Beiträge von Gernial im Thema „ 878 Vikings - Die Invasion von England - Deutsche Ausgabe“

    Aus den dargebotenen Infos erschließt sich mir der Charakter des Teamspiels noch nicht so ganz. Bisher hatte ich den Eindruck, da spielen zwei so vor sich hin und bekriegen halt nur die jeweils anderen beiden auf eher schlichte Würfelart. Wenn da deutlich mehr dahinter stecken würde, könnte es mich auch interessieren ;-).

    Das besondere an der Eroberung (und skandinavischen Besiedlung!) des später Danelag genannten Gebietes in Mittelengland ist, dass die Region auch lange nachdem die Wikinger dort herrschten, so genannt wurde und diese dänischen Gesetze weiterhin gültig blieben, also alles andere als unbeliebt waren - ganz im Gegensatz zu den Gesetzen der späteren Normannen). Historisch blieb der Begriff der "Five Boroughs" hängen. Zuletzt fiel das Köngireich York. Das dortige Museum in Jorvik/York ist eine Reise wert. Hier entstanden die ersten Münzen der Skandinavier, bevor Dänemark um 997 eigenes Silbergeld produzierte, was den nordeuropäischen "Silberstandard" einläutete, der sich bis Mitte des 19. Jahrhundert hielt. Das "Hacksilber" war zur Wikingerzeit eine "Gewichtstauschwährung" bei der z.B. die Silberbeute, etwa ein Teller, so lange kleingehackt wurde, bis sie auf der Klappwaage den Gegenwert einer anderen Sache aufwog, die man erwerben wollte. Die Wikinger gründeten überall Orte und Städte (z.B. DEN Sklavenumschlagsplatz schlechthin: Dublin 841) und prägten den (nord)europäischen Handel auf unvergleichliche Art - weit vor der Hanse. Ihre Handels-Knorrs waren bereits hochseetauglich und ihre Langschiffe fast so schnell wie moderne Segelschiffe von heute!
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    Keine Frage! Der Almanach ist meiner Meinung nach besser als das Spiel. :)

    "Die Ausstattung des Spiels läßt keine Wünsche übrig." Karfunkels "Fazit: #EinFestFürOdin ist ein sehr komplexes, bis ins Detail durchdachtes, vielschichtiges und abwechslungsreiches Strategiespiel für alle, die gerne einen Nachmittag oder Abend durchspielen und einen gewissen Anspruch an ein Spiel legen. [...] "der wird belohnt mit gut ineinandergreifenden Spielmechanismen verschiedener Art, mit zahlreichenden taktischen Aktionsmöglichkeiten, mit Abwechslung und Variantenreichtum. Ein ganz heißer Tipp für den Weihnachtsmann!" schrieb bedo.

    Gott sei Dank sind Brettspiele keine Geschichtsbücher :) Natürlich trotzdem interessant.

    Der Almanach ist kein geschlossener, langweiliger und trockener Geschichtsunterrichts-Text (hoffe ich und Feedback war bisher auch so). Es ist vielemehr ein anekdotenhaftes, kurzweiliges Häppchenangebot bei dem man an beliebiger Stelle des Glossars bzw. im Spiel vorkommenden Stichwörtern reinschnuppern kann, je nachdem was einen näher interessiert.


    Das sieht dann z.B. so aus:
    Berserker:
    Im Spiel eine der zahlreichen Ausbildungskarten. Die auf dem Schlachtfeld und im „Holmgang“ gefürchteten Krieger brachten sich laut Sagas vor dem Kampf in einen regelrechten Kriegs-
    rausch. Die gut trainierten Kämpfer standen in der ersten Reihe einer Schlachtordnung und kämpften ohne Rücksicht auf Verluste. Ihre Raserei, möglicherweise ein durch Schreien erzeugter
    Adrenalinrausch, machte sie gegen Schmerzen unempfindlich. Möglicherweise wurde der Rausch auch durch eine Krankheit oder Drogeneinnahme erzeugt. Auf Schiffen wurden sie am Bug,
    dem gefährlichsten Platz im Schiffskampf, eingesetzt.
    „Es brüllten die Berserker,
    der Kampf kam in Gang
    es heulten die Wolfpelze
    und schüttelten die Eisen.“
    Gedicht auf Harald Schönhaar (nach 872)


    Brettspiel:
    „Sie spielten Zabel in ihren Gärten,
    voller Freude,
    Kein Mangel an nichts,
    selbst nicht am Golde.“
    Edda-Lied, Völuspá
    Das Schach- bzw. Dame-artige Brettspiel „Hnefatafl“ (Zabel) wurde mit sehr wertvollen, verzierten Figuren gespielt. Die Wikinger verbreiteten es von Grönland bis in die Ukraine. In dem
    Spiel ging es darum, seine Schlauheit unter Beweis zu stellen (oder das Gegenteil). Eine Partie gefällig?

    Neuer Titel für die Deutsche Ausgabe bei der Spieleschmiede nach Rücksprache mit Academy Games:


    Wikinger 878 A.D. - Angriff auf England

    Ideal wäre: Wikinger 865 a.D. - Überfall auf Mittelengland
    Martialischer aber auch korrekt wäre z.B.. Wikinger 866 A.D. - Eroberung des Danelag
    Oder in Anspielung an den D-Day: Wikinger 865 A.B. - Landung in Mittelengland ;)



    Wenn gewünscht ,schreib ich auch was zum historischen Hintergrund, bin eh im Thema drin ;)


    PS: Zeitschrift für erlebbare Geschichte "Karfunkel" Nr. 127 vom Januar schrieb zum 20-seitigen Almanach von #EinFestFürOdin: "Historisch fundiert, sachkundig recherchiert und bis ins Detail korrekt, findet man hier einen Rundumschlag zu Geschichte und Alltagsleben der Wikinger, wie ihn manches Fachbuch nicht besser hinbekommen hat - incl. selbst erstellter Landkarte. Das ist etwas Neuartiges und wertet das ganze Spiel noch um ein Vielfaches auf."

    Fussnote zum"Historischen": Das sogenannte "Große Heer" eroberte Mittelengland (Danelag = da wo das Gesetz der Dänen galt) von 865-878. 878 gab es lediglich eine Schlacht bei Edington und die 'Invasion' (ein eher unerwartet erfolgreicher, großangelegter Plünderzug, der im Laufe der Zeit zu gigantischen Tributzahlungen in Silber führte), vornehmlich durch dänische Wikinger, war bereits vollzogen. Diese griffen vielmehr 879 massiv das Frankenreich an.
    England_Grosses_Heer_865.png
    Auch das so beliebte Datum des Überfalls auf Lindisfarne 793 als "Beginn der Wikingerzeit" ist ein eher wirkungsgeschichtlich zu sehendes Datum. Die Isle of Man (zwischen Wales und Irland) z.B. war im 8 Jh. bereits ein fester Außenposten der Wikinger bzw. Skandinavier. Überfälle, Handel und Besiedlungen gab es also bereits lange davor und sie waren in der damaligen Zeit nichts so besonderes (lediglich für den nicht unbefangenen Mönch, der aus zeitlicher und räumlicher Ferne über den Klosterüberfall sehr ausschmückend schrieb).
    Je nach Sichtweise von Historikern begann die 'Wikingerzeit' im 6.-8 Jh. Ich würde die Besiedlung der hunderte Kilometer nördlich gelegenen Lofoten etwa um 600 als Beginn ansetzen. Zu dem Zeitpunkt war nur Südnorwegen besiedelt und es lebten dort nur das nomadische Volk der Samen, mit denen zunehmend gehandelt wurde.
    Das Ende der 'Wikingerzeit' ist allerdings klar umrissen mit der vernichtenden Niederlage 1066 gegen das 14 Tage später den Normannen unterlegene englische Heer und der erneuten Plünderung/Zerstörung des seit 1050 nur teilweise wieder aufgebauten Haithabu (3 km entfernt wurde das besser verteidigbare Schleswig neu gebaut).
    Ein Wikinger ist genau genommen eine Person, die auf "Viking" geht, eine Fahrt zu einer entfernt gelegenen Bucht (vik), "for to trade or for to raid". Insofern waren geschätzt vielleicht 5% der (Süd-) Norweger, (Süd-)Schweden und Dänen Wikinger (und auch in Skandinavien nicht unbedingt beliebt). Will man die gesamte Population bezeichnen, bietet sich hier eher 'Skandinavier' an. Es sollte erwähnt sein, dass die Wikinger sowas wie die Vorläufer der Hanse waren. Ihr Handels- (und Plünder-) Raum reichte vom kanadischen Baffin-Island bis zum russischen Bjarmaland (Gegend um Archangelsk) im Norden, Im Osten war es die Wolga (Handelsposten bei Bulgar, der ein Ende der SeidenstraßeN war) und im Süden Kaspisches Meer, Schwarzes Meer und Mittelmeer.
    Der im Spiel postulierte Gegensatz "Wikinger-Engländer" erscheint mir persönlich auch etwas zu konstruiert, bedenkt man, dass nach dem Rückzug der Römer diverse Stämme aus den Festland-Küstenraum der Nordsee dort in den nächsten Jahrhunderten anlandeten (man denke nur an den Brettspielklassiker Britannia - und seine vielen Ausnahmeregeln, die umfangreicher als die Grundregeln sind) und es im Machtvakuum Jahrhunderte währende Kämpfe um die Vorherrschaft gab, die erst mit der Eroberung durch die Normannen zu so etwas wie "England" als bewußte nationale Kategorie führten und das auch nur in Abgrenzung zu den verhaßten Normannen. Es gab auch zu keiner Zeit so etwas wie eine universelle
    „Wikingerkultur“, ähnlich verhält es sich mit Mitteleuropa. Einziges Bindeglied war die noch sehr ähnliche Sprache z..B. Haus = house = hus (schwedisch, dänisch, norwegisch, isländisch) = huis (niederländisch) . Nordeuropa war ein buntes Gemisch an 'Stämmen', die sich äußerer Feinde zu erwehren suchten, egal aus welcher Himmelsrichtung sie kamen oder ob da ein Meer dazwischen lag. Sowas wie Königreiche mit Steuern bzw. Abgaben entstanden in diesem Zeitraum erst und waren einer die Gründe, warum viele Skandinavier auswanderten und auf Inseln wie Isle of Man, den Hebriden, Shetlands, Orkneys, Färöer, Island und Grönland ihre Freiheit und Unabhängigkeit zu wahren suchten.
    Wer sich für mehr Infos interessiert, im zwanzigseitigen Almanach zu #EinFestFürOdin hab ich einiges nach neuerem Wissenstand zusammengefasst : ODIN_almanach_DE.pdf