfahrung nach darum keine Spiele, die Du spontan auf den Tisch bekommst, auch Cuba Libre nicht. Zu schwer zu kapieren.


    GMT hat, nebenbei bemerkt, eine einigermaßen brauchbare Komplexitäts-Skala. Die hier z.B. ist für Blood & Roses, ein ganz klassisches Hex-and-Counter Spiel auf taktischer Ebene aus der "Men of Iron"-Serie von GMT(nur, um die Skala mal zu eichen). Twilight Struggle sieht auf der linken Skala genauso aus, Combat Commander wäre bereits eine Stufe höher, ebenso Command & Colors und Cuba Libre. [Blockierte Grafik: http://www.gmtgames.com/images/gmtzs489.gif]


    Blood & Roses beispielsweise halte ich für jeden halbwegs gut erlernbar, der schon Spiele mit irgendeiner Art fortgeschrittenerem Kampfsystem gespielt hat, in dem taktische Stellungen und solche Dinge wichtig sind. Da gibt es einfach viele mechanische Gemeinsamkeiten. Blood & Roses ist aber trotzdem noch deutlich komplexer als Memoir '44 (übrigens auch ein klassischer Einsteiger, der hier noch nicht genannt wurde, wenn auch M'44 nach allgemeinem Dafürhalten sicher keine "Konfliktsimulation" bzw. ein "richtiges" Kriegsspiel im eigentlichen Sinne ist).


    Ansonsten haben die Mitforisten oben bereits aber genau die Tips gegeben, die ich Dir auch gegeben hätte. ;) Vielleicht noch 1775 (regeltechnisch ganz einfaches Spiel mit hohem taktischen Reiz, für 4 Spieler super).


    Kleiner Gedanke zum Thema "Komplexität Euros vs. Wargames". Womöglich läuft das weniger auf Komplexität oder Kompliziertheit heraus, sondern eher auf Kalkulierbarkeit? Bei schweren Euros hat man oft sehr wenige Zufallselemente. Dementsprechend gibt es eindeutig berechenbare beste Züge (weshalb sich solche Spiele bisweilen ja auch nach Arbeit anfühlen, wie man so gerne sagt). Diese durchrechenbare Planbarkeit ist meiner Erfahrung nach völlig untypisch für Wargames.